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Verfassungsgericht zu Po­li­zis­t:in­nenKeine vermummten Robocops

Christian Rath
Kommentar von Christian Rath

Po­li­zis­t:in­nen müssen im Dienst ein Namensschild tragen. Der Entscheid des Bundesverfassungsgerichts stärkt die Entwicklung hin zu einer bürgerfreundlichen Polizei.

Nur mit Namen auf Streife: Po­li­zis­t:in­nen mit Brandenburgs Inneminister Stübgen Foto: Paul Zinken/dpa/picture alliance

D as Bundesververfassungsgericht hat die Klage einer Hauptkommissarin abgelehnt, die im Dienst nicht das Namenschild tragen wollte, das in Brandenburg gesetzlich vorgeschrieben ist. Ihr Argument, das sei ein unverhältnismäßiger Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung, konnte Karlsruhe nicht überzeugen.

Die Entscheidung ist erfreulich und stärkt die Entwicklung hin zu einer bürgerfreundlichen Polizei. Auf Streife, auf der Wache und bei Ermittlungen sind Po­li­zis­t:in­nen mit Namensschild ansprechbar und wirken wie Bür­ge­r:in­nen in Uniform.

Natürlich geben Po­li­zis­t:in­nen mit dem Namen etwas von sich preis. Doch das gilt auch für das Gesicht oder die Stimme. Es wäre absurd, wenn Po­li­zis­t:in­nen nur noch als vermummte Robocops durch die Straßen streiften – aus Angst, jemand könnte ihr charakteristisches Lächeln auf Instagram posten.

Nahbar und menschlich

Es will auch niemand, dass Po­li­zis­t:in­nen nur noch mit Sprachnachrichten über das Display ihrer Uniform mit Bür­ge­r:in­nen kommunizieren, damit niemand ihre freundliche Dialektfärbung oder das sympathische Lispeln hören kann.

Nein, Polizei muss nahbar und menschlich sein. Zwar sorgt Nähe immer auch für Risiken, doch noch mehr schafft sie Vertrauen. Und Vertrauen in die Polizei senkt gleichzeitig auch das Risiko. Wer Po­li­zis­t:in­nen als Menschen erlebt, hat mehr Hemmungen, ihnen böse Worte zu sagen.

In aufgeheizten Konfliktsituationen, bei Hooligan-Aufmärschen und gewaltvollen Demonstrationen, darf die Polizei durchaus auch etwas abschreckend wirken. Solange sie dabei defensiv bleibt, verhindert das Gewalt. Natürlich ist dann auch ein Namensschild fehl am Platz.

(Fehl-)Verhalten prüfen können

Deshalb sehen wohl alle Bundesländer, die sich für Polizeikennzeichnung entschieden haben, bei geschlossenen Einheiten individuelle Nummern vor. Hier geht es weniger um Bürgernähe, sondern vor allem um die Möglichkeit, polizeiliches (Fehl-)Verhalten prüfen zu können.

Wenn alle Po­li­zis­t:in­nen in ihrer Kampfmontur gleich aussehen, muss man sie ja irgendwie identifizieren. Eine Nummer ist dann besser als nichts.

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Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).
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7 Kommentare

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  • Bei dem Klientel mit dem es Polizisten naturgemäß laufend zu tun haben ist es gut nachvollziehbar dass sie ihren Namen nicht öffentlich machen wollen.

    Ein Beispiel anhand dessen vielleicht sogar Leser aus dem linken Spektrum das verstehen können:

    Welcher Antifa-Aktivist möchte schon mit Namensschild auf der Kleidung Rechtsextremisten gegenübertreten?

  • Die Nummern sind auch so eine Sache. Bei mehreren Demos habe ich es schon erlebt, dass ich Polizisten ohne Nummer sah. Ich sprach diese oder deren Kollegen darauf an. Normalerweise haben die dann nach einingen Minuten eine Nummer, die sie sich anheften. In den meisten Fällen konnte ich sehen, dass sie sich den Nummern-Krepp-Aufbapper von einem Kollegen holten, der weiter entfernt war, vermutlich denkend, dass ich das nicht sehen würde. Denn: Ab dann hat der andere Kollege ja keine Nummer mehr auf der Jacke...

