piwik no script img

Palästinensische Gruppen in GazaIrans langer Arm

Der Islamische Dschihad Palästina (PIJ) gilt als Konkurrent der Hamas. Die Organisation hat weniger Mitglieder, aber mehr Waffen und Geld.

Trauernde bei der Beerdigung des PIJ-Anführers Khaled Mansour in Rahaf in Gaza am 7. August Foto: Ibraheem Abu Mustafa/rtr

Tel Aviv taz | „Die Kräfte, die wir bisher genutzt haben, sind nur ein kleiner Teil dessen, was wir vorbereitet haben“, verkündete der militärische Sprecher Abu Hamza von den Al-Quds-Brigaden, dem militärischen Arm des Islamischen Dschihad Palästina (PIJ), am Sonntagnachmittag, dem dritten Tag der Kampfhandlungen zwischen Gaza und Israel.

Der Islamische Dschihad ist die kleinere der beiden palästinensischen Hauptgruppen im Gazastreifen. Der regierenden Organisation Hamas ist sie zahlenmäßig weit unterlegen – die geschätzten Zahlen rangieren von 1.000 Mitgliedern zu einigen Tausend – doch an Waffen und Geld mangelt es ihnen nicht. Denn die eng mit dem Iran verbundene militante Organisation bezieht ihre Ressourcen aus ebendieser Republik.

Der Islamische Dschihad Palästina (PIJ) wurde 1981 formell von ehemaligen Muslimbrüdern gegründet, allen voran Fatih Shakaki und Abd al-Aziz Awda. Bis Ende der 1970er Jahre waren die beiden palästinensischen Studenten in Ägypten Mitglieder der Muslimbrüderschaft. Von dieser Organisation wandten sie sich jedoch enttäuscht ab. Zu moderat wurde sie in ihren Augen, engagierte sich nicht ausreichend für die palästinensische Sache. Stattdessen rückten die beiden mit der Gründung der PIJ die Idee des Dschihadismus ins Zentrum, inspiriert von Ajatollah Chomeini und seiner islamischen Revolution im Iran Ende der 1970er Jahre.

„Sie stellten den Dschihad an die erste Stelle“, erklärt der Nahostexperte am Harry-S.-Truman-Institut für Friedensentwicklung in Jerusalem, Roni Shaked: „Daraus sollte die Befreiung Palästinas folgen. Nachdem Palästina befreit sein würde, würde dies die Fackel sein, die den ganzen Nahen Osten erleuchten würde.“

1984, während der ersten Intifada, wurde Shakaki zum ersten Mal von Israel verhaftet und schließlich mit der gesamten Gruppe 1988 in den Libanon exiliert. Während ihres Aufenthalts im Libanon pflegte die PIJ-Führung Beziehungen zur Hisbollah und wurde von den iranischen Revolutionsgarden geschult. 1995 wurde Shakaki in Malta – vermutlich durch den israelischen Geheimdienst Mossad – vor einem Hotel getötet. Der PIJ war für einige der größeren Terroranschläge in Israel verantwortlich, darunter der Selbstmordanschlag in einem großen Einkaufszentrum in Tel Aviv im Jahr 1996, bei dem 13 Israelis getötet und 130 verletzt wurden.

Geld und Waffen aus dem Iran

Seit der Gründung der islamistischen Organisation Hamas im Jahr 1987 sind die beiden Gruppierungen politische Konkurrenten, sie beide werben um Unterstützung der gleichen Klientel: religiöse Palästinenser:innen. Eine Zusammenarbeit zwischen Hamas und PIJ gibt es nicht, dabei haben sie zahlreiche Gemeinsamkeiten. Sowohl die Hamas als auch die PIJ werden vom Westen als „terroristische Organisationen“ geführt. Beide erhalten Gelder und Waffen aus dem Iran.

Doch während die Hamas auch als politische Bewegung zu verstehen ist, soziale und politische Aktivitäten verfolgt und in Bezug auf Israel pragmatische Ansätze zeigt, ist der PIJ ausschließlich ideologisch motiviert und hat keine Ambitionen, eine Regierung im Gazastreifen oder im Westjordanland zu bilden. Ihre Ideologie zielt darauf ab, den israelisch-palästinensischen Friedensprozess zum Scheitern zu bringen und Israel aus der Region zu eliminieren.

Verhandlungen mit Israel, auch Waffenstillstandsverhandlungen, die gerade von Ägypten angestoßen werden, sind in ihrer Ideologie nicht vorgesehen. Die Hamas, die sich bislang aus den derzeitigen Kampfhandlungen heraushält, könnte also bei den kommenden Waffenstillstandsverhandlungen eine ungewohnte Rolle spielen – die der Vermittlerin, zwischen Islamischem Dschihad auf der einen und Ägypten und Israel auf der anderen Seite.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

15 Kommentare

 / 
  • interessant, wie hier versucht wird, den 5. kriegerischen überfall auf 'Asa zu rechtfertigen. nämlich mit grauer vorzeit und einem fernen feind.

