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Schwedens geplanter Nato-BeitrittAuch Stockholm sagt Ja

Mit Finnland strebt auch Schweden die Nato-Mitgliedschaft an. Die Zustimmung im Parlament gilt als sicher. Doch es gibt viel Kritik am Beschluss.

Protest in Stockholm: Vor allem die junge Generation sieht Schwedens Nato-Beitritt skeptisch Foto: Anders Wiklund/ap

Stockholm taz | Schwedens Sozialdemokraten haben ihren historischen Schwenk zu einer Nato-Mitgliedschaft vollzogen. „Es gibt keine andere Alternative, als Schwedens militärische Bündnisfreiheit zu beenden“, erklärte deren Parteivorsitzende, die Ministerpräsidentin Magdalena Andersson am Sonntagabend in Stockholm: „Deshalb meinen wir Sozialdemokraten, dass ein Beitritt zur Nato der beste Beschluss für Schwedens Sicherheit ist.“

Dieser nach stundenlanger Beratung der Führung der regierenden Sozialdemokraten verkündete Bescheid war erwartet worden. Auch die Begründung überraschte nicht mehr: „Die militärische Bündnisfreiheit hat uns gut gedient, aber sie wird uns in Zukunft nichts nützen“, sagte Andersson: Man könne nämlich nicht ausschließen, dass solche Aggressionen wie die Russlands in der Ukraine sich in Zukunft auch gegen Schweden richten könnten.

Auch der Nato-Beschluss Finnlands habe für ihre Partei eine große Rolle gespielt. Würde Schweden ihm nicht folgen, „wären wir das einzige Land im Ostseeraum außerhalb der Nato“. Was bedeuten würde, „dass wir in eine verwundbare Position geraten“. Schweden wolle deshalb gemeinsam mit Finnland einen Antrag auf Mitgliedschaft stellen. Und das „so schnell wie möglich“.

Es wird erwartet, dass beide Länder ihre Anträge noch in dieser Woche gemeinsam beim Nato-Hauptquartier in Brüssel abgeben werden. Schon zuletzt hatten die sozialdemokratischen Parteien, die mit Sanna Marin in Finnland und Magdalena Andersson in Schweden die Ministerpräsidentinnen stellen, ihre Schritte aufeinander abgestimmt. In Finnland hatten die Parteigremien am Samstag, in Schweden am Sonntag Ja zu einer Mitgliedschaft gesagt.

Abstimmungen im Parlament gelten als sicher

Für Montag sind im Reichstag in Helsinki und im Reichstag in Stockholm Sondersitzungen für Debatten und Abstimmungen anberaumt. In Finnland ist eine Zustimmung des Parlaments für einen Nato-Beitritt nicht erforderlich, weil laut Verfassung der Staatspräsident und der Außen- und Verteidigungspolitische Ministerausschuss zuständig sind.

Regierung und Staatspräsident Sauli Niinistö wünschten sich aber eine Abstimmung, „um alle Politiker in den Beschluss einzubeziehen“. Der formale Beschluss zur Einleitung von Beitrittsverhandlungen soll nach dieser Abstimmung gefasst werden.

In Schweden ist mit der Pro-Nato-Entscheidung der Sozialdemokraten die erforderliche Drei-Viertel-Mehrheit im Parlament sicher. Lediglich die Linkspartei und die Grünen kündigten an, gegen einen Beitritt zu stimmen. Einzelne Nein-Stimmen oder Enthaltungen sind allerdings auch bei den Ja-Parteien nicht auszuschließen. Vor allem bei den Sozialdemokraten hatte es bis zuletzt Widerstand gegen eine Nato-Mitgliedschaft gegeben.

