Umweltfreundlicher Verkehr: Binnenschiffe sind nicht die Lösung

Gütertransport auf Flüssen und Kanälen entlastet die Straßen und ist klimafreundlicher als LKW-Verkehr. Die Schiffe stoßen aber viel Schadstoff aus.

Binnenschiff auf der Weser in Bremen

Schöner Job: Binnenschiff auf der Weser in Bremen Foto: Hauke-Christian Dittrich/dpa

BREMEN taz | Vertreter der Häfen Hamburg und Braunschweig fordern, der Bund solle sich stärker für die Binnenschifffahrt einsetzen. Die Schiffe seien ein entscheidender Verkehrsträger für Norddeutschland. Hafen Hamburg Marketing (HHM) bezeichnete das Binnenschiff als „Hoffnungsträger“ nachhaltigen Transports. Doch die These vom umweltfreundlichen Binnenschiff ist zumindest fragwürdig.

HHM reagierte auf eine Prognose des Bundesverkehrsministeriums, die davon ausgeht, dass der Anteil des Binnenschiffs Verkehrsaufkommen stagnieren werde. Damit werde das Potenzial der Binnenschifffahrt unterschätzt und Chancen für die Entlastung der Straßen wie den Klimaschutz vertan, kritisieren die Industrie- und Handelskammer Braunschweig und Hafen Hamburg Marketing.

Betrachtet man nur den Ausstoß klimaschädlicher Treib­hausgase, ist das Binnenschiff tatsächlich klimafreundlicher als der LKW. Laut dem Umweltbundesamt haben Lastwagen im Jahr 2021 ganze 118 Gramm Kohlendioxid pro Tonnenkilometer in die Luft geblasen, während die Binnenschifffahrt gerade einmal 33 Gramm pro Tonne und gefahrenen Kilometer ausstieß.

Doch der Treibhausgasausstoß allein qualifiziert nicht zum umweltfreundlichen Verkehrsmittel. Derselben Quelle zufolge stießen Binnenschiffe 2021 im Vergleich zu LKWs fast doppelt so viele gesundheitsschädliche Stickoxide aus und ähnlich viel Feinstaub. Allerdings ist bei letzterem der Abrieb von Reifen und Bremsen nicht berücksichtigt.

Das Problem alte Diesel

Die schlechten Stickoxid-Werte der Schiffe liegen zum einen daran, dass sie mit Schiffsdiesel betrieben werden und zum anderen am Alter der Schiffe und Motoren. Deshalb gibt es Bestrebungen, Binnenschiffe auf alternative Antriebe umzurüsten. „Aktuelle Forschungen und Projekte attestieren dem Verkehrsmittel ein hohes Innovationspotenzial im Bereich der alternativen Kraftstoffe“, heißt es in der Pressemitteilung von HHM.

Ein Beispiel dafür sind Elek­troantriebe. Benjamin Friedhoff, Wissenschaftler am DST Entwicklungszentrum für Schiffstechnik und Transportsysteme in Duisburg, warnt jedoch, dass ein Elektroantrieb bei schwerer Ladung bislang nicht wirtschaftlich sei.

Zum einen wäre eine Batterie mit der nötigen Kapazität, um ein Gütermotorschiff über größere Distanzen auch gegen den Strom antreiben zu können, extrem teuer, zum anderen wären die Batterien sehr schwer, wodurch die Schiffe Probleme mit dem Tiefgang bekommen können, vor allem bei Niedrigwasser.

Friedhoff zufolge könnten hybride Antriebe eine Zwischenlösung sein, bei denen die Schiffe zwei bis drei Stunden emissionsfrei fahren könnten und zudem im Hafen keinen Landstrom benötigten, um die Systeme an Bord zu versorgen. Langfristig könnten auch Brennstoffzellen und Motoren mit klimaneutralen Kraftstoffen eine Rolle spielen. Jedoch seien diese Technologien noch in einem frühen Entwicklungsstadium, was zu hohen Kosten und Hürden bei der Zulassung führe.

Darüber hinaus besteht LNG zum größten Teil aus Methan, dessen Treibhauswirkung mindestens 25-mal so hoch ist wie die von CO2

Ein existierender alternativer Kraftstoff ist LNG (Liquefied Natural Gas). Seine Verbrennung setzt viel weniger CO2, Feinstaub und Stickoxide frei als Schiffsdiesel. Zudem kann man es zur Stromerzeugung auf dem Schiff nutzen. In den Häfen von Hamburg, Bremerhaven und Brunsbüttel kann bereits heute Flüssigerdgas gebunkert werden.

Doch auch das hat mehrere Haken: In den Förderländern wird es häufig durch umweltbelastendes Fracking gewonnen. Darüber hinaus besteht LNG zum größten Teil aus Methan, dessen Treibhauswirkung mindestens 25-mal so hoch ist wie die von CO2. Beim Schiffstransport nach Deutschland aber auch beim Einsatz als Treibstoff entweicht ein Teil davon.

„Durch diesen sogenannten Methanschlupf gelangt unverbranntes Methan in die Atmosphäre, wodurch der Vorteil von Gas sehr schnell wieder aufgehoben ist“, bestätigt Burkhard Lemper vom Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik (ISL) Bremen. Durch technologischen Fortschritt bei der Motorenentwicklung werde der Methanschlupf aber geringer.

Eine Alternative böte Ammoniak – sei es als Treibstoff, sei es als Träger für den schwer zu transportierenden Wasserstoff. „Es ist jedoch sehr giftig“, kommentiert Lemper.

Die Bahn ist besser

Der Umstieg auf andere Antriebsarten und die Umrüstung der Schiffe ist sehr teuer. Auch wird es sich nie rechnen, die teilweise 70 Jahre alten Schiffe umzurüsten. Flottenerneuerungen sind zwar laut Lemper immer wieder in der Diskussion, doch das scheitere meistens an den hohen Kosten, die von der Binnenschifffahrt allein nicht getragen werden könnten.

Dazu kommt, dass massiv in die Wasserstraßen investiert werden müsste. Schleusen müssten neu gebaut oder vergrößert, Brücken höhergelegt werden. „Momentan fahren die Schiffe auf vielen Flüssen und Kanälen nur mit zwei Lagen Containern übereinander, da sie sonst nicht unter den Brücken durch passen würden“, sagt Lemper.

Nicht einfacher wird die Schifffahrt dadurch, dass die Sommer trockener geworden sind und die Flüsse weniger Wasser führen. Forderungen, im Gegenzug etwa die Elbfahrrinne zu vertiefen, stoßen auf den Widerstand von Umweltschützern, denn der Oberlauf der Elbe ist auf weiten Strecken noch naturnah und im übrigen Teil eines Biosphärenreservats.

Und dabei sind Binnenschiffe nicht einmal so umweltfreundlich wie die Bahn. Im Güterverkehr stieß diese laut Umweltbundesamt 2021 gerade einmal knapp die Hälfte an Treibhausgasen sowie nur einen Bruchteil der Stickoxide und des Feinstaubes im Vergleich zu Binnenschiffen aus.

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