Wärmewende in Hamburg: Auf dem Holzweg

Hamburg will bis 2030 den Kohleblock eines Heizkraftwerks auf Holz umrüsten. Umweltschützer befürchten, dass das auch aus Urwäldern kommen könnte.

Projektion an die Wände des Heizkraftwerks Tiefstack: Wälder retten, nicht verbrennen

Verbrannt werden sollte hier allenfalls Restholz: Projektion an die Wände des Kraftwerks Tiefstack Foto: Georg Wendt/dpa

OSNABRÜCK taz | Es ist eines der Zauberworte unserer Tage: Kohleausstieg. Auch die Hamburger Energiewerke (HEnW) nutzen es. Der Kohleblock ihres Heizkraftwerks Tiefstack am Elbe-Nebenfluss Bille soll bis 2030 auf die Verbrennung von Holz-Pellets und Hackschnitzeln umgerüstet werden, als Teil eines neuen „Energieparks“, der auch Flusswasserwärmepumpen und Industrieabwärme nutzt. Hört sich ja erst mal umweltfreundlich an.

Aber ist es das auch? Jana Ballenthien, Waldreferentin bei der Umwelt- und Naturschutzorganisation Robin Wood, hat da ihre Zweifel und befürchtet, dass Holz aus Urwäldern für die Hamburger Wärmeproduktion verfeuert werden könnte. Zwar hatten die HEnW einen „Nachhaltigkeitskodex für den Einsatz von Biomasse in Tiefstack“ erstellt, doch den hält sie für unzureichend.

Der Nachhaltigkeitskodex, den die HEnW Anfang des Jahres erstellt haben, will zwar vieles beim Kauf der Biomasse beachten, etwa dass es eine nachhaltige Walderneuerung auf den Ernteflächen gibt, dass keine Ernte in Schutzgebieten stattfindet und dass die Bodenqualität und die biologische Vielfalt erhalten bleibt.

Doch zusammen mit der Umweltschutzorganisation Biofuelwatch hält Robin Wood den Kodex nach einer gemeinsamen Analyse für „unzureichend“. Er bestätige, so Ballenthien, „unsere schlimmsten Befürchtungen“. Ein umgerüstetes Tiefstack-Kraftwerk dürfe „Holzpellets aus dem Raubbau an besonders artenreichen und gefährdeten Wäldern aus aller Welt verbrennen“.

Minimalanforderungen der EU schwach

Der Kodex erlaube, jegliche Art Holzpellets zu verbrennen, solange sie die gesetzlichen Minimalanforderungen aus der EU-Richtlinie für Erneuerbare Energien erfüllen. Diese jedoch, betont Ballenthien, untersagen den Einsatz von Frischholz aus dem Wald und Holz aus der Rodung von Urwäldern zurzeit nicht.

Hinzu kommt: Aus dem Kodex gehe hervor, dass auch Holzpellets, die Zertifikate wie das des Sustainable Biomass Program (SBP) tragen, in Tiefstack verbrannt werden dürften. Eine Transparenz bei den Holzlieferketten sei demnach nicht vorgesehen: Das SBP-Zertifizierungsprogramm biete wegen lascher Kriterien und Kontrollen keinerlei Gewähr für Umweltverträglichkeit.

„Es wurde von Energie- und Pelletunternehmen ins Leben gerufen und zertifizierte bereits sogar Pellets aus Holz von gerodeten Urwäldern im kanadischen British Columbia“, kritisieren Robin Wood und Biofuelwatch in ihrem Fazit. Ohnehin sei mindestens naiv, wer an die Wirkung von Zertifikaten glaubt: „Auf dem internationalen Pelletmarkt ist Nachhaltigkeit nur ein Greenwashing-Slogan“, sagt Almuth Ernsting von Biofuelwatch.

Auch vom Kodex abgesehen sind die Umweltverbände mit den Umrüstungsplänen für Tiefstack kaum zufrieden: „Holz statt Kohle zu verbrennen, macht die Sache nicht besser“, sagt Ballenthien. „Verbrennung führt immer zu Emissionen.“ Und bei Holz stiegen diese Emissionen im Zweifel noch, denn: „Pro Energieeinheit muss man davon mindestens genauso viel, zum Teil sogar mehr, verbrennen als von Kohle“, so Ballenthien.

Bei der Biomasse soll es sich um „Rest- und Schadholz“ handeln, versichert eine Sprecherin der Hamburger Energiewerke

Und das sei nicht das einzige Problem: „Es geht dabei ja auch um die Biodiversität“, sagt Ballenthien. „Entnimmt man zu viel Holz, womöglich noch aus den letzten Urwäldern unserer Erde, ist das am Ende genauso letal wie die Klimakrise.“

Die HEnW will die harschen Vorwürfe so nicht gelten lassen.„Der Ersatz von Tiefstack, um Hamburger Haushalte mit Fernwärme zu beliefern, erfolgt zu 70 bis 80 Prozent durch klimaneutrale Wärmequellen und nicht durch fossile Brennstoffe oder Holzeinsatz“, sagt eine HEnW-Sprecherin der taz. „Für die verbleibenden 20 bis 30 Prozent werden wir nur bedarfsabhängig und damit vorwiegend im Winter nachwachsende Biomasse oder Erdgas einsetzen.“

Bei der Biomasse soll es sich aber um „Rest- und Schadholz“ handeln, versichert die HEnW-Sprecherin. „Der Einsatz zertifizierter nachhaltiger Biomasse stellt sicher, dass insgesamt weniger Biomasse entnommen wird, als nachwächst.“ Bei gleicher Eignung werde Biomasse mit kurzen Transportwegen der Vorzug gegeben.

Die Lieferanten stehen noch nicht fest. Aber grundsätzlich gelte für die HEnW, „dass wir über eine Zertifizierung und die konkrete Vertragsgestaltung mit den Lieferanten sicherstellen, dass die eingesetzte Biomasse über die gesamte Lieferkette unsere strengen Nachhaltigkeitskriterien erfüllt.“

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