AfD-Politiker zitierte SA-Losung: Zähe Ermittlungen gegen Höcke

Der AfD-Politiker verwendete bei einer Rede 2021 die SA-Losung „Alles für Deutschland“. Strafrechtler kritisieren, dass es noch keine Anklage gibt.

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Kokettiert nicht selten mit NS-Rhetorik: Rechtsextremist Björn Höcke (AfD) Foto: Christian Thiel/imago

BERLIN taz | Zwei Strafrechtsexperten üben Kritik an den zähen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Halle gegen Björn Höcke, den Chef der AfD Thüringen. Seit rund 19 Monaten ermittelt die Staatsanwaltschaft bereits gegen den Rechtsextremisten, weil dieser bei einer Wahlkampfrede im Mai 2021 im sachsen-anhaltischen Merseburg die verbotene SA-Losung „Alles für Deutschland“ verwendet hat. Anklage wurde noch immer nicht erhoben. Höckes Immunität wurde im November 2021 aufgehoben, seither hat sich im Verfahren nichts getan.

Der ehemalige BGH-Richter Thomas Fischer bezeichnet die Verfahrensdauer auf taz-Anfrage als „ungewöhnlich“ und „besorgniserregend“. Auch der Strafrechtsprofessor Mohamad El-Ghazi von der Uni Trier ist auf taz-Anfrage „verwundert“, dass die Staatsanwaltschaft nach über anderthalb Jahren noch zu keiner abschließenden Entscheidung im Verfahren gekommen ist.

Die Staatsanwaltschaft Halle wiegelt auf mehrfache Rückfrage hingegen ab. Staatsanwalt Dennis Cernota sagte der taz: „Ich kann Ihnen versichern, dass die Ermittlungen in der gebotenen Sorgfalt so zügig wie möglich geführt werden.“ Auskünfte könnten erst erteilt werden, sobald das Ermittlungsverfahren abgeschlossen sei. Auch eine „seriöse Prognose über die weitere Verfahrensdauer ist derzeit nicht möglich“.

Dabei scheint der Fall nicht allzu kompliziert: Höcke gilt nicht nur dem Verfassungsschutz als „rechtsextrem“ und hat als ehemaliger Geschichtslehrer immer wieder mit NS-Rhetorik kokettiert, bewusst Grenzen ausgetestet und sich in revisionistischen Diskursverschiebungen versucht. In Reden postulierte er, dass parteiinterne Gegner „ausgeschwitzt“ werden müssten, bezeichnete das Berliner Holocaust-Mahnmal als „Denkmal der Schande“, forderte eine „erinnerungspolitische Wende um 180 Grad“ oder sprach in Reden von „Tat-Elite“, wie die SS sich selbst bezeichnete. Die Liste ließe sich nahezu beliebig verlängern.

OLG Hamm urteilte bereits zur SA-Losung

Darüber hinaus gibt es bereits ein Urteil des Oberlandesgerichts Hamm von 2006 zum gleichen Sachverhalt. Das Gericht verurteilte eine Person, weil diese exakt die Losung „Alles für Deutschland“ verwendet hatte. Und auch der wissenschaftliche Dienst des Bundestags sieht „das Verwenden der Sentenz ‚Alles für Deutschland‘ im Rahmen einer Rede auf einer Versammlung“ als einen „strafbaren Ausspruch“ an – „da es sich hierbei um die Losung der SA handelte“.

Ex-BGH-Richter Fischer sagt, Höcke halte sich selbst für eine historisch gebildete Person, entsprechend liege es nahe, dass er die Kennzeichen bewusst verwendet habe, was den Vorgang strafbar mache. „Aus Plausibilitätsgründen liegt es nahe, dass er die Losung vorsätzlich benutzt hat.“ Dennoch müsse man ihm dies nachweisen, wobei Höcke sich nicht einfach rausreden könne, indem er sage, die Parole nicht zu kennen.

Aber es spricht noch mehr dafür, dass Höcke die SA-Losung kennen müsste: Bereits 2017 druckte der sächsische AfD-Politiker Ulrich Oehme im Bundeswahlkampf die SA-Losung „Alles für Deutschland“ auf Plakate. Nach einer Strafanzeige und medialer Berichterstattung überklebte er die Plakate.

Das Strafverfahren gegen Oehme bei der Staatsanwaltschaft Chemnitz wurde dennoch im April 2018 eingestellt, nachdem dieser abstritt, gewusst zu haben, dass der Spruch eine SA-Losung sei, wie es nun auf Nachfrage der taz heißt. Dem Beschuldigten ist laut Staatsanwaltschaft nicht nachzuweisen gewesen, „dass er gewusst hatte, dass es sich bei der Losung ‚Alles für Deutschland‘ um die einer verbotenen NS-Organisation handelt, zumal es sich um keine allgemein bekannte Parole nationalsozialistischer Organisationen handelt und sich auch aus dem Wortlaut kein Bezug zum NS-Regime ergibt“, wie Oberstaatsanwältin Ingrid Burkhard der taz mitteilte.

„Weder komplex noch schwierig“

Mohamad El-Ghazi verweist mit Blick auf Höcke auch auf diesen Fall: „Ich halte es für sehr unwahrscheinlich, dass Herrn Höcke entgangen sein könnte, dass der AfD-Kandidat Ulrich Oehme 2017 mit derselben Losung der SA Wahlkampf in Sachsen gemacht hat. Hierüber gab es eine breite Medienberichterstattung.“ Mit Blick auf diesen „Präzedenzfall“ erwarte El-Ghazi, dass die Justiz eine mögliche Einlassung Höckes, die historische Dimension der von ihm verwendeten Losung nicht gekannt zu haben, als Schutzbehauptung zurückweisen werde. Hinzu komme, dass Höcke Geschichtslehrer sei.

Zwar könnten sich strafrechtliche Ermittlungsverfahren manchmal über Jahre hinziehen, so El-Ghazi, das vorliegende Verfahren biete von außen betrachtet hierfür aber wenig Anlass. „Der strafrechtlich relevante Sachverhalt ist weder komplex noch ist die Rechtslage schwierig“, sagt El-Ghazi. Ebenso verwies er auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm, dass es sich bei der Losung „Alles für Deutschland“ um eine Parole der SA handele – „dieser Einordnung wird in der strafrechtlichen Literatur einhellig zugestimmt“.

Die Verbreitung und öffentliche Verwendung dieser Losung sei genauso strafbewehrt wie die Verwendung des Hitlergrußes oder anderer bekannter Naziparolen, so El-Ghazi. Er hält es für möglich, dass die Staatsanwaltschaft „zu übervorsichtig“ ermittle.

Strafbar ist das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen nach Paragraf 86a mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder mit einer Geldstrafe. Auch Parolen können als Kennzeichen gelten. Höcke und die AfD Thüringen äußerten sich auf taz-Anfrage nicht.

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