Frankreichs Murdoch ist eine Gefahr: Bolloré fördert Rechtsextreme

Der Milliardär Vincent Bolloré wühlt die französische Medienlandschaft auf. Eine innere Pressefreiheit ist in seinen Medien nicht zu finden.

vincent Bollore in einer tradionellen Uniform, im Hintergrund Kirchenvertreter

Vincent Bolloré feiert das 2oojährige Firmenjübiläum in bretonischer Tracht in der Kapelle in Kerdevot Foto: Lionel Le Saux/picture alliance

Bei der französischen Präsidentschaftswahl haben am 10. April 2022 im ersten Wahlgang, also wenn am stärksten nach persönlicher Präferenz abgestimmt wird, Rechtsradikale fast ein Drittel der Stimmen bekommen: Marine Le Pen mit 23,15 Prozent als Kandidatin einer Partei und Eric Zemmour mit 7,07 Prozent als Kandidat eines Medienkonzerns.

Der nach der Familie Bolloré, seinem Mehrheitsaktionär, benannte und de facto von Vincent Bolloré geführte börsennotierte Mischkonzern ist in den letzten 15 Jahren einer der wichtigsten Akteure in Frankreichs Medienlandschaft geworden und erinnert stark an Rupert Murdoch und dessen News Corp.

Bolloré ist seit 2015 Hauptaktionär des Medienkonzerns Vivendi. Ihm unterstehen somit die Gruppe Canal Plus mit Bezahlsendern und den Sendern CNews und C8. 2021 hat er Prisma Media, Frankreichs größten Zeitschriftenverlag, übernommen.

Als Hauptaktionär der Mediengruppe Lagardère, für die er gerade ein Übernahmeangebot machte, hat er seit 2021 das Sagen beim Radiosender Europe 1, dem auflagenstarken Magazin Paris Match und dem Sonntagsblatt Journal du Dimanche (JDD). Dazu kommt eine Werbegruppe.

Der 3. Mai wurde 1993 von der UN-Vollversammlung zum Welttag der Pressefreiheit erklärt. Die taz panter stiftung hat aus diesem Anlass gemeinsam mit Reporter ohne Grenzen eine Beilage für die taz erstellt. Wir blicken auf die Lage der Presse in Russland und Kuba, in Frankreich und Myanmar, in Afghanistan, im Irak und in der Türkei. Aber wir schauen auch auf den Journalismus in Deutschland in Zeiten von Crowdfunding und Fake News. Und wir fragen Günter Wallraff, warum er sich für den Wikileaks-Gründer Julian Assange einsetzt.

Alle Texte erscheinen online unter taz.de/pressefreiheit

Konzentrationsprozess und Monopolbildung

Über Vivendi kontrolliert er auch Editis, Frankreichs zweitwichtigste Verlagsgruppe. Nun soll diese nach der Übernahme von Lagardère eine der weltweit wichtigsten Verlagsgruppen, nämlich Hachette, übernehmen.

Der dann entstehende Riese würde 100 Verlage mit einem Marktanteil von 56 Prozent kontrollieren, dadurch etwa 74 Prozent des französischen Schulbuchmarktes und 65 Prozent der Taschenbücher. Dass die Europäische Kommission die Fusion in dieser Form durchwinkt, ist jedoch unwahrscheinlich.

Inhalt und Diversität des Angebotes sind durch diese horizontale und vertikale Konzentration gefährdet. Was genau hat Bolloré mit diesen Unternehmen vor? Sollen sie zu Zemmour-kompatiblen Contentproduzenten getrimmt werden?

Der Kolumnist und Polemiker Zemmour, verurteilt wegen Aufrufs zum Hass, ist ein Star des Low-Cost-Nachrichtensenders CNews, dessen Quote dank ihm wächst: Zuweilen erreicht die Talkshow „Face à l’info“ mehr als 5 Prozent.

Da wettert Zemmour gegen seine Lieblingsfeindbilder: Islam, „Bevölkerungsaustausch“, angeblich zu einem Bürgerkrieg führende (Ausländer-)Kriminalität, vermeintliche Cancel Culture usw. Auf CNews hat er die Grenzen des Sagbaren im öffentlichen Diskurs verschoben – im Vergleich zu ihm klingt Le Pen gemäßigt.

Was will Boloré?

Auf CNews hat sich Zemmour zum Anführer einer „Rückeroberung“ („RECONQUÊTE!“, seine 2021 gegründete Partei) stilisiert. Auf CNews hat er sein Programm entwickelt. Zu CNews hat ihn Bolloré selbst gerufen.

Geht es Bolloré dabei nur um Quote? Er tritt zwar als rein profitorientierter Unternehmer auf und gilt als Kostenkiller. Bekannt ist aber auch, dass in den Redaktionen seines Konzerns Terror herrscht. Innere Pressefreiheit gibt es in Bollorés Medien nicht, die kleinste Kritik an der redaktionellen oder politischen Linie führt zur Entlassung.

Dies hat das Personal von i-Télé erlebt, aus dem 2017 CNews enstand. Der Sender wurde somit zum Labor der „méthode Bolloré“. Bei den neulich übernommen Medien ging es ganz schnell: Der als Macronist eingestufte Redaktionsleiter von Paris Match und des JDD wurde sofort geschasst, beim Radio Europe 1 wurden selbst sehr bekannte Mo­de­ra­to­r*in­nen durch Personal aus CNews ersetzt.