  • Wechseln wir jetzt einfach mal die Position, kommt vielleicht ein wenig Mitgefühl auf.

    Oder ist das "Bäähh"?

    Ein paar Zahlen aus 2020. Mit steigender Tendenz.

    Das Bundeskriminalamt (BKA) hat über einen neuen Anstieg bei der Gewalt gegen Polizisten in Deutschland berichtet. So wurden dem Bundeslagebild zur Gewalt gegen Polizisten zufolge im vergangenen Jahr 36.126 Fälle registriert. Das waren rund 3000 Fälle – oder auch 8,6 Prozent – mehr als im Jahr 2018. Auch die Zahl der Polizisten, die Opfer von Attacken wurden, stieg. Im Jahr 2019 waren es 69.466 Beamte. Im Vergleich zum Jahr 2018 (65.896 Opfer) wurde eine Zunahme von 5,4 Prozent registriert.

    70.000 Attacken gegen Polizisten. Robocop-Outfit dürfte daher ganz praktisch sein.

    Namensschilder? Damit ab dem Zeitpunkt für das Internet gefilmt wird, an dem Polizist*innen anfangen sich zu wehren?

    Sorry, zudem zahle ich Steuern für eine gut funktionierende Polizei, die immer mehr gebraucht wird.

    Man bedenke, allein über 20.000 Messerattacken allein im letzten Jahr.

    • @shantivanille:

      Der Diskurs im linken Milieu weist aber in die andere Richtung - zu weniger Mitgefühl und Verständnis ggü. der Polzei. Ich kenne genug Leute, die tatsächlich glauben, dass alle "Bullen Schweine und Rassist*innen" seien, für die Polizist*innen keine Menschen sondern zuvorderst der Feind/die Staatsmacht sind. Auf einer Antifa-Demo erzählte ein Teilnehmer, dass die Nazis zwar scheiße seien, aber die eigentlich viel schlimmeren seien die Polizist*innen, weil sie die Nazis schützen... Die Unschuldsvermutung gilt in diversen Debatten auch nicht, da ja 'klar' ist, dass alle rassistisch seien.



      Auch die taz und ihre Leser*innenschaft teilten ja weitläufig die Postion von "All cops are berufsunfähig" (2020) und einigten sich nach ein paar kritischen Artikeln und Wochen dann doch darauf, dass das alles nur Satire sei, falsch verstanden wurde und blablabla. Ich glaube, man hat selten so gut wie dort sehen können, wie sich der innerlinke Diskurs selbst bereinigt, nach der Kritik dann doch wieder voll auf Kurs gewesen. Hauptsache keine Selbstkritik und Veränderung, sondern lieber die Widersprüche und Risse kitten.

      Ich bin beileibe kein Fan der Polzei oder solcher institutioneller Herrschaftsstrukturen, aber für meinen Geschmack machen es sich viele Leute mit ihrem Verhältnis echt zu leicht. Wobei natürlich auch zu sagen ist, dass die Polizei und diverse Polizist*innen hier auch selbst immer wieder gute Kritikpunkte liefern, keine Frage.

  • [Die Entscheidung] stärkt die Entwicklung hin zu einer bürgerfreundlichen Polizei". Haha, genau. Man darf ja noch träumen.

  • Ich hätte auch nichts dagegen, wenn Polizist*innen ein Schild mit einem (eindeutigen) "Künstlernamen" tragen würden.

    Da bleibt die Person -bzw deren Familie- geschützt und der bzw. die Politist*in ist trotzdem identifizierbar und keine "Nummer" (was ich als diskriminierend empfinde)

    Künstlernamen sind ja im Grunde Gang und Gäbe.

  • Goldbach, von den Grünen in Hessen, wollte nach der Räumung der A49 mit vielen verletzten Demonstrant*innen eine Diskussion "Die Polizei, dein Freund und Helfer". ich hoffe sie freut sich jetzt, dass das Verhältnis Demonstrant:in und Polizist:in endlich persönlicher wird.