Im südschwedischen Parteidistrikt Schonen blieb beispielsweise der Bürgermeister von Malmö bei seinem Nein. „Es ist für mich eine Selbstverständlichkeit, dass ich mein Land verteidigen würde und ich bin überzeugt, dass auch meine Kinder das tun sollen“, sagte Andreas Schönström. „Aber ich bin absolut nicht davon überzeugt, dass ich oder meine Kinder in eine Situation geraten wollen, wo wir ein Land wie Ungarn oder die Türkei gegen einen Angriff verteidigen müssen.“

Vorbehalte gegen Atomwaffen und Stützpunkte

Auch in Stockholm war Kritik laut geworden. Die ehemalige Distriktsvorsitzende und Ex-Reichstagsabgeordente Veronica Palm forderte: „Lasst uns wenigstens versuchen, so viel wie möglich von dem zu bewahren, was ein kleines allianzfreies Land wie Schweden erreichen konnte. Die Welt braucht das.“

Die Parteiführung nahm diese Kritik an, indem sie gleichzeitig zu ihrem Nato-Ja versprach, die Regierung werde sich dafür einsetzen, „dass Schweden, wenn der Antrag von der Nato genehmigt wird, einseitige Vorbehalte gegen die Stationierung von Atomwaffen und die Einrichtung dauerhafter Stützpunkte auf schwedischem Territorium äußern wird.“

Solche „Vorbehalte“ hätten womöglich nur begrenzte Wirkung, wie das Beispiel Norwegen zeigt. Auch dort galten ursprünglich entsprechende Vorbehalte gegen ausländische Militärbasen und Atomwaffen. Auf Druck der USA sind diese mittlerweile stark aufgeweicht worden. Es gibt feste Stützpunkte, in denen Militärmaterial für US-Truppen lagert und in den nordnorwegischen Häfen gehören britische und US-amerikanische Atom-U-Boote mit atomarer Bewaffnung an Bord zur Routine.

Forderung nach atomwaffenfreiem Schweden

Ein solches „Versprechen“ sei deshalb nicht ausreichend, kritisierte auch Schwedens größte Friedensorganisation, die Svenska Freds- och Skiljedomsföreningen. Wenn die Regierung es ernst meine, müsse Schweden neben einem gesetzlichen Verbot für Atomwaffen auf seinem Territorium auch das Atomwaffenverbot der Vereinten Nationen ratifizieren. „Die Entscheidung ist traurig und vorschnell und führt Schweden und die Welt in die falsche Richtung“, sagte Organisationsvorsitzende Agnes Hellström.

Bei den Sozialdemokraten kam Kritik am Ja-Votum unter anderem von den Jungsozialisten, den Sveriges Socialdemokratiska Ungdomsförbund (SSU). Statt einer Nato-Mitgliedschaft hätte ihr Verband lieber „ein Verteidigungsbündnis innerhalb der EU gesehen“, sagte die Vorsitzende Lisa Nåbo. „Die SSU fordert nun von der Regierung, dass sie für zukünftige Generationen ein atomwaffenfreies Schweden und eine atomwaffenfreie Zone im Norden garantiert.“

Umfragen zeigen, dass gerade Schwedens jüngere Generation eine Nato-Mitgliedschaft skeptisch sieht. 40 Prozent der unter 30-Jährigen befürworten diese – 10 Prozent weniger als in anderen Bevölkerungsgruppen.

Die Reaktion aus Moskau auf den Bescheid aus Stockholm war zunächst verhalten. Diese Nato-Erweiterung werde nicht zu mehr Sicherheit in Europa führen, erklärte laut der Nachrichtenagentur Ria-Novosti der Kreml-Sprecher Dmitrij Peskow: Einen möglichen Beitritt Finnlands und Schwedens sehe Russland nicht als existenzielle Bedrohung an.

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9 Kommentare

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  • Je schneller desto besser sollte die beiden Länder in die Nato.

    • RS
      Ria Sauter
      @Max Sterckxc:

      Das wird nicht so schnell funktionieren.



      Dafür fordert der türk. Machthaber die völlige Auslieferung der Kurden.



      Mal sehen was Werte in diesem Fall wert sind.

  • Nach Finland macht nun auch Schweden was es will und der Autor nicht will. Vielleicht sollte man/er anerkennen, dass Krieg herrscht und im Krieg Allianzen geschlossen werden? Oder wie sollen Schweden und Finland jetzt „neutral“ bleiben?

