Konflikt zwischen Russland und Ukraine: Die Auferstehung

Nach Jahren treffen sich die Regierungschefs von Deutschland, Polen und Frankreich wieder zum Weimarer Dreieck. Das Ziel: Krieg verhindern.

Drei Männer laufen hintereinander

Separat reisen, gemeinsam auftreten: das neue Motto von Scholz, Macron und Duda Foto: Hannibal Hanschke/ap

BERLIN taz | Dass es ausgerechnet die derzeit größte Krise in Europa ist, die Deutschland, Frankreich und Polen erstmals seit Jahren wieder im Trilog zusammenbringt – wer hätte das gedacht. Am Dienstagabend trafen sich der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz, Polens Präsident Andrzej Duda und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron im Berliner Kanzleramt im Rahmen des sogenannten Weimarer Dreiecks. Es war das erste Treffen auf dieser Ebene seit elf Jahren.

Dass Gastgeber Scholz es als ein „bisschen historisch“ bezeichnete, kann man als hanseatisches Understatement verbuchen. Denn das Dreieck, welches vor über 30 Jahren als ambitioniertes Gesprächsformat für ein neues Europa gegründet worden war, führte in den letzten Jahren nur noch ein Dasein als Relikt.

Nun also die Wiederbelebung, und was für eine: Scholz, Macron und Duda, alle drei stellten das gemeinsame Ziel in den Vordergrund: einen Krieg in Europa zu verhindern. Angesichts eines Aufmarsches von 100.000 russischen Soldaten an der russisch-ukrainischen Grenze, dem immer fordernder vorgetragenen Wunsch der Ukraine nach Waffenlieferungen aus Deutschland, amerikanischen Truppenverstärkungen in Polen und schriller werdenden Tönen auf allen Seiten keine Selbstverständlichkeit mehr.

Dennoch betonte vor allem Macron, der am Tag zuvor fünf Stunden mit Putin zusammengesessen hatte: „Dialog und Verantwortung sind der einzige Weg, den Frieden sicherzustellen.“

Demonstrative Einigkeit

Macron war von Osten angereist, hatte am Dienstag noch Gespräche mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodomir Selenski geführt und versucht Russlands Präsidenten Wladimir Putin Zugeständnisse abzuverhandeln. Letzteres leider vergeblich. Scholz kam von Westen, hatte noch die mahnenden Grußbotschaften von US-Präsident Joe Biden im Ohr, der keinen Zweifel daran gelassen hatte, dass Nordstream 2 tot sei, sollte Russland in die Ukraine einmarschieren. Duda kam aus Brüssel – wo es einerseits um die Ukraine, aber mehr noch um die polnischen Strafzahlungen wegen der andauernden Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit ging.

Separat reisen, gemeinsam handeln, war dennoch das gemeinsame Motto, auf welches alle drei sich im Kanzleramt beriefen. Dass Macron und Scholz Polen an ihrem Austausch über ihre jeweiligen Gespräche diesseits und jenseits des Atlantik teilhaben ließen, war nicht nur ein Zeichen von Vertrauen, sondern auch der Wunsch, den rechtskonservativ regierten Nachbarn wieder mit ins Boot zu holen.

Denn die gemeinsame Botschaft lautet: Wir lassen uns nicht auseinander dividieren. Alle drei betonten unsiono, in welch engem Austausch man permanent stehe. Das Signal, vor allem gegenüber Russland, ist klar: Die so oft als zerstritten wahrgenommene EU ist sich diesmal einig und will geschlossen handeln.

Auch das ist überhaupt nicht selbstverständlich. Sowohl Frankreich als auch Deutschland hatten seit dem Amtsantritt der PiS-Partei, Recht und Gerechtigkeit, ihre Schwierigkeiten mit Polen. Die nationalkonservative Regierung in Warschau hatte einen Deal mit Frankreich über Kampfhubschrauber platzen lassen und arbeitet sich, wann immer es innenpolitische Schwierigkeiten gibt, am deutschen Feindbild ab, inklusive Nazi-Vergleiche. Für PiS-Medien zählt Scholz zum „linken Lumpenpack“ und gilt als „Putin-Versteher“.

Oberstes Ziel: Krieg verhindern

Gerade hat das polnische Parlament, der Sejm, ein Gesetz verabschiedet, welches den Deutschunterricht für die deutsche Minderheit drastisch kürzt, mit der Begründung, das deutsche Bundesbildungsministerium tue das Gleiche ja bei den in Deutschland lebenden Polen. Eine glatte Lüge.

Trotz des gemeinsamen Auftritts im Kanzleramt wurden auch die Unterschiede deutlich: Während Duda das Nicht-Nato-Land Ukraine als Verbündeten bezeichnete und darauf pochte, dass man einen Verbündeten auch aus Furcht vor einem Krieg nicht im Stich lassen dürfe, brachte Macron die russische Perspektive mit ins Spiel: Elemente von Sicherheitsgarantien müssten als Ansätze weiterverfolgt werden.

Doch der Wunsch, als Europäer zusammenzustehen und einen Krieg vor der Haustür zu verhindern, überwog. In einer gemeinsamen Abschlusserklärung aller drei Staats- und Regierungschefs tauchen die Schlüsselwörter auf: Sicherheit, Dialog mit Russland, aber auch massive Konsequenzen. Das Weimarer Dreieck will weitermachen und sich dafür einsetzen, „die Sicherheit und Stabilität in der Region und die territoriale Integrität und Souveränität der Ukraine aufrechtzuerhalten.“

Wenn es mit Hilfe eines totgeglaubten Formats für das neue Europa gelänge, den Frieden im alten Europa zu sichern, wäre das ein Erfolg.

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