Dreierlei Schieflage

Am Tagebau Garzweiler droht ein Strommast des Energiekonzerns RWE umzukippen. War es Sabotage? Nicht nur diese Frage ist derzeit ungeklärt

Von Bernd Müllender

Noch ist unklar, ob es Sabotage von außen war oder ob RWE-Werktätige Mist gebaut haben. Jedenfalls steht seit Freitag ein rund 80 Meter hoher Strommast nahe dem Braunkohletagebau Garzweiler bei Grevenbroich auffallend schief.

Ein RWE-Sprecher erklärte, der Mast sei „bewusst beschädigt“ worden. „Sollte es Sabotage auf die kritische Infrastruktur gewesen sein, verurteilen wir das aufs Schärfste.“ Die Polizei nennt „die Einwirkung Dritter wahrscheinlich“. Ein Foto zeigt lose Schrauben und abgeflexte Metallstreben. Möglich, dass das vor langer Zeit passierte und erst Windböen am Freitag den Mast geneigt haben. Zwei der vier über die Masttrasse laufenden Stromkreise seien abgeschaltet, so RWE. Der Tagebau werde aber weiter bestromt, „auch die Kraftwerke können weiterarbeiten“.

Ebenfalls in Schieflage gerät die Diskussion, was aus den fünf wahrscheinlich geretteten Dörfern, etwa Keyenberg oder Kuckum, werden soll. Am Samstag besuchte Landeswirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne) erstmals seit der Räumung von Lützerath im Januar das Krisengebiet. In Erkelenz erklärte sie, die Leitentscheidung, die zwischen Regierung und RWE auszuhandeln sei, werde länger dauern, es werde aber Mitsprachemöglichkeiten geben. RWE will das Gelände auch nach der Kohlegewinnung weiter nutzen. Das kritisieren lokale Initiativen, Umwelt- und Kirchengruppen: Man erlebe ein intransparentes Hinterzimmerverfahren zwischen Land und Kohlekonzern, ohne öffentliche Protokolle und ohne direkte Beteiligung der Zivilgesellschaft. Das Bündnis fordert „eine Modellregion“ für die sozial-ökologische Transformation mit „Biotopverbundsystem und Enteignungsstopp“.

Die dritte Schieflage betrifft die Justiz: Eigentlich sollte an diesem Montag vor dem Amtsgericht Erkelenz ein Prozess wegen Landfriedensbruch stattfinden. Ein Mann hatte im Herbst 2022 direkt bei Lützerath mit ausgebreiteten Armen kniend vor einem der Bagger posiert. Das Bild wurde zum NRW-Pressefoto des Jahres. RWE behauptet, der Widerstandsdarsteller müsse dazu Betriebsgelände betreten haben. Weil der Beschuldigte kurzfristig ZeugInnen benannt hat, wurde die Verhandlung verschoben