Industrielle in Frankreichs Medien

Eine von Reporter ohne Grenzen produzierte Videoreihe gibt Einblicke in das „Système B“ und in eine regelrechte Flucht aus seinen Medien. Bolloré beteuerte zwar vor einem Ausschuss des Senats, er sei nur von wirtschaftlichen Interessen geleitet („Ich habe nie Politik betrieben, werde es auch nie tun“).

Doch muss er als politischer Überzeugungstäter betrachtet werden. Mehr als in anderen Konzernen sind seine Medien von redaktionellen Eingriffen bedroht – dazu noch von einer CNews-ierung in Programm und politischer Ausrichtung.

Stärker als andere Industrielle beeinflusst Bolloré die Berichterstattung in seinen Medien im eigenen Interesse und wehrt sich juristisch gegen Berichterstattung über ihn. Das erzeugt erheblichen Druck auf investigative Medien: So stand der Journalist Tristan Waleckx allein wegen einer Doku über Bolloré sechsmal vor Gericht.

Nun gibt es in Frankreich eine Reihe branchenfremder Industrieller, die in Medien investiert haben, wie Bernard Arnault (Luxuskonzern LVMH), den Rüstungskonzern Dassault, Xavier Niel (Telekommunikation) und die weltweit tätige Baugesellschaft Bouygues.

Weder ihre Macht noch ihre Verflechtung mit der Staatsmacht und Politik dürfen unterschätzt werden. Auch deswegen steht Frankreich in der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen nur auf Rang 34.

Gefährdung der Qualität der Berichterstattung

All diese in den Medien aktiven Industriellen gefährden jeder für sich und alle zusammen die Qualität der Berichterstattung und der Informationsfreiheit in Frankreich. Nicht nur­ Jour­na­lis­t*in­nen warnen schon lange vor dieser Gefahr für die Demokratie und nun noch mehr vor Bollorés Eingriffen.

Die Kritik wird immer lauter, etwa seitens des Kollektivs Stoppons Bolloré!, von Reporter ohne Grenzen oder von der Ökonomin Julia Cagé, die dem Kampf gegen Bolloré ein Buch gewidmet hat. Alle haben Vorschläge zur Wahrung des Pluralismus und zur Begrenzung der Medienkonzentration gemacht.

Im Senat befasste sich ein Ausschuss damit und lud die Chefs verschiedener Medienkonzerne vor. Doch letztlich wurden nur unverbindliche Maßnahmen zur Förderung der Redaktionsfreiheit empfohlen. Von der Legislative ist also nichts zu erwarten. Und vom Staatspräsidenten Emmanuel Macron noch weniger.

Macron und die Medienmagnate

An Macron lässt sich die schon von Nicolas Sarkozy praktizierte Verstrickung von Politik und privaten Medien beobachten, von der beide Seiten profitieren. Als früherer Investmentbanker und Wirtschaftsminister kennt Macron alle Medienmagnaten. Auf Bernard Arnault oder Xavier Niel kann er zählen, und bei manchen schwerwiegenden Deals mischt er auch diskret mit.

So soll er 2021 die geplante Megafusion der Fernsehgruppe TF1 (Hauptaktionär: Bouygues) und der Groupe M6 (einst im Besitz von Bertelsmann) hinter den Kulissen unterstützt haben. Von Konzentrationsbeschränkung kann keine Rede sein. Der Zweck soll dabei gewesen sein, M6 vor einer Übernahme durch Bolloré zu schützen – im Hinblick auf den kommenden Wahlkampf. Warum bloß?

Das Verhältnis Macrons zu Bolloré und dessen Medien stand lange unter dem Zeichen einer „Koopetition“ und einer Doppelstrategie. Dass CNews rechtsextreme Thesen verbreitet, kam Macron nicht ungelegen.

2017 wurde er ja von linken oder gemäßigt rechten Wählern als Damm gegen Marine Le Pen und Rechtsextremismus gewählt. Um dieses Image aufrechtzuerhalten, brauchte er dieses Feindbild weiterhin. Nun bot CNews mit Zemmour eben einem sehr lauten Verfechter rechtsradikaler Thesen eine Bühne, von dem sich Macron wenn nötig distanzieren konnte.

Bollorés CNews als wichtiger Akteur im Wahlkampf

„En même temps“, wie er gerne sagt, ist Macrons Politik etwa in Sachen innere Sicherheit oder des Islams immer mehr nach rechts gedriftet, und auch da brauchte er CNews – jetzt, um rechte Wähler anzusprechen und den Rechten den Wind aus den Segeln zu nehmen.

Allerdings musste Macron am 24. April in die Stichwahl gegen Marine Le Pen, dieses Mal zugleich als Gegner jedes Extremismus und als Verteidiger der kleinen Leute. Für Letzteres bot sich CNews erneut an, und da buhlte nun auch Innenminister Gérald Darmanin um jene, die im ersten Wahlgang für Le Pen gestimmt hatten. So ist CNews zweifellos zu dem wichtigen Akteur des Wahlkampfs geworden, der Bolloré offenbar vorschwebte.

Die Autorin ist Dozentin für Deutschland-Studien an der Université Sorbonne Nouvelle in Paris, lehrt und forscht zu Mediensystemen in Deutschland und Frankreich und leitet den deutsch-französischen Studiengang „Transnationaler Journalismus“.

Dieser Text ist Teil einer Beilage der taz Panter Stiftung und von Reporter ohne Grenzen in der taz vom 3. Mai 2022, dem Internationalen Tag der Pressefreiheit.

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