Nachruf auf Jean-Jacques Sempé: In die Herzen gehüpft

Der französische Zeichner Jean-Jacques Sempé galt auch mit fast neunzig Jahren noch immer als Vater des „Kleinen Nick“. Nun ist er gestorben.

Portrait von Jean-Jacques Sempé.

Der französische Illustrator Jean-Jacques Sempé im Jahr 2019 Foto: Martin Bureau/afp/dpa

taz/dpa | Bei Pfützen habe ich oft an ihn gedacht. Denn schon als Schülerin, die Ballettunterricht nahm, hatte es mir eine Zeichnungsfolge von Sempé angetan, vermutlich aus einem der Bände mit dem „Kleinen Nick“. Da sah man zuerst vier kleine Mädchen im Tutu im Ballettsaal mit einem großen Grand Jeté (Schrittsprung) den Raum überwinden. Dann stehen die vier Ballettratten an einem Bordstein vor einer Pfütze, grinsen sich an – so meine Erinnerung – und springen mit einem ganz kleinen Jeté mitten in das aufspritzende Pfützenwasser hinein.

Pfützen, Regen, das fehlt aller Orten, auch gerade in Frankreich. So hat die französischen Feuerwehr, die derzeit an verschiedenen Stellen des Landes gegen verheerende Waldbrände kämpft, als der Tod des Zeichners Jean-Jacques Sempé am Donnerstag bekannt wurde, einen Twitter an ihn geschickt: „Ruhe in Frieden und schick uns den Regen von da oben…“. Das ist ein Zeichen seiner großen Popularität und ein liebevoller Abschiedsgruß. Auch zahlreiche Politiker in Frankreich reagierten emotional auf die Todesnachricht des Künstlers.

Jean-Jacques Sempé, der wenige Tage vor seinem 90. Geburtstag gestorben ist, ist mit seinen Geschichten vom „Kleinen Nick“, die er zusammen mit dem Texter René Goscinny entwickelte, noch immer eine wichtige Bezugsgröße in der Welt der Comics und Graphic Novels. Weltberühmt wurde die Kinderbuchserie über den kleinen gewitzten Jungen. Für die beiden Autoren, deren Kindheit und Jugend durch den zweiten Weltkrieg dunkel gefärbt war, war der „Kleine Nick“ auch ein Weg, sich eine bessere Kindheit als die eigene zu erfinden. Damit trafen sie einen Nerv in der ausklingenden Nachkriegszeit.

Weiterleben in Neuauflagen

Die ersten Abenteuer Nicks wurden 1956 in Comic-Form in einer belgischen Zeitschrift veröffentlicht, bevor sie 1959 in der Regionalzeitung „Sud-Ouest“ abgedruckt wurden. Mitte der 60er Jahre beschloss Goscinny, den verrückten Einfällen des Dreikäsehochs ein Ende zu setzen. Seitdem wurde der Kinderbuch-Klassiker regelmäßig neu aufgelegt, als Comic oder als Bücher seiner gesammelten Abenteuer. Im Jahr 2009 kamen die Abenteuer erstmals auf die Leinwand.

In Deutschland war Jean-Jacques Sempé einer der ersten Autoren des Diogenes Verlags und hat dort über 60 eigene Bände herausgebracht und 22 weitere Titel anderer Autoren illustriert, darunter „Catherine, die kleine Tänzerin“ von Patrick Modiano und „Die Geschichte von Herrn Sommer“ von Patrick Süskind. Im August noch will der Diogenes Verlag von Sempé „Endlich Ferien“ herausbringen.

Eine Zeichnung, davor Ballons.

Die Kinderbuchserie „Der kleine Nick“, illustriert von Jean-Jacques Sempé Foto: Charles Platiau/reuters

Sempé hat in seinen vielen Geschichten auch über den kleinen Nick hinaus die Menschen genau beobachtet und in ihrer Unvollkommenheit gezeichnet. „Mit seinem liebevoll-ironischen Strich war er dem kauzigen bis schrulligen Charme der Bourgeoisie auf der Spur, ebenso wie dem kleinen Mann, der aus der Masse hervorstechen will, oder den Schönen und Reichen“, porträtiert ihn Sabine Glaubitz für dpa. Er blickte dabei stets mit Sympathie auf seine Figuren, die er meist im Verhältnis zu ihrer Umwelt ein bisschen verkleinerte und damit die staunende Kinderperspektive im Spiel hielt.

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