Nord Stream 2 wird zur Herberge: Dream Big!

Aus der Pipeline Nord Stream 2 könnte eine internationale Jugendherberge werden, findet Architekt Benedikt Hartl. taz zwei hat da noch ein paar mehr Ideen.

Architekturzeichnung

„Nord Stream 3“: Architekt Hartl und sein @oppositeoffice haben da eine Idee für ein Röhrenhotel Foto: Benedikt Hartl/Opposite Office

Der Münchner Architekt Benedikt Hartl ist bekannt für utopische Entwürfe. Hartl und sein Architekturbüro Opposite Office intervenieren gerne mit bestechend logischen Bauplänen ins Weltgeschehen. Sie haben schon den Buckingham-Palast als sozialen Wohnungsbau vorgeschlagen und den Berliner Flughafen BER als Corona­kran­ken­haus. Neueste Idee: aus Nord Stream 2 eine Jugendherberge machen. „Nord Stream 3“ nennt der Architekt seinen Entwurf.

Wegen des russischen Einmarsches in die Ukraine wurde das Genehmigungsverfahren für die Erdgaspipeline gestoppt. Hartls Team hat sich von japanischer Architektur inspirieren lassen. Anstatt einen fossilen Brennstoff zu transportieren, der längst überholt sein sollte und der außerdem nun zu einer ganz anderen Art Brennstoff geworden ist, wäre das „Nord Stream Hotel“ ein Ort der Begegnung und Verständigung für Europa.

Der Spiegel nennt Hartls utopische Entwürfe „völlig unrealistisch“, was nicht stimmt. Denn jeder einzelne wäre umsetzbar, und zwar vermutlich einfacher als manches reale Prestigeprojekt. In der Regel ist die vorgeschlagene Nutzung des Raums sinnvoller, wirtschaftlich logischer und humaner als die gegenwärtige. Das ist die Funktion utopischen Denkens: Nicht unbedingt der Entwurf an sich ist entscheidend, sondern dass wir uns zu fragen beginnen, was uns an seiner Umsetzung eigentlich hindert. Utopien machen uns Knackse im Kopf, die lebensnotwendig sind.

Der Spiegel, ganz feierlich, stellt die offene Frage, „ob so viel Phantasie erlaubt ist in einer Zeit, da Millionen Menschen einen echten Zufluchtsort brauchen“. Das reale Leid mitzubedenken mag redlich sein – aber ob je nach Weltlage unterschiedlich viel Fantasie erlaubt ist, steht hoffentlich nicht zur Debatte. Deswegen schicken wir, mit Gruß nach München und zum Planeten Erde, ein paar unserer eigenen Utopien hinterher. Völlig unrealistisch? Entscheiden Sie selbst!

Willkommenes Zuhause

Die kleinste Wohnung allein ist 100 Quadratmeter groß, liegt zentral und ist super angebunden. Die übrigen Wohnungen im Komplex sind größer. Und das Ganze ist sogar erschwinglich. So könnte es in Großstädten aussehen, würde man sich auf der Suche nach bezahlbarem Wohnraum, statt Grünflächen zu bebauen, für die naheliegendste Lösung entscheiden: Shoppingzentren.

Shopping-Malls ermöglichen vollkommen neue Wohnkonzepte. Zu jeder Wohnung gibt es nicht nur genügend sichere Stellplätze für Fahrräder, Gemeinschaftsräume und eine Dachterrasse – sondern auch ausreichend breite Flure für ältere und gehbehinderte Menschen. Unzählige unnötige Malls gibt es, die kostbaren Platz wegnehmen. Warum nicht statt H&M und Media Markt Generationen-WGs? Bodentiefe Fenster in die geschmacklosen Fassaden setzen. Mit der Rolltreppe kann man Nach­ba­r:in­nen besuchen.

Die Kinder spielen im ersten Geschoss, während sich Ältere zum Tischtennis oder Entspannen in den oberen Stockwerken treffen. Statt wie bislang überteuerte Schrebergärten zu pachten, lassen sich die Zucchini auf der Dachterrasse anbauen. Sonnenliegen, ein Pool und ein Bolzplatz sollten auch dabei sein.

