Rigaer Straße 94: Eigentümer zusammengepuzzelt

Seit dem Verkauf 2014 ist unklar, wem das Haus in der Rigaer Straße 94 gehört. Der Anwalt der Be­woh­ne­r:in­nen nennt nun einen Namen.

Polizisten stehen vor dem bunt belamten Hauseingang der Rigaer 94

Die Polizei ist nicht im Besitz der Rigaer 94, aber manchmal zu Gast Foto: Florian Boillot

BERLIN taz | Wem gehört die Rigaer Straße 94? Bis 2014 wusste man das. Damals verkaufte der Voreigentümer Suitbert Beulker das Gebäude für einen Spottpreis an einen Unbekannten. Seitdem rätseln nicht nur die Be­woh­ne­r:in­nen selbst, sondern auch Po­li­ti­ke­r:in­nen und Jour­na­lis­t:in­nen darüber. Lukas Theune, Anwalt der Linksradikalen, ist sich inzwischen sicher genug, um mit einem Namen an die Öffentlichkeit zu gehen: Leonid Medved.

Der in Berlin geborene, ukrainische Staatsbürger soll sich als wahrer Eigentümer hinter einer Firmenkette verstecken, von der öffentlich nur die Lafone Investments Limited bekannt ist. Diese hat zwar einen Geschäftsführer, als Gesellschafterin fingieren aber nur weitere Firmen, die wiederum anderen Firmen gehören. Die Spur verläuft sich auf der britischen Kanalinsel Guernsey, wo man sich als wirtschaftlich Berechtigter hinter einem Treuhänder verstecken kann.

Genannt hat Theune den Namen bereits Ende März in einem Interview mit der Jungen Welt. Dass er daraufhin keine Abmahnung der Gegenseite bekommen habe, keine Unterlassungserklärung, ist für ihn ein weiteres Indiz, richtig zu liegen. „Wir sind uns sehr sicher, dass er es ist“, sagt Theune.

Das erste Puzzlestück bei der Recherche stammt bereits aus dem Jahr 2016. Damals konnte Theune eine Akte einsehen mit einem Brief des ehemaligen Eigentümeranwalts André Tessmer an Medved. Im Zuge einer polizeilichen Begehung des Hauses im vergangenen Jahr hatte Theune dann noch Kontakt mit einem der Bauarbeiter, der mit Medved kommunizierte und auch Fotos aus dessen Büro am Ku’damm hatte.

Einen Versuch von Theune am Rande eines Gerichtsprozesses den Eigentümeranwalt Alexander von Aretin mit dem Namen Medved zu konfrontieren, parierte dieser mit dem Hinweis, dazu nichts sagen zu können. Theune gibt zu: „Einen harten Beleg haben wir nicht.“ Anfragen der taz blieben unbeantwortet. Im Ku’damm-Büro von Medveds Firmen ist niemand zu erreichen, in einer Spielhalle in Halle/Saale will niemand sprechen, eine E-Mail an eine von Medveds Firmen blieb ohne Antwort.

Alte Hinweise

Schon 2016 allerdings hatten Medien über Medved als vermeintlichen Eigentümer berichtet. Die Welt schrieb über einen ehemaligen Geschäftsführer der Lafone, der auf die Frage nach dem Eigentümer auf eine Centurius Immobilien Handels GmbH verwies: eine Firma von Medved, der neben Immobilienfirmen vor allem Spielhallen sein Eigen nennt. Die Zeitung zitierte zudem eine Wirtschaftsauskunftskanzlei, die ihre Kunden vor Geschäften mit Medved warnte.

Der Spiegel berichtete ebenfalls über den Eigentümer und beschrieb dessen Verwicklung in einen Spielhallenkrieg in den 90er Jahren mit der russischen Mafia. Die B.Z. zitierte einen ehemaligen Geschäftspartner, wonach Medved ihm gegenüber die Rigaer 94 als sein Haus bezeichnet habe.

Dass in den vergangenen Jahren trotzdem an der Eigentümerschaft gezweifelt wurde, liegt daran, dass weder die Politik jemals einen Ansprechpartner fand, noch dass es der Lafone Investments vor Gericht gelang Mindestanforderungen zu erfüllen. Unzählige Prozesse verlor man, allein weil die ordnungsgemäße Beauftragung der Anwälte nicht gegeben war. Eine Briefkastenfirma ohne handelnde Person, oder aber einer, die sich nicht aus der Deckung wagte.

Auf bürgerlicher Seite hatte man stets Verständnis, schließlich sei jeder bekannte Eigentümer einer Bedrohung der Autonomen ausgesetzt. Gefragt nach der womöglich bedrohten Sicherheit des Eigentümers, wenn dieser seine Anonymität verliere, hatte Theune der Jungen Welt gesagt: „Herr Medved hat auf jeden Fall geeignete Leute, um sich vor Angriffen gut zu schützen.“ Für Theune geht es beim Gang in die Öffentlichkeit um etwas anderes: „Es braucht für das Haus auf Dauer eine Lösung. So geht es nicht weiter.“

Schwierige Konstruktion

Was er meint, sind die schier endlosen juristischen Auseinandersetzungen. Allein vier Mal ist die Eigentümerseite damit gescheitert, einen Räumungstitel gegen die Hinterhofkneipe Kadterschmiede zu erwirken. Zuletzt hatte das Landgericht im März eine Klage als unzulässig abgewiesen. Gegen das Urteil wurde nun Berufung eingelegt, ein nächster Termin vor dem Kammergericht steht bevor. Gegen einen Räumungstitel für einen Sportraum im Hinterhaus haben dagegen die Be­woh­ne­r:in­nen Berufung eingelegt.

Am 17. Juni feiert die Rigaer 94 den ersten Tag der Brandschutzbegehung des Hauses und ihres militanten Widerstandes dagegen. Über das Vehikel Brandschutz – über den seitdem niemand mehr gesprochen hat – sollte das Haus geräumt werden, so das Kollektiv. Nun wird zum Hoffest geladen, mit Flohmarkt, Diskussionen und Konzert.

Nach der Identitätsfeststellung aller Personen im Haus im vergangenen Oktober hat der Eigentümer zudem allen Be­woh­ne­r:in­nen gekündigt. Laut Theune sind beim Amtsgericht Kreuzberg 15 Klagen teilweise gegen mehrere Personen anhängig. In einem ersten Verfahren will das Gericht ein Rechtsgutachten erstellen lassen, um zu klären, ob die Eigentümergesellschaft nach deutschem Recht existiert und überhaupt über die Legitimation verfügt, eine Räumung anzustreben.

Die Rechtsform als britische Limited könnte der Eigentümerfirma dabei auf die Füße fallen. Seit dem Brexit sind derartige Gesellschaften in Deutschland nicht mehr rechtsfähig. Es besteht zwar die Möglichkeit der Umwandlung in eine deutsche Gesellschaft, etwa eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, aber dafür braucht es mindestens zwei Gesellschafter. Wenn nun aber Medved allein hinter dem Firmenkonstrukt steht, sieht es schlecht für ihn aus.

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