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Energiepolitik der BundesregierungHohes Tempo auch fürs Falsche

Malte Kreutzfeldt
Kommentar von Malte Kreutzfeldt

Das Arbeitstempo des Gesetzgebers ist momentan rasant. Jedoch wird neben vielen wichtigen Vorhaben auch klimaschädlicher Unsinn umgesetzt.

Diesel-Zapfhahn in Lübeck Foto: Felix König/dpa

E s ist ein beachtliches Tempo, mit dem in Deutschland derzeit wichtige energiepolitische Entscheidungen fallen: Innerhalb weniger Wochen, teils sogar weniger Tage, werden Gesetze durch Kabinett, Bundestag und Bundesrat gepeitscht.

Das ist einerseits nachvollziehbar, denn viele Probleme dulden keinen Aufschub – etwa die Vorbereitung auf einen Stopp der russischen Gaslieferungen oder die Entlastung wegen der abrupt gestiegenen Energiepreise. Und auch bei der Energiewende ist es erfreulich, dass sich das Arbeitstempo des Wirtschaftsministeriums unter Robert Habeck gegenüber seinem Vorgänger Peter Altmaier gefühlt verzehnfacht hat.

Doch der große Zeitdruck macht es auch möglich, neben vielen hilfreichen Maßnahmen auch gefährlichen Unsinn zu beschließen, ohne dass es darüber im Vorfeld eine breite Debatte gibt. So sind zur Entlastung von den Energiekosten nicht nur sinnvolle Pauschalzahlungen an viele Bevölkerungsgruppen (mit Ausnahme der Rentner*innen) beschlossen worden – und mit dem 9-Euro-Ticket für den ÖPNV ein mutiges Experiment. Sondern auch der extrem fragwürdige Benzinpreisrabatt, der das Viel-Fahren mit fossil angetriebenen Fahrzeugen belohnt, die angestrebte Verringerung des Ölverbrauchs konterkariert, den Markt aushebelt und die Extra-Profite der Mineralölkonzerne weiter steigern dürfte.

Dass dieser Irrsinn im Bundestag sogar ohne Gegenstimmen beschlossen wurde, macht die Feigheit der Politik gegenüber der Autolobby leider extrem deutlich. Dazu passt auch, dass ein Tempolimit weiterhin nicht auf der Agenda steht, obwohl sich damit durchaus relevante Mengen an Rohölimporten einsparen ließen.

Fragwürdig ist auch das sogenannte LNG-Beschleunigungsgesetz, mit dem der Bau von Flüssiggas-Terminals an Nord- und Ostsee extrem beschleunigt werden soll. Denn es gilt nicht nur für vier schwimmende, temporäre Terminals, die wohl tatsächlich gebraucht werden, um ohne massive Wirtschaftsprobleme kurzfristig auf russisches Gas zu verzichten. Sondern es erleichtert auch den Bau von bis zu acht festen Terminals, die kurzfristig nicht helfen, aber langfristig den Klimazielen entgegenstehen.

Allerdings besteht in diesem Fall die Hoffnung, dass der Markt am Ende verhindert, dass die politischen Entscheidungen allzu schlimme Auswirkungen haben. Die Gaspreise dürften durch den Umstieg auf LNG weiter steigen, was den Verbrauch senken dürfte, so dass die neuen Terminals, sofern sie überhaupt gebaut werden, kaum ausgelastet sein dürften. Und auch der kurzfristige Benzinrabatt dürfte nichts daran ändern, dass jeder, der ein bisschen rechnen kann, so schnell wie möglich aufhört, ein Verbrenner-Fahrzeug zu fahren.

