Seegrenze zwischen Israel und Libanon: Seltene Einigkeit
Israel und der Libanon haben ihren Streit um die Gasvorkommen im Mittelmeer abgewendet. Doch es gibt noch ein Problem.
Nun können der Libanon, Israel und US-Vermittler Amos Hochstein doch aufatmen: Am Dienstag haben Israel und der Libanon ein Abkommen zur Grenzziehung im Mittelmeer vor den Küsten der beiden Länder erzielt und damit ihren Streit über Offshore-Gasfelder beigelegt.
„Ein historischer Deal“, jubelte der israelische Ministerpräsident Yair Lapid am Dienstagmittag auf Twitter. Der Entwurf entspreche „vollständig“ Israels sicherheitspolitischen und wirtschaftlichen Grundsätzen.
Auch das Büro des libanesischen Präsidenten Michel Aoun äußerte sich auf Twitter rundum zufrieden. Der endgültige Entwurf sei für den Libanon zufriedenstellend und erfülle seine Forderungen. Ebenso stimmte die Hisbollah dem Deal explizit zu. Die schiitische Partei und Miliz bezeichnete die Verhandlungen als abgeschlossen.
Eine solche Einigkeit zwischen den beiden verfeindeten Ländern ist selten, auch in Sachen Offshore-Gas. Israel und der Libanon streiten sich seit Jahrzehnten um die Grenzziehung im Meer.
Drohender Krieg abgewendet
Bei den Verhandlungen geht es vor allem um zwei Gasfelder vor der Küste zwischen dem israelischen Haifa und dem libanesischen Sidon: Kana und das südlich darunter liegende Karish. 2012 schlug der damalige US-Vermittler Frederic Hof einen Kompromiss vor, der das Gebiet zu 55 Prozent dem Libanon und zu 45 Prozent Israel zugeschlagen hätte. Doch die libanesische Regierung lehnte dies ohne Begründung ab, die Verhandlungen lagen auf Eis.
Als Israel im Juni signalisierte, dass die Gasförderungen im südlichen Teil von Karish beginnen würden, drohte Hassan Nasrallah, Parteiführer der Hisbollah, die Offshore-Gasinfrastruktur anzugreifen, falls sich die Länder zuvor nicht auf eine Grenze geeinigt haben sollten. Israel und Libanon nahmen die Verhandlungen mithilfe der USA wieder auf.
Zuletzt war in der vergangenen Woche eine Unterzeichnung des Abkommens vorerst geplatzt. Israel hatte einige Änderungen, die der Libanon noch einbringen wollte, abgelehnt. Mit der Einigung haben die beiden Länder wahrscheinlich einen Krieg abgewendet.
Israels Verteidigungsminister Benny Gantz hatte am Donnerstag, als das Abkommen zunächst gescheitert war, die israelischen Truppen im Norden des Landes in Alarmbereitschaft versetzt.
Vor zwei Tagen hatte das Unternehmen Energean, das das Karish-Gasfeld betreibt, angefangen, die Unterwasserrohre zu testen und Gas vom Ufer zur Bohrinsel zu pumpen. Israel betonte, dass dies ein Test sei und nicht der Beginn der Gasproduktion.
Die Hisbollah hatte wiederholt gedroht, Israel anzugreifen, falls diese mit den Bohrungen in den umstrittenen Gasfeldern fortfahren würden.
Netanjahu gegen das Abkommen
Lapid dürfte hoffen, dass er mit diesem Abkommen die eine oder andere Stimmen für die israelischen Parlamentswahlen am 1. November gewinnen könnte. Rückhalt für das Abkommen hat er vom Militär und vom Sicherheitsdienst; und auch die USA haben Druck auf Lapid für eine Einigung ausgeübt.
Der Oppositionsführer und frühere Ministerpräsident Benjamin Netanjahu von der rechten Partei Likud sprach sich allerdings gegen das Abkommen aus. In der vergangenen Woche warf er Lapid vor, gegenüber der feindlichen Hisbollah einzuknicken. Lapid übergebe, so twitterte Netanjahu, „ein riesiges israelisches Gasvorkommen an die Hisbollah“.
Auf libanesischer Seite hatte Präsident Michel Aoun sich stark für ein Abkommen eingesetzt – um dieses als politischen Sieg zu präsentieren, bevor seine Amtszeit am 31. Oktober endet. Laut dem Reuters-Bürochef für den Libanon, Timour Azhari, soll das französische Energienunternehmen TotalEnergies auf libanesischer Seite nach Gasvorkommen suchen.
Eine Unterzeichnung des Abkommens steht noch aus. Die israelische Tageszeitung Haaretz betonte, dass zwar die wichtigsten Streitigkeiten zwischen den beiden Ländern beigelegt scheinen. Doch vor einer Unterzeichnung könnten noch rechtliche und politische Hindernisse auftauchen.
Das Problem: Auf israelischer Seite muss das Abkommen noch von der Regierung genehmigt und der Knesset vorgelegt werden – möglicherweise erst nach den Wahlen am 1. November. Deren Ausgang ist denkbar ungewiss.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!