Özdemir, Scholz und Verbrennungsmotoren: Gummibärchen: Nö!

Cem Özdemir will Süßigkeiten-Werbung abschaffen, zeigt sich aber gerne mit Hanfpflanzen. Und die Ampel schneidet in Umfragen schlecht ab.

Bundesagrarminister Cem Özdemir (M, Bündnis 90/Die Grünen) probiert während eines Messerundgangs auf der Messe Biofach veganes Gyros.

Gyros geht klar, solange er (wie hier) vegan ist: Cem Özdemir will Werbung für Süßigkeiten verbieten Foto: Daniel Karmann/dpa

taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?

Friedrich Küppersbusch: Britische MinisterInnen wollen ChatGPT bei der Regierungsarbeit einsetzen.

Und was wird besser in dieser?

Endlich mal jemand, der noch gefühlskälter ist als die Tories.

Ein Jahr nach der „Zeitenwende“-Rede bilanziert Bundeskanzler Olaf Scholz im Bundestag in der Regierungserklärung die bisherige Krisenbewältigung als positiv. Stimmen Sie zu?

Sozenschicksal: Durch’s Hohe Haus dröhnte die Abwesenheit des SPD-Kernthemas „Gerechtigkeit“. Den befürchteten „heißen Herbst“ und „grimmigen Winter“ bekämpfte die Ampel mit fiktivem Geld aus der immerhin schon mal beschafften Konfettikanone. Ob dabei Gerechtigkeit obwaltet und wem das wann auf die Füße fällt – kaum Thema. Die Ampel hat vorerst mit Trost gepflastert, und ausgebliebene Krisen werden in Umfragen nicht belohnt. Stattdessen zeigt Scholz Verständnis für die, die über die Zeitenwende „nicht Hurra schreien“ – und mahnt, die Ukraine könne nicht „mit der Waffe an der Schläfe verhandeln“. Sprich: Er deckt ungefähr das bürgerliche Meinungsspektrum ab und lässt Merz ein bisschen kleinkariert drumherum kritteln. Der Rest war mehr oder minder einhelliges Pazifistenverdreschen aus allen Fraktionen. Scholz’ Besonnenheit könnte halten, bis Besonnenheit wieder ein positiver Wert ist.

Eigentlich wollten die EU-Staaten am Freitag über ein Verbot von Verbrennungsmotoren in Neuwagen ab dem Jahr 2035 abstimmen. Aber die FDP hatte dann doch was dagegen. Deutschland und die Autos – versteht die Welt uns noch?

Immerhin traktiert die FDP uns nicht mit der Vision, irgendwann kämen die Dampflokomotiven zurück. Sie könnte auch bessere Faxgeräte verheißen, für den Tag, an dem dieses Internet gescheitert sein wird. Klar, die deutsche Autoindustrie brilliert bei Verbrennungstechnik, was eher bei grünem Wasserstoff noch mal zum Tragen kommen könnte als bei den epochal unwirtschaftlichen ­„E-Fuels“. Derzeit sind Verbrenner eine technologische Sackgasse, dank FDP ohne Tempolimit. Grüß die Wand.

Bundesernährungsminister Cem Özdemir wünscht sich ein Werbeverbot für Süßigkeiten und andere ungesunde Lebensmittel im Umkreis von Kindergärten und Schulen. Wird der Kampf gegen Haribo, Milka und Ferrero den Kampf gegen die Atomkraft ablösen?

Glücksspiel, Alkohol, Zigaretten – bei jeder Werbeverbotsdiskussion bisher wurde der Weltuntergang menetekelt, und anschließend war’s dann ganz okay. Özdemir müsste sich vorbeugend das Posen mit Hanfpflanzen abgewöhnen, dagegen gibt es auch gute Gründe. In einer besseren Welt wäre der Schnuckerkram gesund oder hieße ab Werk „Dick und Doof“, damit man wüsste, woran man isst und ist. Auf kurze Sicht sind das alle böse Bevormundungen. Ganz fern am Horizont jedoch leuchtet der Produktaufkleber „Kapitalismus – gar nicht mal immer nur gut“, und dagegen sind Özdemirs Vorschläge doch harmlos. Nimm zwei.

67 Menschen starben vor der Küste Italiens auf der Flucht nach Europa, darunter auch etliche Kinder. Wo bleibt eigentlich der große Aufschrei? Haben wir uns an solche Tragödien gewöhnt?

Schlimmer – wir überlesen den zugegeben reißerischen „Entwurf eines zweiten Gesetzes zur Änderung schifffahrtsrechtlicher Vorschriften“, der bei Wissings gerade im Yachthafen dümpelt. Danach sollen Schiffe mit „politischen … und humanitären Aktivitäten oder vergleichbaren humanitären Zwecken“ künftig nicht mehr wie irgendeine liberale Jolle vor Sylt als Freizeitvehikel behandelt werden. Sondern mit teureren Sicherheitsvorkehrungen, höheren Versicherungsprämien und allerhand schicken Ideen vom Klabautermann behindert werden. Die Hilfsorganisationen röcheln im Mastkorb, doch der Verkehrsminister, gar nicht faul, spielt: Schiffe versenken.

Die Tafeln schlagen Alarm: Immer mehr Bedürftige, aber es fehlt an Lebensmitteln und Helfer*innen. Unternimmt die Regierung zu wenig, um Armut wirkungsvoll zu bekämpfen?

Für das „Ja“ auf diese Frage braucht es nur den schlichten Nachweis der Existenz der Tafeln. Dass Supermärkte Waren verschenken können, deutet auf pornografische Abirrungen in ihrer Profitkalkulation; damit das kalkulatorisch aufgeht, müssen andere ja zu viel bezahlen. Damit Menschen auf Tafeln angewiesen sind, wiederum, muss eines der wohlhabendsten Länder der Welt unfähig sein, die Kohle einigermaßen zu verteilen. Kurz: Tafeln sind – sehr ehrenvolle – Reparaturen; Probleme bei den Tafeln fordern Reparaturen der Reparaturen.

Und was machen die Borussen?

Samstag Schalke schlagen und dann ist die Saison im Grund durch.

Fragen: Anton Kämpf

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Jahrgang: gut. Deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent. Seit 2003 schreibt Friedrich Küppersbusch die wöchentliche Interview-Kolumne der taz „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.