Diskriminierung von Fürsorgenden: Elternzeit unerwünscht

Wer Fürsorge übernimmt, hat oft mit Nachteilen im Job zu rechnen. Eine Studie zeigt nun auf, wo Diskriminierung stattfindet.

Eine Frau sitzt an ihrem Laptop und gegenüber sitzt ein Kind

41 Prozent der befragten Eltern gaben an, sich diskriminiert zu fühlen Foto: Imago

BERLIN taz | Nach wie vor gilt in der Arbeitswelt: Wer Fürsorgeverantwortungen übernimmt, hat mit Nachteilen im Job zu rechnen. Eine empirische Studie zeigt nun auf, wo strukturelle Diskriminierung stattfindet und welche Maßnahmen getroffen werden müssten.

Eine Mutter will auf ihrer Arbeitsstelle ihre Stundenzahl erhöhen und ihr Chef erwidert, dass sie ja jederzeit wieder schwanger werden könnte. Während eines Zoom-Meetings ist im Bildhintergrund einer Mitarbeiterin kurz deren Tochter zu sehen. Prompt wird ihr gekündigt – mit der Begründung, sie scheine wohl Arbeit und Mutterschaft nicht gleichzeitig stemmen zu können.

Solche Diskriminierungen von Erwerbstätigen mit Fürsorgepflichten sind bisher überwiegend als Anekdoten bekannt. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes hat am Dienstag eine Studie veröffentlicht, die belastbare Daten liefert. 41 Prozent der 2.500 befragten Eltern sowie 27 Prozent der rund 500 befragten Pflegenden geben darin an, sich explizit diskriminiert zu fühlen.

Keine Elternzeit für Väter

So beklagt fast die Hälfte der Mütter, dass ihr Arbeitsvertrag im Zusammenhang mit einer Schwangerschaft, Elternzeit oder Kinderbetreuung nicht verlängert oder entfristet wurde. Väter wiederum erleben negative Reaktionen vor allem auf die Ankündigung und Dauer der Elternzeit – bis hin zu dem Grad, dass sie sich unter Druck gesetzt fühlen, keine zu nehmen. Bei Frauen wird stattdessen das Gegenteil kritisiert: Wenn sie nur kurz in Elternzeit gehen. Besonders der Wiedereinstieg in den Beruf ist eine sensible Phase, in der knapp vier von zehn Mütter negative Erfahrungen machen.

“Die Studie setzt an Themen an, die gerade durch gesellschaftlichen und demografischen Wandel in den Fokus rücken“, erklärt Politologe David Juncke, der an der Studie mitgewirkt hat. Etwa im Bereich Angehörigenpflege und Fachkräftemangel. Dabei fällt auf, dass sich Geschlechterstereotype hartnäckig halten. Besondere Rücksicht auf intersektionelle Diskriminierungen etwa von BIPOC und FLINTA Personen wurde hierbei nicht genommen.

Bei der Angehörigenpflege sind Geschlechtsunterschiede geringer. Auch hier äußert sich Diskriminierung im Ausbleiben von Gehaltserhöhungen, schlechtere Leistungsbewertung und fehlende Rücksichtnahme bei der Terminierung von Sitzungen. Die Betroffenen fühlen sich handlungsunfähig und frustriert, häufig seien Burn-outs die Folge. “Eltern sind gesetzlich am Arbeitsplatz nicht genügend geschützt“, findet Bernhard Franke, Leiter der Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) wären sie nicht mitgedacht worden.

Familienpolitik soll Linien verfolgen

Männer würden von ArbeitgeberInnen vor allem als weniger karriereorientiert und Frauen als weniger belastungsfähig eingeschätzt. “Aber Beschäftigte sind nicht weniger leistungsfähig, wenn sie in Pflege sind, sondern wenn Ihnen die Motivation genommen wird.“

Franke fordert, dass ArbeitgeberInnen Tarifverträge unterstützend ausgestalten sollten. Zudem müssten weiter mehr Plätze in der Kinderbetreuung geschaffen werden und in Betrieben Schulungen für PersonalleiterInnen stattfinden. Die Forderung nach einer Ergänzung des AGG wurden von der Bundesregierung allerdings bisher nicht aufgegriffen.

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