Ankommen in Apulien: Wo es blass ist, lass dich nieder

Zweieinhalb Jahre lang hat unsere Autorin in einem ausgebauten Lkw gelebt. Jetzt fragt sie sich: Wie finde ich heraus, wo ich bleiben will?

Esel auf einer vertrockneten Weide.

Apulien im Sommer: Gräser und Sträucher, die fast alle Farbe verloren haben Foto: Panther Media/imago

Die Farben in Apulien sind sehr eigen. Wenn ich ein Adjektiv finden müsste, würde ich sagen: blass. Oder mild. Jedenfalls das Gegenteil von aufdringlich. In der Hacke des italienischen Stiefels gibt es Gräser und Sträucher, die im Sommer fast alle Farbe verloren haben, einen Himmel, der oft zartblau statt aufdonnernd daherkommt, endlose Plantagen von Olivenbäumen in sanftem Lindgrün auf staubigem Boden.

So wie die Farben ist auch Apulien selbst: angenehm zurückgenommen. Keine Bettenburgen, Tou­ris­t:in­nen fast nur an der Küste. Im Landesinneren weißgetünchte Dörfer, wo man Lebensmittel noch einzeln kauft, in der Käserei, in der Metzgerei, beim Gemüsemann; diese Dörfer, auf die Konservative und Linke sich einigen können in ihrer Idealisierung. Keineswegs tot, sondern abends voller Leben.

Aber wie weiß man eigentlich, ob das jetzt ein Ort zum Bleiben ist? Weil die Farben mild sind, der Mozzarella der beste, das Meer so klar? Sind das Argumente?

Ich war nie sonderlich gut darin, an einem Ort zu bleiben. Zweieinhalb Jahre lang habe ich größtenteils in einem ausgebauten Lkw gelebt. Ein Wagen verschafft wie kaum etwas die Möglichkeit, andere Welten und Milieus zu entdecken, an allen Rändern der Gesellschaft zu sein, mit viel Zeit die eigene Sicht herauszufordern. Es war eine der besten Entscheidungen, die ich je getroffen habe. Und alle in Deutschland schienen das gut zu finden. Team A: Wow, das wäre mein Traum, was für ein Leben. Oder Team B: Wow, wäre nicht mein Ding, aber was für ein Leben. Reisen und arbeiten.

Wie aber erklärt man denselben Leuten, dass das Modell doch nichts war? Es fühlt sich wie Scheitern an. Dabei hätte ich es wissen müssen. Früher, zu Backpackerzeiten, waren da diese naiven rich kids, die davon schwärmten, ein ganzes Jahr reisen zu können. Solche Leute wirkten nach spätestens sechs Monaten abgestumpft, gleichgültig, müde. Zu viele Reize. Reisen verlor die Besonderheit. Glückwunsch, ich bin in die älteste Backpackerfalle getappt.

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

Aber natürlich gibt es kein Zurück. Wieder fest in Deutschland leben, könnte ich niemals. Also eine Mischform, erwachsen vielleicht, blass, zurückgenommen. Mal fest und mal frei. Und vielleicht mit Basis in Apulien. Weil Wohnraum da bezahlbar ist. Weil es in unmittelbarer Nähe liegt zum afrikanischen Kontinent, zum Balkan und nicht furchtbar weit vom Nahen Osten: ein guter Schnittpunkt zwischen Reisen.

Und auch wenn das irrational sein mag, gefallen mir die Farben. Sieht so Heimat aus? Ich werde das vielleicht herausfinden, in dieser Kolumne zwischen Bleiben und Gehen, Ruheort und Horizont. Hin und weg.

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Jahrgang 1991, studierte Journalismus und Geschichte in Dortmund, Bochum, Sankt Petersburg. Schreibt für die taz seit 2015 vor allem über politische und gesellschaftliche Sportthemen zum Beispiel im Fußball und übers Reisen. 2018 erschien ihr Buch "Wir sind der Verein" über fangeführte Fußballklubs in Europa. Erzählt von Reisebegegnungen auch auf www.nosunsets.de

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