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Inflation und StreiksSind hohe Lohnforderungen richtig?

Ob im Öffentlichen Dienst, auf Flughäfen, bei der Post oder Bahn: Gewerkschaften fordern derzeit stark steigende Löhne. Heizt das die Inflation an?

Bundesweit wird gerade für mehr Geld gestreikt: FlughafenmitarbeiterInnen in Düsseldorf am Montag Foto: Federico Gambarini/dpa

Berlin taz | Derzeit gehen die Gewerkschaften mit ungewöhnlich hohen Lohnforderungen in die Tarifverhandlungen. Für die Beschäftigten der Deutschen Post verlangt Verdi 15 Prozent mehr Geld, für den Öffentlichen Dienst 10,5 Prozent. Die Eisenbahn-Gewerkschaft EVG will 12 Prozent mehr durchsetzen. In einigen Branchen gab es bereits Arbeitsniederlegungen. Am Montag gab es Warnstreiks auf den Flughäfen in Düsseldorf und Köln/Bonn, am Dienstag ließen BusfahrerInnen, ErzieherInnen und MitarbeiterInnen in den Ämtern von NRW die Arbeit ruhen. Sind die hohen Forderungen gefährlich, weil sie die Inflation weiter antreiben – oder gerechtfertigt?

Was ist eine Lohn-Preis-Spirale?

Hinter diesem Begriff verbirgt sich die ökonomische Analyse, dass zu hohe Lohnsteigerung die Inflation anheizen könnten. Zwar reagieren die Organisationen der Beschäftigten damit auf Preiserhöhungen und verlangen einen Ausgleich dafür, dass die Lebenshaltungskosten ihrer Mitglieder steigen. Doch überhöhte Forderungen können bewirken, dass die Preise zusätzlich wachsen. Dadurch wäre nichts gewonnen – außer einer Begründung für noch höhere Lohnforderungen. Denn: Wird die Inflation angeheizt und die Preise und realen Lebenshaltungskosten steigen weiter, wird auch die Frage nach höheren Löhnen wieder laut.

Woher kommt die Inflation momentan?

Wesentliche Ursache für die derzeitige Inflation sind die starken Preissteigerungen für Energie nach dem Angriffskrieg von Russland auf die Ukraine. Viele Unternehmen und Privathaushalte bezahlen jetzt doppelt so viel für Erdgas wie zuvor. Hinzu kamen in manchen Branchen eine hohe Nachfrage und Lieferkettenprobleme, die Unternehmen nicht schnell genug befriedigen konnten. Aber: Die Preissteigerungen hatten bislang nichts mit den Löhnen der Beschäftigten zu tun.

Wann sind Lohnforderung zu hoch?

Eine einfache Antwort auf die Frage, welche Lohnforderungen von Gewerkschaften nun angemessen sind oder nicht, gibt es wohl nicht. Alexander Kriwoluzky vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin sagte dazu: „Die Gefahr einer Lohn-Preis-Spirale besteht beispielsweise dann, wenn die Lohnabschlüsse wesentlich über der Inflationsrate liegen, weil Arbeitgeber und Gewerkschaften eine weiter steigende Inflation annehmen.“ Demnach könnten sich die Forderungen von Verdi oder der Eisenbahn-Gewerkschaft EVG also an der derzeitigen Inflationsrate orientieren, damit diese nicht überborden.

Sind die Löhne derzeit denn viel zu niedrig?

Um beurteilen zu können, wie sehr die Höhe der Löhne und die Höhe der derzeitigen realen Lebensunterhaltungskosten auseinander gehen, muss man die Gehaltssteigerungen der Beschäftigten 2022 und die aktuellen Lohnforderungen mit der Inflationsrate vergleichen. Während die Bruttomonatsverdienste von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern im vergangenen Jahr um 3,4 Prozent wuchsen, erhöhten sich die Verbraucherpreise um 7,9 Prozent, teilte das Statistische Bundesamt mit. Unter dem Strich sanken die Reallöhne um durchschnittlich 4,1 Prozent. Aus Sicht der Gewerkschaften erscheint es deshalb gerechtfertigt, diesen Verlust ebenso auszugleichen wie die Inflation im laufenden Jahr, die laut ExpertInnen bei sechs bis acht Prozent liegen könnte.

Was spielt sonst eigentlich eine ausschlaggebende Rolle bei Lohnverhandlungen?

