ChatGPT als Sci-Fi-Autor: Wer die Zukunft schreibt
Unsere Autorin schreibt Science-Fiction, Text-KIs können das mittlerweile auch. Davor, bald überflüssig zu sein, hat sie aber keine Angst.
O b ich Angst habe, durch ChatGPT meinen Job zu verlieren? Davor, dass ich als Autorin nicht mehr gebraucht werde, weil ein Chatbot mit künstlicher Intelligenz besser, schneller und billiger Texte schreibt? Das werde ich zurzeit immer wieder gefragt.
Manchmal bin ich geneigt, diese Frage mit „Ja“ zu beantworten. Ja, es ist vorstellbar, dass das existierende Repertoire menschengemachter Erzählungen bereits so groß ist, dass eine gut angeleitete Text-KI durch Neukombinationen daraus Geschichten generiert, die besser sind als solche, die Menschen neu erfinden. Dann hätte ein Verlag nicht mehr zehn Autor*innen unter Vertrag, sondern nur noch einen virtuosen Story-Jockey, der mithilfe einer KI einen unendlichen Strom interessanter Geschichten erstellt.
Und ja, vielleicht sind wir Menschen auch anspruchsloser, als wir glauben. Immerhin erzählen wir uns seit Jahrtausenden Geschichten, und wirklich Neues ist seit „Boy meets Girl“ nicht dazugekommen. Wir Autor*innen sind zwar überzeugt, dass es eine künstlerische Schöpfungshöhe braucht und das Publikum menschengemachte Geschichten will, aber vielleicht stimmt das nicht. Vielleicht sind die Leute mit personalisierten KI-Geschichten sogar noch glücklicher. Anstatt das Buch einer Autorin zu kaufen, würden sie in Zukunft ChatGPT selbst anweisen: „Schreibe mir eine Liebesgeschichte, so tragisch wie Romeo und Julia, so spannend wie ein Film von Quentin Tarantino, aber im Stil von Terry Pratchett.“ Vielleicht wollen Menschen genau das.
Aber das glaube ich nicht! Und deshalb fürchte ich mich nicht vor der Konkurrenz von ChatGPT. Ich glaube, dass Menschen nicht nur das vorgesetzt bekommen wollen, was sie schon kennen. Sie wollen zwar Vertrautes – aber doch auch immer Neues in Geschichten entdecken. Denn Geschichten sind seit Anbeginn der Zivilisation nicht nur Unterhaltung, sondern eine Form der Kommunikation zwischen Menschen.
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
Es fehlt der tiefere Sinn
Das liegt daran, dass der Kern jeder Geschichte der Mensch selbst ist. Und Menschen interessieren sich am meisten für … Menschen. Geschichten sind deshalb so faszinierend, weil sie das Bedürfnis befriedigen, an den innersten Gedanken eines anderen Menschen teilhaben zu können. Unsere Sprache ist das Kommunikationswerkzeug dazu. Eine KI hingegen benutzt vorhandene Textbausteine, um Informationen bereitzustellen. Ein tieferer Sinn oder ein Wille zum Austausch fehlen.
Als Künstlerin könnte ich ChatGPT benutzen, um meine Arbeit zu erleichtern. Für Recherchen, schnelle Entwürfe oder technische Details eignet es sich womöglich gut – für die Ausformulierung der Geschichte und die Ausarbeitung meiner Figuren nicht. Gerade die Zeit, die ich mit meinen Figuren verbringe, schafft die emotionale Tiefe, die den Leser*innen ermöglicht, sich mit ihnen zu identifizieren. Diesen Kern meiner Arbeit kann und will ich nicht an eine KI auslagern. Immerhin bin ich Autorin geworden, weil ich das Schreiben liebe.
Am Ende ist es egal, welches Werkzeug ich als Autorin verwende. Geschichten sind dann gut, wenn sie wahrhaftig sind: wenn die Leser*innen am Schicksal der Figuren Anteil nehmen und durch sie etwas über sich und das Leben lernen. Dann haben Geschichten Relevanz, dann interessieren wir uns für sie. Und ich bin der festen Überzeugung, dass es jeden Tag neue Geschichten gibt, die es wert sind, erzählt zu werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!