    Russland und auch die Ukraine zwingt Europa derzeit einen Krieg auf, den alle nicht wollen aber gleichzeitig nicht entgehen können/wollen.

    Diese Anti-NATO Rhetorik ist so sehr linke Mottenkiste: wenn die Arbeiter erst an der Macht sind, braucht es keine Kriege mehr. Wer es in dieser oder in angepasster, moderner Form glaubt, Bitteschön!

  • „Es ist für mich eine Selbstverständlichkeit, dass ich mein Land verteidigen würde und ich bin überzeugt, dass auch meine Kinder das tun sollen“, sagte Andreas Schönström. „Aber ich bin absolut nicht davon überzeugt, dass ich oder meine Kinder in eine Situation geraten wollen, wo wir ein Land wie Ungarn oder die Türkei gegen einen Angriff verteidigen müssen.“

    Ja klar. Wie es aussieht, wenn die eigenen Kräfte nicht ausreichen, das eigene Land zu veteidigen, sieht man gerade in der Ukraine. Zum Vergleich: Schweden hat knapp 15.000 aktive Soldaten, die Ukraine hatte vor Kriegsbeginn knapp 200.000.

    Glaube kaum, dass man im Verteidigungsfall Hilfe aus Ländern wie "Ungarn oder der Türkei" ablehnen würde. Zumal die Verkürzung auf diese 2 Staaten schon ziemlich billig ist.

    Es sicher auch andere Verteidigungsbündnisse als die NATO. Aber momentan wohl keins, das im Ernstfall einen atomar bewaffneten Agressor wie das Putin Regime wirklich abschrecken würde. Ein ernsthaft starkes europäisches Verteidigungsbündnis und damit weniger amerikanische Abhängigkeit ist bislang gründlich verschlafen wurden.

  • Hmm ich verstehe schon dass man nicht auf Atomwaffen und Basen der Amerikaner scharf ist. Sie sind zwar einerseits die starke Militärmacht innerhalb der Nato ohne die nur wenig geht. Doch gelegentlich werden Typen wie Trump Präsident. Das bringt für jedes Land US-Stützpunkten ein nur schwer kalkulierbares Risiko mit sich.

    • @sachmah:

      Wenn Mr. Trump wieder gewählt werden sollte, hätten nicht die Schweden bezgl. eventueller US-Basen ein Problem - dann hätte die NATO eins, und zwar ein massives. Die würde nämlich ggfs. ihr, wie Sie selbst sagen, stärkstes Mitglied verlieren. Lesen Sie mal die einschlägigen Berichte dazu. Die Klagen auch der Bundeswehr über ihren derzeitigen Zustand erscheinen dann noch mal in ganz anderem Licht.

    • @sachmah:

      Es gibt aber nicht automatisch US-Basen in jedem NATO-Staat.

    • @sachmah:

      Eben, Sie haben Recht. Das habe ich auch bezüglich der 100 Milliarden Euro Militär Etat gesagt.

      Die Nato belegt laut Sipri 54% der weltweiten Militäretats. Die Beitrittsforderungen waren abzusehen. Damit wächst die Prozentzahl in der Zukunft.

      Alle anderen Mächte teilen sich die weniger als 46 %, darunter auch größere Kaliber wie China oder Indien. Rußland hat nur einen kleinen Teil des übrigbleibenden Etats. Irgendwas unter 80 Milliarden. Z.T so niedrig dank Sanktionen, aber sowieso nur ein Zehntel des USA Budgets.

      Konventionell ist die Nato nicht von außen zu schlagen. Feinde können aber von Innen drohen. Kaliber wie Trump, das ist richtig. Oder Frankreich in 1-2 Wahlen. Oder Deutschland nach Wahlen.

    • RS
      Ria Sauter
      @sachmah:

      Nicht nur unter Trump.



      Unter dem Friedenspreisträger Obama wurden von Ramstein aus mehr Drohnen als je zuvor abgeschickt.



      Es wurden auch Zivilisten dadurch getötet.



      Das macht neben den Atomwaffen ein sehr mulmiges Gefühl hier in D.