„Nachvollziehbare Lohnforderungen basieren oft auf drei Größen: der Inflationsrate, dem Zuwachs der Produktivität und einer Umverteilungskomponente“, erklärte DIW-Ökonom Kriwoluzky. Dabei beschreibt die Steigerung der Produktivität den technischen Fortschritt in einem Unternehmen, wodurch sich deren Einnahmen erhöhen. Und die Umverteilungskomponente betrifft einen vertretbaren Anteil am Gewinn. „Vor diesem Hintergrund erscheinen Forderungen von zehn Prozent oder mehr derzeit durchaus plausibel.“ Dadurch würde der Faktor Arbeit für die Firmen auch nicht über Gebühr teurer, sodass diese deshalb nicht gezwungen wären, ihre Preise weiter hochzuschrauben.

Und was spricht für eine Lohn-Preis-Spirale?

EZB-Chefvolkswirt Philip Lane erklärt das Phänomen so: „Die Lohninflation wird in den nächsten Jahren ein Haupttreiber der Preisinflation sein, selbst wenn Energie- und Pandemiefaktoren aus der Inflationsmessung verschwinden.“ Hintergrund der Sorge ist, dass die Lohnsteigerungen länger anhalten könnten als die Inflation. Während ausgehandelte höhere Löhne dann über Jahre hinweg gelten, könnte die Inflation in der Zwischenzeit längst zurückgegangen sein. Die Löhne würden sich im Vergleich also zu stark erhöhen – und in der Folge auch die Preise.

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9 Kommentare

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  • 10% Inflation werden eben auch nicht durch 10% Lohnerhöhung ausgeglichen, das ist ja nur Brutto.

  • EZB-Chefvolkswirt Philip Lane hat doch etwas Probleme mit der Logik, oder?



    Die Preise bleiben doch nach einem Jahr Inflation genau so oben die die Löhne nach einer jährlichen Tarifverhandlung.



    Die Begründung für Lohnerhöhungen ist doch nicht die Inflationsrate, sondern die höheren Preise.

  • Warum benennt man das eigentlich nicht endlich korrekt? Es muss heißen "Preis-Lohn-Spirale" und nicht umgekehrt, denn die Preise (sprich: Unternehmen) fangen mit der Spirale an und nicht die ArbeitnehmerInnen mit den Löhnen. Die sind nur die Reaktion darauf.

    Antwort: weil man auf die Art schon sprachlich die Schuld den ArbeitnehmerInnen zuschieben will.

  • www.zeit.de/arbeit...b-2500-euro-loehne



    Ja, es ist mehr als angesagt, endlich wirklich wirksame Lohnerhöhungen zu fordern.



    Macht weiter.

  • 10% sind wohl im Moment höher als die Inflation. Was ist mit der Inflation des letzten Jahres?



    Daher ist die Forderung nach 500 Euro erst recht richtig da das den kleineren Arbeitern zu Gute kommt.



    Die gesunkene Kaufkraft der letzten Jahre der arbeitenden Bevölkerung muss etwas angehoben werden.

  • Licht und Schatten



    Ich verstehe die Forderungen der Arbeitnehmer, denn die Inflation hat stark an ihrer realen Kaufkraft gezehrt.



    Doch warum müssen immer die Arbeitgeber richten, was die Politik den Bürgern durch Niedrigzins und hohe Inflation eingebrockt haben.



    Für kleine Familienbetriebe wie Bäckereien, Handwerksbetriebe, kleine Läden, etc. geht es mit den steigenden Kosten auch an die Substanz.



    Was sollen die machen, Preise erhöhen?

  • Es geht hier nicht um ubverschömte Forderungen oder Klassenkampf, sondern einzig und allein im Reallohnerhalt. Sinkende Energiepreise haben dämpfende Wirkung auf die Preisentwicklung diese bleibt aber auch 2023 weiter noch hoch

  • Das ist keine Raketenwissenschaft, früher nannte man es Klassenkampf.

    Es geht dabei nicht um das Wohlergehen der deutschen Wirtschaft oder gar des ganzen Landes.

    Kann man hohe Forderungen durchsetzen, dann waren sie richtig und man hat einen Erfolg erzielt.

    Der Rest ist Voodoo und Ideologie.

    • @Jim Hawkins:

      Ganz deiner Meinung. 10% ist noch gnädig.