Carolina Schwarz

Bis zum Horizont

Auf jeder Seite ein breiter Grünstreifen. Schatten spendende Wäldchen wechseln sich ab mit Sitzecken, Liegewiesen, Picknick- und Grillplätzen. Dazwischen die Fahrbahnen: vier Spuren in jede Richtung; nur für Fahrräder und andere Nichtverbrenner! Und das Ganze bis zum Horizont. So könnten die über 13.000 Kilometer deutsche Autobahn verwendet werden, wenn sie nicht mehr für den Autoverkehr gebraucht werden.

Autobahnen sind ab 30 Meter breit und geben das locker her, ohne dass man sich mit verschiedenen Radel­tempos in die Quere kommt. Die Aussicht ist grandios, weil die Schallschutzwände längst abgebaut sind. Regelmäßige Ladestellen, Raststätten, Verleihstationen und Werkstätten schmiegen sich an die Radbahnen. Hier können die Fah­re­r*in­nen ihre E-Bikes, E-Roller oder E-Rollstühle auftanken und sich selbst gleich mit. Radhotels gibt’s in den anliegenden Ortschaften.

Auch die etwas gemütlicheren Be­woh­ne­r*in­nen von Utopia schaffen es so in ihren sechs Monaten Jahresurlaub locker einmal von der Küste in die Alpen und einmal von der Oder an den Rhein. Genießen Sie die frische Luft und die Ruhe und lassen Sie sich treiben. Denn selbstverständlich gilt auf der Radbahn: Tempolimit.

Peter Weissenburger

Auf ins Humbug-Forum!

Die Mitte der Hauptstadt denen geben, die während der Pandemie viel zu oft zurückstecken mussten: den Kindern. Im ehemaligen Humboldt-Forum bauen wir einen Riesenspielplatz. Dort können sie all die angesammelte Energie loswerden. Oberste Etage: ein riesiges Bällebad.

Wenn gelüftet wird, können Bälle schon mal auf die Straße fallen, es entwickeln sich spontane Fußballspiele auf Beton und Wurfturniere am Fluss. Zweites Obergeschoss: eine Lasertag-Arena, wo auch größere Kids sich austoben können. Der erste Stock teilt sich in drei Räume: in Indoorspielplatz, einen Computerspielebereich und einen Brettspiele- und Puzzleraum. Das Humboldt-Forum als ethnologisches Museum wird ja nicht mehr gebraucht, wenn die Raubkunst zurückgegeben worden ist. Wie könnte man die 30.000 Quadratmeter besser umnutzen?

Das Gebäude abzureißen, wäre für die CO2-Bilanz schlecht. Im Erdgeschoss, dort wo es schon Restaurants und Shops gibt, werden die besten Kartoffeln mit Würstchen der Stadt serviert. Und es gibt nur eine Regel: Alles muss mit den Händen gegessen werden. Der Keller wird zur Schwarzlicht-Minigolfanlage umgebaut. dort, wo jetzt Rolltreppen sind, werden Riesenrutschen installiert.

Nicole Opitz

Plansch­beckle21

In Utopia haben wir kapiert: Wir brauchen keinen Milliarden teuren Hightech-Bahnhof. In Utopia haben wir ein perfekt ausgebautes Netz des öffentlichen Nahverkehrs, machen Konferenzen im Homeoffice, pendeln nicht mehr ständig gehetzt, sondern lassen uns in der Freizeit entspannt unendliche Radwege entlangrollen.

Deswegen können wir das phänomenal große Loch mitten im alten Stuttgarter Bahnhof, das wir für Stuttgart 21 ausgehoben haben, jetzt fabelhaft für die Gemeinschaft umnutzen. Wir füllen es mit Wasser, an die eine Seite kommt ein Sprungbrett, drumherum stehen bunte Liegestühle. Die vor Jahren für die Großbaustelle gefällten Bäume werden ersetzt und finden um den Pool herum ihren Platz und sorgen für Abkühlung – ebenso die große Bar, die Cocktails serviert oder Hofbräu für die eingefleischten Stuttgart-Fans, frisch gezapft.

Im Winter wird die Fläche zur Eisfläche umfunktioniert und die Bierfässer werden mit Glühwein und Punsch gefüllt. Ob in der Mittagspause, nach der Arbeit oder als kurzes Intermezzo vor der Zugreise, endlich hätte der Stuttgarter Bahnhof etwas, was ihn wirklich attraktiv macht. Wer würde noch unterirdische Züge vermissen?

Malaika Rivuzumwami

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.