Mutmaßlicher Tod des Wagner-Chefs: Wie ein Mafiapate
Der mutmaßliche Tod des Söldnerchefs Prigoschin ist nicht nur eine Vergeltungsmaßnahme des Systems Putin. Russlands Präsident warnt auch Nachahmer.
D er gewaltsame Tod des skrupellosen Söldnerchefs Jewgeni Prigoschin kann kaum jemanden überraschen. Der Mann, der seinen kriminellen Hintergrund nie ablegte, der auf Kriminelle setzte, um mit kriminellen Methoden zu seinem Ziel zu kommen, egal wo, hatte sich mit seiner Eintages-Meuterei im Juni maßlos überschätzt. Das Wichtigste, die Gunst des russischen Präsidenten, der ihn erst zu dem gemacht hatte, was der ehemalige Schnellrestaurant-Besitzer war, hatte Prigoschin damit verspielt – und den ungeschriebenen Vertrag zur „Fracht 200“ unterschrieben. Der Begriff kommt aus dem sowjetischen Armeejargon für Gefallene.
Wladimir Putin nannte seinen Zögling einen Verräter. Prigoschin hatte, ob gewollt oder nicht, an jenem Juni-Wochenende aller Welt die Schwäche Putins vor Augen geführt. Verrat aber ist in Putins Augen mit dem Tod zu bestrafen. Zwei Monate nach der Rebellion, auf den Tag genau, fiel Prigoschins Privatjet taumelnd vom Himmel. Ein Zufall? Selbst wenn es ein Unfall gewesen sein sollte, aufgenommen wird Prigoschins Tod als Rache des Systems. Eine Vergeltungsmaßnahme mit den Mitteln des organisierten Verbrechens.
Empfohlener externer Inhalt
Wie ein Mafiapate hatte Putin den einstigen Kleinkriminellen aus seiner Heimatstadt außerhalb jeglicher Rechtsordnung gewähren lassen. Prigoschin war nützlich, weil er nicht zimperlich vorging und dem russischen Regime dort Erfolge einbrachte, wo dieses Regime nach außen eine reine Weste vorzeigen wollte. Nach dem Aufstand ließ Moskau wenig aus, um den meuternden Fremdkörper endgültig aus dem System zu entfernen. Erst seine Firmen und seinen Einfluss, auch in afrikanischen Ländern, nun offenbar auch Prigoschin selbst.
Der „Deal“, den der Obersöldner auf die Vermittlung des belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko hin nach seinem Aufstand eingegangen war, war von Anfang an eine Illusion. Putin macht keine Kompromisse. Er verhandelt zwar, aber nur zu seinen Gunsten. Jeder wusste, Prigoschin selbst wohl auch, dass der Tod von da an noch näher an seine Seite gerückt war. Die Botschaft der Hinrichtung am Himmel offenbart nun noch stärker, dass jeglicher Aufstand gegen das Regime zwecklos ist. Illoyalität hält es für eine Todsünde.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen