Bundestagsdebatte zur Corona-Impfpflicht: Fünf Anträge und keine Mehrheit

Am Donnerstag hat der Bundestag über eine allgemeine Impfpflicht diskutiert. Selbst innerhalb der Fraktionen gab es harte Fronten.

Karl Lauterbach mit Maske

Gesundheitsminister Karl Lauterbach am Donnerstag im Bundestag Foto: Annegret Hilse/reuters

BERLIN taz | Selbst innerhalb der Fraktionen zeigten sich harte Fronten, als der Bundestag am Donnerstag über eine allgemeine Impfpflicht diskutierte. Dabei ging es nicht nur um ein Ja oder Nein zur Impfpflicht, sondern auch um das Wie und „ab welchem Alter“.

Insgesamt liegen fünf Anträge vor, von denen zwei konkrete Impfpflichten fordern. Das Parlament stimmte allerdings noch nicht ab – das soll in der ersten Aprilwoche folgen. Für welchen der Anträge sich dann eine Mehrheit findet, blieb nach der Debatte am Donnerstag noch offen.

Die bisher größte Unterstützung kann der Antrag für eine Impfpflicht ab 18 verzeichnen. 236 Abgeordnete stünden aktuell dahinter, sagte die SPD-Gesundheitspolitikerin Heike Baehrens. Sie argumentierte dafür, dass eine breite Grund­im­mu­nisierung das Gesundheitssystem zukünftig davor schütze, bei Coronawellen zu überlasten.

Gesundheitsminister Karl Lauterbach, der zu den Unterstützern gehört, sagte: Mit der Impfpflicht könne die Pandemie in Deutschland enden. Ansonsten werde die Lage im Herbst wieder schlimmer, da unklar sei, wie sich das Coronavirus entwickle. Bisher sind etwa 76 Prozent der Menschen in Deutschland geimpft. Doch zurzeit kommen nur noch wenige hinzu.

Gysi: Impfbereitschaft statt Pflicht

FDP-Politikerin Katrin Helling-Plahr unterstützt den Antrag ebenfalls: Eine Impfpflicht bedeute Freiheit von Maßnahmen im Herbst. Kathrin Vogler (Linke) sprach sich auch für die Impfpflicht ab 18 aus und hob in ihrer Rede besonders die Gefahr von Long-Covid hervor. Nur wer sich nicht infiziere, sei davor geschützt – und die Impfung wirke präventiv.

Ihr Parteikollege Gregor Gysi gab hingegen zu bedenken, es sei nicht klar, wie die Gesundheitsämter eine Impfpflicht durchsetzen sollten: „Ein Gesetz, das man nicht durchsetzen kann, darf man auch nicht beschließen.“ Darum unterstütze er gemeinsam mit FDP-Vize Wolfgang Kubicki und 48 weiteren den fraktionsübergreifenden Antrag, der die Impfbereitschaft ohne Pflicht erhöhen will.

Für die CDU/CSU-Fraktion, deren 197 Mitglieder einen eigenen Antrag einbrachten, kritisierte Tino Sorge, es fehle eine „ordentliche Datengrundlage“. Deshalb schlägt seine Fraktion ein sogenanntes Impfregister vor.

Seine Fraktionskollegin Simone Borchardt warf zudem ein, zurzeit verliefen Erkrankungen nicht schwer; eine Impfpflicht halte sie aktuell nicht für zielführend. Auch wenn jede Impfung vor schweren Verläufen schützen könne, solle die Regierung eine Impfpflicht nur vorbereiten, die aktuelle Situation im Auge behalten und „im Fall der Fälle einen Impfpflichtmechanismus“ aktivieren, wenn es verhältnismäßig sei. Der Unionsvorschlag sei ein Kompromiss.

Paula Piechotta (Grüne) bezeichnete den von ihr mit ausgearbeiteten Entwurf einer Impfpflicht ab 50 ebenfalls als Kompromiss. Demnach sollen Ungeimpfte verpflichtend aufgeklärt werden, um Ängste abzubauen und zu einer freiwilligen Impfung zu führen.

AfD reißt Zahlen aus dem Kontext

Erst wenn das nicht funktionieren sollte, soll die Regierung eine Impfpflicht einführen und auch dann nur für Menschen ab 50 Jahren, weil Corona sie besonders gefährdet. „Wir wollen vor allem die Impflücke bei Vulnerablen schließen“, erklärte Andrew Ullmann (FDP), der den Antrag ebenso unterstützt.

Die AfD positionierte sich jedoch gegen eine allgemeine Impfpflicht und forderte, die einrichtungsbezogene Impfpflicht zurückzunehmen, die seit diesem Mittwoch greift.

In der Debatte fiel die AfD vor allem durch Lautstärke während anderer Beiträge auf. Vor allem während der Rede von Emilia Fester (Grüne) waren Rufe wie „lächerlich“ aus der Fraktionsgruppe zu hören.

In ihren eigenen Beiträgen brachte die Rechtsaußen-Partei hingegen kaum Argumente zustande. Sie bezog sich auf vor allem zusammenhangslose Zahlen, wie auf umstrittene Daten der BKK, die beispielsweise der Vorsitzende des Virchowbunds niedergelassener Ärz­t*in­nen, Dirk Heinrich, gegenüber der Süddeutschen Zeitung als „völliger Unfug“ bezeichnete.

Ein anderes Beispiel: Da in den Pandemiejahren weniger Pa­ti­en­t*in­nen in Krankenhäusern waren als 2019, könne das Gesundheitssystem nicht ausgelastet sein. Wie unterschiedlich der Arbeitsaufwand pro Pa­ti­en­t*in in Krankenhäusern ist, übergeht die AfD dabei völlig.

Der FDP-Politiker und Mediziner Herbert Wollmann kritisierte in seiner Rede mit Blick auf die AfD: „was ich gestern und heute an medizinischem Unsinn gehört habe, ist hanebüchen.“ Er sei für eine Impfpflicht ab 50 Jahren, um eine Überlastung der Kliniken wie im Winter 2020 zu verhindern.

Die Unionsmitglieder kritisierten in ihren Redebeiträgen außerdem „die Zerrissenheit der Regierung“, wie es Günter Krings (CDU) nannte. Die zeige sich auch beim Infektionsschutzgesetz, über das der Bundestag am Freitagmorgen abstimmt.

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