Seegrenze zwischen Libanon und Israel: Eine Kurzzeitdeeskalation

Für die libanesische Bevölkerung wird das Abkommen über die Seegrenze und die Gasförderung wenig ändern. Die Früchte erntet die korrupte Führung.

Israelischer Ministerpräsident Lapid unterschreibt ein Papier, im Hintergrund sind Flaggen Israels zu sehen

Israelischer Ministerpräsident Lapid unterzeichnet das Abkommen über die Seegrenze am 27. Oktober Foto: Yoav Dudkevitch/JINI/imago

Dass Libanon und Israel ein Abkommen geschlossen haben, das ihre Seegrenze und die Verteilung von Erdgasvorkommen im Mittelmeer regelt, ist historisch. Die beiden Staaten befinden sich offiziell noch im Kriegszustand und unterhalten keine diplomatischen Beziehungen. Doch der Deal ist kein Heilsbringer. Zunächst profitieren zwei scheidende Machthaber: Israels Ministerpräsident Jair Lapid hofft, dass das Abkommen seine Wiederwahl am Dienstag unterstützt.

Der libanesische Präsident Michel Aoun scheidet am Montag aus dem Amt – er verbucht den Abschluss als Erfolg seiner Amtszeit und hat die Sache geschickt seinen Widersachern entzogen, um seinen korrupten Schwiegersohn als Nachfolger zu begünstigen. Im Libanon ist das Abkommen ein Gewinn für die politische Klasse, aber ein Debakel für die Gesellschaft. Damit wird das Ansehen der korrupten Elite auf internationaler Ebene gefestigt; in Washington und Paris gilt Beirut anscheinend als zuverlässiger Akteur.

Dabei hat die politische Führung eine der größten nicht nuklearen Explosionen der Geschichte und die drittgrößte Wirtschaftskrise seit 150 Jahren zu verantworten. Der Deal bringt nicht gleich mehr Strom. Abgesehen davon, dass die Ressource nicht endlos ist und es mit Wind oder Solar weitaus nachhaltigere Lösungen gib – wie viele Gasvorkommen wirklich in dem Feld Kana liegen, ist unklar.

Fragen nicht geklärt, sondern verschoben

Libanon hat nicht mal angefangen zu bohren, und es wird Jahre dauern, bis das Gas gewonnen wird. Weil der Energiesektor der korrupteste Sektor im Libanon ist, wird das Geld ganz sicher in Scheinfirmen oder Unternehmen von Politikern landen. Hinzu kommt: Die wichtigsten wirtschaftlichen Fragen zur Gewinnbeteiligung sind nicht geklärt, sondern nur verschoben. Hier müssen die Länder weiter verhandeln.

Immerhin bedeutet der Deal einen erheblichen Ansehensverlust für die schiitische Partei und Miliz Hisbollah. Libanon unterschreibt über die USA einen Vertrag mit einem Land, das Libanon offiziell nicht anerkennt. Die Hisbollah wird durch ihre Verbündete im Parlamentsblock, die Partei des Präsidenten Aoun, auf einmal zu einem Wirtschaftspartner mit Israel. Die Organisation dürfte ihre Mobilisierung an der Grenze beenden. Die libanesischen Streitkräfte werden nicht mehr auf einen Krieg vorbereitet.

Das Abkommen ist eine Kurzzeitdeeskalation an der Grenze – es ist aber kein Friedensabkommen. Ein solches wäre mit der Hisbollah als Partei im Libanon nicht möglich. Die Miliz speist ihre Existenz daraus, „Widerstandskraft“ gegen Israel zu sein. Die Normalisierung des Feindes würde das De-facto-Ende der Organisation bedeuten. Sie würde sich mit allen Mitteln gegen ein Friedensabkommen wehren.

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Auslandskorrespondentin für Westasien mit Sitz in Beirut. Hat 2013/14 bei der taz volontiert, Journalismus sowie Geschichte und Soziologie des Vorderen Orients studiert. Sie berichtet aus dem Libanon, Syrien, Iran und Irak, vor allem über Kultur und Gesellschaft, Gender und Fragen der sozialen Gerechtigkeit. Für das taz Wasserprojekt recherchiert sie im Libanon, Jordanien und Ägypten zu Entwicklungsgeldern.

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