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Masern-Impfpflicht in der KitaDer Staat am kürzeren Hebel

Christian Rath
Kommentar von Christian Rath

Das Bundesverfassungsgericht bestätigt die Masern-Impfpflicht in der Kita. Doch die Vorstellung, diese Pflicht würde automatisch befolgt, ist naiv.

Ewiger Streitpunkt: die Pflichtimpfung Foto: Julian Stratenschulte/dpa

K arlsruhe hat entschieden, dass die Masern-Impfpflicht für Kita-Kinder mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Das kommt nicht überraschend. Immerhin hatte das Bundesverfassungsgericht schon im Mai 2020 einen Eilantrag abgelehnt. Zwei Jahre später hatte Karlsruhe die Corona-Impfpflicht in Pflege- und Gesundheitswesen gebilligt. Im Bundesverfassungsgericht sitzen offensichtlich keine Impfskeptiker.

Der Beschluss zur Pflege-Impfpflicht war sogar für Karlsruher Verhältnisse geradezu brüsk. Den Impf­kri­ti­ke­r:in­nen wurde überhaupt kein Zugeständnis gemacht. Es gab nicht einmal eine öffentliche Verhandlung. In einem zugespitzten Konflikt hat das Gericht seine Integrationsaufgabe ziemlich vernachlässigt.

Das versuchten die Rich­te­r:in­nen bei der Masernimpfpflicht nun offensichtlich besser zu machen. Gleich zu Beginn der Karlsruher Pressemitteilung wurde eine „verfassungskonforme Auslegung“ des Masernschutzgesetzes versprochen. Die in Deutschland üblichen Kombinations-Impfstoffe dürfen nicht einfach auf weitere Krankheiten ausgeweitet werden. Damit ist zum Beispiel verboten, bald nur noch kombinierte Masern/Corona-Präparate anzubieten und so eine Corona-Impfpflicht durch die Hintertür einzuführen. Diese eher theoretische Möglichkeit ist nun also ausgeschlossen.

Doch warum hat das Bundesverfassungsgericht nicht vorgegeben, dass es reine Masern-Impfstoffe geben muss? Warum müssen Kinder immer auch gegen Röteln, Mumps und Windpocken geimpft werden, wenn die Impfpflicht doch nur für Masern gilt? In der Schweiz gibt es durchaus reine Masern-Impfstoffe. Karlsruhe begründete die Ablehnung mit Mehrkosten und einer Belastung für die Allgemeinheit. Das ist dünn.

Naive Vorstellung von Impfpflicht

Die faktisch gescheiterte Corona-Pflege-Impfpflicht sollte Warnung genug sein. Die Vorstellung, man führt einfach eine Impfpflicht ein und dann wird sie befolgt, ist naiv. Auch deshalb läuft die Pflege-Impfpflicht Ende des Jahres sang- und klanglos aus, ohne je wirklich durchgesetzt worden zu sein.

Es kann noch interessant werden, wie die Masern-Impfpflicht an Kitas und Schulen akzeptiert und umgesetzt wird. Auch hier sitzt der Staat eher am kürzeren Hebel – jedenfalls wenn er den Konflikt nicht auf dem Rücken der ungeimpften Kinder austragen will, die sich ihre Eltern ja auch nicht ausgesucht haben

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Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).
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9 Kommentare

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  • Die Kontrolle dürfte recht einfach gehen. Ohne Nachweis keinen Kitaplatz.

    • @Leichtmatrose:

      Bei städtischen Kitas mag das funktionieren.

      Andererseits: Wir haben eine Schul_pflicht_! Wenn sich Eltern weigern, zahlen sie ggf. eine Strafe (ggf. mehrfach). Geimpft ist das Kind dann dennoch nicht.

  • Die Begründung mit den Mehrkosten ist nicht inhaltlicher Art, das mag sein. Doch warum sollte eine Minderheit von Impfkritikern der Allgemeinheit diese Kosten aufladen? Wer sich unbedingt nur gegen Masern impfen lassen will, kann ja auf eigene Kosten in die Schweiz fahren und das dort tun.