  • Ach, Martha, Ihr einbetonierter Israelhass nimmt sogar einer Hamas die Chance, mit berechnender Zurückhaltung Punkte zu sammeln...

  • ...Ihre Ideologie zielt darauf ab, den israelisch-palästinensischen Friedensprozess zum Scheitern zu bringen ...



    Dafür braucht's allerdings keinen islamischen Dschihad oder sonst irgendeine Gruppe, denn der Friedensprozess ist schon längst gescheitert durch die massive Siedlungsausweitung Israels und die damit einhergehende Enteignung der Palästinenser:innen in der Westbank.

    • @Martha:

      Die Mullahs sind seit 1979 an der Macht. Hamas gibt es seit 1987 und den Islamischen Dschihad in Palästina seit 1981.

    • @Martha:

      Das nenne ich mal eine Quintessenz.

      Es bedarf weder der Hamas, noch des Islamischen Jihad, der Fatah sowieso nicht, um den Friedensprozess an die Wand zu fahren.

      Das schafft Israel doch tatsächlich im Alleingang.

      Man hört viel Schräges im Nahostkonflikt, aber ihre Aussage schafft es spielend in die Top Ten.

      • @Jim Hawkins:

        Das ist doch eine Tatsache - so zu tun als sei es nicht so ist ziemlich schräge.

        • @Martha:

          Natürlich.

      • @Jim Hawkins:

        Ich finde Frau Knaul liegt diesmal gar nicht so falsch: taz.de/Eskalation-...streifen/!5870156/

        auch interessant in puncto "Friedensverhandlungen" : www.jpost.com/midd...ast/article-713823

        Merke: Es geht immer irgendwie darum den Palästinensern ein "Angebot" zu machen, dass sie nicht annehmen können um sie hinterher zu blamieren. Wie ist das ihrer Meinung nach einzuordnen?

        • @ingrid werner:

          Zunächst einmal sind Angebote und Verhandlungen besser als Kriege und Terror. Gar keine Frage.

          Dass die innenpolitische Lage Israels in diesem Fall eine Rolle gespielt haben kann, ist durchaus möglich.

          Ich denke aber nicht, dass die tagelange Absperrung ganzer Landstriche und die Empfehlung an die Bevölkerung, sich in der Nähe der Schutzräume aufzuhalten, bloßes Kalkül war, sondern Vorbeugung in Erwartung eines Anschlages des PIJ.

          Wir sind uns wahrscheinlich völlig uneinig, was die bisherigen Verhandlungen zwischen beiden Parteien angeht.

          Meine Sichtweise ist die:

          Es gäbe schon seit Jahrzehnten einen palästinensischen Staat, der sicher besser wäre, als die jetzige Situation.

          Es gab Verhandlungen, Friedensgespräche, die wegen bestimmter Punkte, wie etwa dem Rückkehrrecht oder den Grenzverläufen gescheitert sind.

          Die aber lösbar gewesen wären. Jetzt ist das Kind im Brunnen, der Rückhalt der Palästinenser in der arabischen Welt schwindet und noch einen Abzug wie aus Gaza wird es wohl kaum geben können.

          Betrachtet man einfach, was dieser Rückzug mit sich brachte.

          So gesehen ist es, wie es ist.

  • Nach diesem israelischen Kommentar bekommen wir morgen hoffentlich auch die andere Seite zu hören.

    • @Kappert Joachim:

      Was war an dem Kommentar israelisch ?

    • @Kappert Joachim:

      Sie sind ein Spaßvogel.

      Warten Sie auf ein Kommuniqué des Islamischen Jihad?

      Oder besser noch, auf eines aus Teheran?

      Das "Krebsgeschwür" betreffend:

      www.welt.de/politi...rebsgeschwuer.html

      • @Jim Hawkins:

        Also wenn es ein Communiqué wegen des Angriffs gibt, ist das gut zum Verwenden weil die Raketenterroristen ja es sagen. Wenn aber ein gegenteiliges Communiqué der Al-Quds-Br. gibt, dann ist es nicht mal wert zu psoten. Quasi ich pass mir die Welt an, wie sie mir gefällt.



        Nicht anders als andere Extremisten, egal ob hier im Israel-Palästinser-Konflikt oder bei anderen Konflikten. Damit kein Deut besser als die gegn. Seite. Glückwunsch!

        • @Daniel Drogan:

          Nichts für ungut, aber ich kann ihnen nicht ganz folgen.

          Worauf genau wollen Sie denn hinaus?

          • @Jim Hawkins:

            Ich hätte Ihnen gerne geantwortet. Aber scheinbar hat die taz etwas dagegen, speziell wenn man ähnliche Vorgehensweise in der Militärführung gegenüberstellt.

            Kurz Ukraine, in Gefahr von Zivilisten gut, bei Hamas bzw. Isl. Dschihad schlecht...