EU-Gipfel zu Gaskrise und Erweiterung: Brüssel sorgt sich um Deutschland

Die EU sucht Antworten auf die Gaskrise und Inflation. Und Bulgarien könnte den Weg zu EU-Verhandlungen mit Nordmazedonien freimachen.

Olaf Scholz mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron

Treffen am runden Tisch in Brüssel: Olaf Scholz, Ursula von der Leyen und Emmanuel Macron (v.l.) Foto: Geert Vanden Wijngaert/ap

BRÜSSEL taz | Die EU bereitet sich auf eine schwere Gaskrise vor, findet jedoch keine gemeinsame Antwort. Am zweiten und letzten Tag des EU-Gipfels in Brüssel diskutierten die 27 Staats- und Regierungschefs stundenlang über die Engpässe am Gasmarkt, die explodierenden Energiepreise und die Inflation. Besonders Deutschland bereitet der EU Sorge.

„Wenn Deutschland in Schwierigkeiten gerät, dann hat das auch einen enormen Einfluss auf alle anderen europäischen Länder“, sagte Belgiens Ministerpräsident Alexander De Croo. Man müsse jetzt endlich gemeinsam handeln, um die negativen Folgen zu vermeiden, „die Deutschland potenziell erleidet.“

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sagte, es seien „alle Aktivitäten“ unternommen worden, um Energie aus anderen Ländern zu importieren und sich von Russland unabhängig zu machen. Diese Anstrengung müsse jedoch weiter beschleunigt werden. Das sei eine große Herausforderung, räumte Scholz ein. „Aber da werden wir uns unterhaken.“

Allerdings sperrt sich Berlin weiter gegen einen Preisdeckel für Gas, wie ihn Belgien und Italien fordern. In Spanien und Portugal wurde dieser Deckel bereits eingeführt, auf EU-Ebene geht es aber nicht voran. Auch ein bereits im März vereinbarter gemeinsamer Einkauf von Gas, der die Preise drücken könnte, lässt auf sich warten.

Sorgen um die Inflation

Beschlüsse wurden für das Gipfeltreffen nicht erwartet – dafür liegen die Positionen immer noch zu weit auseinander. Die EU-Staaten diskutieren bereits seit dem letzten Herbst über explodierende Energiepreise. Seit dem Krieg in der Ukraine hat sich die Lage zugespitzt. Durch den weitgehenden Ausfall der deutsch-russischen Ostsee-Pipeline Nord Stream droht nun ein Versorgungsengpass.

Sorgen bereitet der EU auch die galoppierende Inflation. Die Europäische Zentralbank will nun zwar gegensteuern und die Leitzinsen erhöhen. Damit steigt aber auch das Risiko, dass einige hochverschuldete Euroländer wieder Probleme bekommen, ihre Schulden zu bedienen.

Bereits am Donnerstag hatte der EU-Gipfel beschlossen, der Ukraine und Moldau den Status von EU-Beitrittskandidaten zuzubilligen. Die Entscheidung wurde als historisch bezeichnet. „Die Zukunft der Ukraine liegt in der EU“, erklärte Präsident Wolodimir Selenski. Allerdings sind damit keine unmittelbaren Vorteile verbunden.

Beide Länder müssen nun Reformen umsetzen, die die EU-Kommission empfohlen hat. Erst wenn alle Bedingungen vollständig erfüllt sind, will die EU über die nächsten Schritte entscheiden. Welche das sein könnten – weitere Reformen oder die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen – blieb offen.

Hoffnung für Nordmazedonien und Albanien

Für Empörung sorgte der Westbalkan-Gipfel, der vor dem eigentlichen EU-Gipfel stattfand und ohne Ergebnisse endete. Es sei „eine Schande“, dass Bulgarien zwei andere Nato-Länder, nämlich Albanien und Nordmazedonien, „inmitten eines heißen Kriegs in Europa in Geiselhaft“ nehme, schimpfte Albaniens Regierungschef Edi Rama.

Bulgarien hat mit einem Veto die Aufnahme von Gesprächen verhindert. Die EU will sich dennoch weiter um eine Lösung bemühen. Am Freitag hat das bulgarische Parlament überraschend grünes Licht für eine Zustimmung zur Aufnahme von EU-Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedonien gegeben. Damit könnte die Blockade womöglich doch bald enden.

Unklar blieb nach den zweitägigen Beratungen in Brüssel, wie sich die EU selbst auf neue Mitglieder vorbereiten will. Kanzler Scholz und andere Regierungschefs haben zwar Reformen gefordert, etwa bei den Abstimmungsregeln. Ein ehrgeiziger Reformkatalog, den die „Konferenz zur Zukunft Europas“ mit direkter Bürgerbeteiligung vorgelegt hat, wurde vom EU-Gipfel jedoch zu den Akten gelegt.

Bereits vor dem Treffen war Bundesaußenministerin Annalena Baerbock von einem EU-Konvent abgerückt, wie ihn die Ampelkoalition vereinbart hatte. Offenbar wollen die EU-Staaten die Reformen unter sich ausmachen, ohne die Bürger.

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