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Malte Kreutzfeldt
ehemaliger Redakteur
Jahrgang 1971, war bis September 2022 Korrespondent für Wirtschaft und Umwelt im Parlamentsbüro der taz. Er hat in Göttingen und Berkeley Biologie, Politik und Englisch studiert, sich dabei umweltpolitisch und globalisierungskritisch engagiert und später bei der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen in Kassel volontiert.   Für seine Aufdeckung der Rechenfehler von Lungenarzt Dr. Dieter Köhler wurde er 2019 vom Medium Magazin als Journalist des Jahres in der Kategorie Wissenschaft ausgezeichnet. Zudem erhielt er 2019 den Umwelt-Medienpreis der DUH in der Kategorie Print.
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10 Kommentare

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  • Die Frage ist auch, warum der Blick nur zu den Autofahrern geht und nicht auch Eisenbahnverkehrs-Unternehmen sowie Landesverkehrsgesellschaften mit einschließt, die widersinnigerweise mit Diesel unter Draht fahren (lassen).

    Das sind allein auf der Strecke Chemnitz - Leipzig jährlich rd. 630.000 km, die auf dem Abschnitt Leipzig-Geithain statt mit Siemens ER20 elektrisch betrieben bzw. bespannt geleistet werden könnten, wenn man das nur wollte.

  • "Hohes Tempo auch fürs Falsche "



    Irgendwie vermisse ich im Artikel die Aufführung des gigantischen Aufrüstungsplanes. Zumindest die Ausmaße sollten in obigen Zusammenhang kritisiert werden. Rüstung ist nicht gerade öko und Militär sonst auch nicht die tollste Sache. Vielleicht kann mensch das Militär aber zukünftig so besser gegen Klimaflüchtlinge einsetzen, so mensch weiter Klimaziele sabotiert - so womöglich der konsequente Zynismus der Besitzstandswahrer*innen.

  • Das Viel-Fahren mit fossil angetriebenen Fahrzeugen betrifft ja zum allergrößten Teil diejenigen die zur Arbeit wollen. Das jetzt negativ darzustellen zeigt leider eine gewisse Praxisfremdheit.

    • @Der Cleo Patra:

      Diejeingen, die mit ihren Fahrzeugen zur Arbeit fahren, erhalten die Pendlerpauschale.

      Wochenendausflüge mit Cabrio und anderen Statusobjekten inkl. Motorrädern, die noch in kleinen wie großen Gruppen im ländlichen Raum Lärm und schlechte Luft verbreiten, sind weiterhin unverändert am verbrennen.

      Brötchenholer, Kurzstreckenfahrer, Taximamas, da hat sich gefühlt nullkommanichts geändert.

      Wahrscheinlich sparen die Leute woanders und kaufen vermehrt beim Billigdiscounter, z.B. das Billigfleisch aus der Massentierhaltung etc.

    • G
      Gast
      @Der Cleo Patra:

      Wenn es doch nur für Fahrten zur Arbeit genutzt werden würde. Das ist wie die Pappbecher bei Back factory. 90% die dort sitzen wählen Pappbecher statt Tasse. Wenn es nicht das eigene Portemonnaie trifft ignorieren viele das Problem und machen weiter wie gehabt.

    • @Der Cleo Patra:

      Naja. Meine Nachbarn fahren hier die 250m bis zum Supermarkt mit dem Auto. Das ist deren Praxis trotz der Nähe.

  • "dass jeder, der ein bisschen rechnen kann, so schnell wie möglich aufhört, ein Verbrenner-Fahrzeug zu fahren"

    So ganz pauschal kann man das nicht sagen. Ich habe einen 20 Jahre alten Kompaktwagen mit Dieselmotor. Verbrauch: 5l/100km --> aktuell 10€ / 100km.



    Wer ein Elektroauto an öffentlichen Ladesäulen für 40-60 ct/kWh lädt ist von den Kosten her ebenfalls sehr schnell in diesem Bereich.

  • Stimme im wesentlichen zu, aber, "dass jeder, der ein bisschen rechnen kann, so schnell wie möglich aufhört, ein Verbrenner-Fahrzeug zu fahren.", ist mir ein wenig zu platt. Es lässt außer Acht, dass vielerorts die Ladeinfrastruktur noch nicht mal in Ansätzen vorhanden ist und deshalb viele Leute schlicht keine Möglichkeit haben, ein elektrisch betriebenes Fahrzeug zu nutzen.

    • @petermann:

      E-Autos sind ja nicht die einzige Alternative.