    Zur Durchsetzung möchte man anmerken: Pflicht ist Pflicht. Schulpflicht, Wehrpflicht, Führerscheinpflicht, Gurtpflicht, Ausreisepflicht, Impfpflicht, ... wenn es gilt, dann gilt es. Wenn Staat und Gesellschaft sich mehrheitlich einig sind und sogar das Bundesverfassungsgericht es bestätigt hat, sollte es keine Ausnahmen geben dürfen. Eine Gesellschaft funktioniert nur, wenn Regeln auch wirklich für alle gelten und Urteile von Gerichte akzeptiert bzw. notfalls von der Staatsgewalt durchgesetzt werden. Im Zweifel muss bei der Impfpflicht für Kinder das Jugendamt eingeschaltet werden, denn es geht um das Wohl der Kinder, nicht um die Eitelkeit der Eltern.

  • Dass die Covid-Impfpflicht ausläuft hat einen einfachen Grund: Der Fremdschutz durch die Covid-Impfung ist seit Omikron vernachlässigbar, womit diese Impfpflicht keinen Sinn mehr macht. Das sieht bei den Masern anders aus, die hätten bei flächendeckender Impfung (weltweit) schon wie die Pocken ausgerottet sein können.

  • "Warum müssen Kinder immer auch gegen Röteln, Mumps und Windpocken geimpft werden, wenn die Impfpflicht doch nur für Masern gilt?"

    Ja furchtbar. Man erspart den Kindern 4 verschiedene Einzel-Spritzen und fasst die zu einer zusammen... Und schützt sie und andere davor mit 50 Windpocken zu bekommen. Schrecklich. Ich dachte Eltern hätten wichtigere Probleme.

    • @Inazea:

      "Diese eher theoretische Möglichkeit ist nun also ausgeschlossen." Theoretische Möglichkeit? Bei Röteln, Mumps und Windpocken geht es nun ja auch mit höchstrichterlicher Genehmigung.



      Da hat das VerfG wohl zu kurz gegriffen.



      Eine alleinige Masernimpfung über die Rechtssprechung nur wegen den Kosten auszuschließen ist hoffentlich ein Verfahrensfehler in diesem Urteil. Denn wer bestimmt denn den Preis und wer orientiert sich daran rechtlich zwingend, obwohl es Alternative Möglichkeiten gibt? Das Urteil sollte aufgrund dieser inhaltlichen Fehler auf europäischer Ebene geklärt werden. Schließlich sind die rechtlichen Verhältnisse in unseren europäischen Nachbarländern und auch in der Schweiz freiheitlicher geregelt.

      Bei diesem Urteil geht es nicht nur um die genannten Krankheiten, sondern um eine "chinesische" Strategie (Corona-App zur Überwachung und Steuerung) um staatliche Repression einfacher in einer größeren Breite durchsetzen zu können.



      Das Motto lautet: Einzelne sinnvolle Dinge mit anderen Verknüpfen, eine rechtliche Verpflichtung dazu erlassen und die Bürger anschließend ohne diese lästigen gesellschaftlichen Diskussionen "steuern" zu können.

    • @Inazea:

      Stellen Sie sich vor: Vorspiese, Hauptgang (Kartoffeln, Beilagen), Nachspeise und Getränke mixen und ein hohes Gefäß geben und servieren. Ist für den Körper das gleiche, wie einzeln gegessen. Warum macht man das eigentlich nicht? Man würde Abrasion der Zähne verhindern. Toll, oder?

      Ich könnte mir vorstellen, dass die, die keine Kombimedikamente wollen (oder wie hier: Impfstoffe) Gründe zur Zurückhaltung / Ablehnung haben. Der Piks selber ist ja wirklich nicht tragisch. Aber: Ja, es gibt zumindest bei Kombimedikamenten eine durchaus heterogene Sicht auf die Wirkungen und Wechselwirkungen. Bei "einfachen" Erklältungsmitteln geht es los. www.quarks.de/gesu...-gegen-erkaeltung/

      Und: Wir dürfen nicht vergessen: Wir sind _nie_ im Besitz der absoluten Wahrheit. Daher das Bestreben, immer das kleinste Übel auszuwählen bzw. zu hoffen, dass man genau dieses kleinste Übel erwischt.

    • @Inazea:

      Das musste ich beim Lesen des Artikels auch denken. Gesundheitsvorsorge für Kinder muss für einige Erwachsene ein Grauen sein.

    • @Inazea:

      ...naja, und wenn es zu unerwünschten Nebenwirkungen des Impfstoff-Gemisches kommt, dann darf man rätseln, welcher Anteil des Impfstoffs für die Komplikation verantwortlich ist. Das erleichtert dann natürlich die Behandung ungemein