Ausmisten für ein neues Lebensgefühl: Ein Hoch auf Alman-Camouflage-Namen

Unser Autor macht dieses Jahr einen großangelegten Frühjahrsputz. Beim ausmisten und verschenken Begegnen ihm viele verschiedene Charaktere.

Zwei Kuckucksuhren hängen an einer Wand

Einige Möbelstücke passen irgendwann nicht mehr ins Lebensgefühl Foto: Patrick Wichmann/imago images

Diesmal ist der Frühjahrsputz üppiger ausgefallen. Einige Möbelstücke und Geräte mussten raus, sie passen einfach nicht mehr in mein Lebensgefühl – obwohl sie einwandfrei funktionieren. Das Minischlafsofa, das ich nie benutzt habe. Die viel zu kleine Singlespülmaschine, in die ich die großen Teller nur mit viel Akrobatik und Geduld platzieren konnte. Wegwerfen ging nicht, weil Greta Thunberg richtigliegt. Deswegen habe ich im Netz das meiste als „zu verschenken“ deklariert. Für die Spülmaschine wollte ich dann doch 80 Euro haben. Der Prophet Mohammed war schließlich Händler von Beruf. Fairer Handel ist also Halal-Kapitalismus.

Als Erstes kam eine ukrainische Familie vorbei. Ich hatte auf Englisch mit dem Sohn geschrieben. Sie nahmen das Sofa und einen Bürostuhl mit. Ein Familienmitglied komme vielleicht bald aus der Ukraine nach, und sie bräuchten mehr Möbel. Wir haben nicht viel gesprochen. Die Sachen in ihr Auto mit ukrainischem Kennzeichen gehievt und uns zum Abschied zugenickt. Pragmatisch, zielorientiert, respektvoll: Ich stehe der SPD für ihre Ukraine­politik gerne Rede und Antwort.

Einen Tag später erschien ein Studi, der glücklich war, nicht mehr per Hand abwaschen zu müssen. Er blickte mich skeptisch an und stellte sich mit den Worten vor: „Der Schlauch sieht so aus, als bräuchte er viel Muskelkraft. Ich mache das mal lieber.“ Er grinste dabei hinter seiner Maske, und ich habe ihn eingeladen, doch bitte gerne alles alleine zu machen. 15 Minuten schaute ich ihm zu, wie er verzweifelt mit einer Zange versuchte, die Spülmaschine von der Wasserzufuhr abzutrennen, und dabei sein Leben verfluchte. Die Muskeln brachten doch nicht das von ihm erhoffte Ergebnis, seine Männlichkeit zur Schau zu stellen. Für mich war es unglaublich unterhaltsam.

Der übermütige Studi brachte mich kurz auf andere Gedanken. Denn Verzweiflung machte sich bei mir breit, weil der Schrank, den ich unbedingt loswerden wollte, lange keine Ab­neh­me­r*in gefunden hat. Jemand hatte sich dreimal angekündigt und war dann doch nicht gekommen. Der wahre Charakter von Menschen zeigt sich in ihrem Umgang mit Unbekannten. Ich dachte, das wäre die Lektion dieses speziellen Frühjahrsputzes. Dann erreichte mich aber die erlösende Nachricht eines Users mit dem Namen Bill, er wolle sogar das hässliche rote Regal mitnehmen. Er könne jetzt gleich mit dem Transporter vorbeikommen. Ein Traum.

Kurz darauf war er da, ein groß gewachsener, nordafrikanisch aussehender Mann. Kräftig, mit Schirmmütze auf den schwarzen Locken und Siebentagebart. Er hieß nicht Bill, in Wahrheit ganz anders und sagte trocken, dass es einfacher sei, wenn man in Deutschland einen für Almans kompatiblen Namen benutze. Wir haben uns direkt gut verstanden, ich trage schließlich auf der Tauschplattform auch einen Alman-Camouflage-Namen. Ein Hoch auf die Bills dieser Welt.

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Mohamed Amjahid ist freier Journalist und Buchautor. Bei Twitter schreibt er unter dem Handle @mamjahid, bei Instagram @m_amjahid. Seine Bücher "Der weiße Fleck. Eine Anleitung zu antirassistischem Denken" und "Let's Talk About Sex, Habibi" sind bei Piper erschienen.

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