Lage in Mariupol: Gemetzel mit Ansage

In der ukrainischen Stadt Mariupol nimmt eine Tragödie unaufhaltsam ihren Lauf. Die Welt sieht zu – wohl nicht zum ­letzten Mal.

Luftaufnahme des Stahlwerks Asowstal

Rauch über dem Stahlwerk Asowstal in Mariupol am 19. April. Aufnahme aus einem Drohnenvideo Foto: Mariupol City Council/reuters

„Hilfe, holt uns hier raus!“ Dieser flehentliche Aufruf eines ukrai­ni­schen Marinekommandeurs auf Facebook an die internationale Öffentlichkeit umschreibt das Grauen, das sich seit Wochen in Mariupol abspielt.

Die unerbittliche Schlacht, die die Hafenstadt in eine Ruinenlandschaft verwandelt und Zehntausende Menschen das Leben gekostet hat, geht in ihre finale Phase. Es ist wohl nur noch eine Frage von Tagen, wenn nicht gar Stunden, bis russische Truppen mit dem Stahlwerk Asowstal die letzte Bastion erobert haben werden. Oder um im Moskauer Sprachduktus zu bleiben: Die Maulwürfe ausräuchern und dann aus ihren Löchern treiben.

Die „Maulwürfe“, das sind auch rund 1.000 Frauen, Kinder und alte Menschen, die in der Fabrik unter unmenschlichen Bedingungen ausharren. Die Öffnung von humanitären Korridoren wäre die einzige Möglichkeit, um wenigstens diese Leben zu retten.

Doch ebendiese „humanitären Korridore“ sind es, die ihren Namen nicht verdienen – in einem russischen Vernichtungskrieg, in dem jedes auch noch so kleine Fünkchen Menschlichkeit schon längst abhanden gekommen ist. Die Anzahl der Versuche, Einwoh­ne­r*in­nen aus Mariupol zu evakuieren, sind kaum noch zu zählen. Dafür wurden Zi­vi­lis­t*in­nen immer wieder Ziel von russischen Angriffen.

Wer garantiert ihnen, dass das jetzt anders sein sollte? Im „besten“ Fall werden die Menschen in den besetzten Donbass oder gleich ganz nach Russland zwangsdeportiert. Ebenso realistisch ist allerdings auch, dass sie gleich an Ort und Stelle niedergemetzelt werden.

Und die Soldaten – warum sollten die sich ergeben? Sie alle haben ohnehin ihren sicheren Tod vor Augen. So zynisch es klingt: Sie werden den Kampf in die Länge ziehen und mit dieser Verzweiflungstat, die russische Truppen in Mariupol aufhält, versuchen, den Kampf ihrer Kameraden an anderen Abschnitten der Front zu unterstützen. Derweil nimmt diese absehbare Tragödie unaufhaltsam ihren Lauf. Die Welt sieht zu – und das wohl nicht zum ­letzten Mal.

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Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.

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