Urteil zu Infos über Wolfsabschüsse: Geheimhaltung geht nur teilweise

Die niedersächsische Landesregierung muss mehr Informationen über die Wolfsjagd herausrücken. Das ist ein Teilerfolg für die Grünen.

Ein Wolf auf einer Wiese.

Für manche Freund, für andere Feind: der Wolf in Niedersachsen Foto: Julian Stratenschulte/dpa

HANNOVER taz | Am Ende beeilen sich natürlich beide Seiten zu versichern, dass sie sich durch den Niedersächsischen Staatsgerichtshof in Bückeburg voll bestätigt fühlen. Geklagt hatten dort die Grünen, die sich durch die rigide Geheimhaltungspolitik der Landesregierung bei den Wolfsabschüssen in ihren Grundrechten als Abgeordnete verletzt sahen.

Wurden sie auch, sagt der Staatsgerichtshof, zumindest teilweise. Die Landesregierung sei mit ihrer Auskunftsverweigerung zu weit gegangen. Zwar habe sie vollkommen zu Recht alle Informationen verweigert, die Rückschlüsse darauf zulassen, welcher Weidetierhalter, Jäger oder sonstiger Behördenmitarbeiter mit einer bestimmten Abschussgenehmigung in Verbindung stehen.

Man müsse diese Menschen vor den Bedrohungen durch selbst ernannte Wolfsfreunde schützen, hatte das Umweltministerium stets argumentiert. Und das sah auch das Gericht so, das sich ausgiebig mit der munter vor sich hin eskalierenden Debatte in den sozialen Netzwerken befasste. Zumindest in diesem Punkt darf sich Umweltminister Olaf Lies (SPD) also bestätigt fühlen.

Die Anzahl der Ausnahmegenehmigungen, ihr Datum und ihre Begründung hätte Lies allerdings durchaus mitteilen können, rügte das Gericht „Mehr wollten wir ja auch nie“, sagt Christian Meyer (Grüne). „Es geht uns ja nicht um den Namen des Jägers oder der Jägerin. Sondern darum, überprüfen zu können, ob die Ausnahmegenehmigung gerechtfertigt ist.“

Ausnahmegenehmigungen bisher kaum überprüfbar

Damit ist der grüne Ex-­Landwirtschaftsminister wieder beim Knackpunkt, der in diesem Gerichtsverfahren aber ein Rand­aspekt blieb: Ist Niedersachsen zu schnell und zu leicht bei der Hand mit diesen Abschussgenehmigungen?

Wegen dieser Kernfrage laufen Umweltorganisationen schon länger Sturm. Und es laufen noch eine ganze Reihe weiterer juristischer Verfahren auf unterschiedlichen Ebenen.

Vor dem Oberverwaltungsgericht klagen gerade der Nabu Niedersachsen mit Unterstützung des WWF Deutschland und des Freundeskreises freilebender Wölfe gegen die niedersächsische Wolfsverordnung. Gegen die jüngsten Abschüsse im Amt Neuhaus (Landkreis Lüneburg) hat Peta Strafanzeige erstattet.

Die EU-Kommission hat schon vor einiger Zeit ein Pilotverfahren gegen Deutschland eingeleitet. Dabei steht Niedersachsen besonders im Fokus, weil fünf der insgesamt acht Wolfsabschüsse zwischen 2000 und 2021 hier erfolgten – obwohl in Sachsen und Brandenburg mehr Wölfe heimisch sind.

Geheimhaltung gilt auch nicht immer

Darum, argwöhnen viele Tierschützer, ging es bei der rigiden Geheimhaltungspolitik nämlich eigentlich: zu verhindern, dass gegen die Abschussgenehmigungen geklagt wird, bevor sie vollzogen werden. Gerade erst hat der Nabu in Bayern dafür gesorgt, dass eine Abschussgenehmigung gerichtlich kassiert wurde. In Niedersachsen war das bisher kaum möglich.

Das Verhalten des Umweltministers sei auch ziemlich widersprüchlich, sagt Meyer. Sobald der Abschuss erfolgt sei, habe das Ministerium nämlich überhaupt keine Probleme mehr damit, alle möglichen Informationen herauszurücken. Als ob die fanatischen Wolfsfreunde dann schlagartig das Interesse verlieren und niemanden mehr beschimpfen und belästigen ­würden.

Für Kopfschütteln hatte in diesem Zusammenhang auch gesorgt, dass im Landkreis Cuxhaven örtliche CDU-­Abgeordnete der Lokalzeitung ganz stolz eine Abschussgenehmigung präsentierten – offenbar hatte ihnen das Ministerium nicht mitgeteilt, dass die eigentlich geheim ist.

Forschung zur Wirkung fehlt

In den Landkreisen Cuxhaven und Osterholz ging es nach mehreren dramatischen Nutztierrissen hoch her – zum ersten Mal hat die zuständige Behörde hier eine Abschussgenehmigung erteilt, in der kein konkretes Tier benannt ist.

Das hatte bei den anderen Abschüssen immer wieder für Diskussionen um „Fehlabschüsse“ gesorgt, weil es kaum möglich ist, den einen Problemwolf sicher zu identifizieren und abzuschießen. Das Ministerium hatte immer wieder darauf verwiesen, dass es rechtlich auch möglich sei, ein anderes Tier des Rudels zu schießen. Auch das ist ein Punkt, an dem viele Tierschützer zweifeln.

Die Abschussdebatten aber auch verdeckten das, was eigentlich wichtiger wäre, erklärt der grüne Wolfsexperte Christian Meyer: Mehr Investitionen in Herdenschutzmaßnahmen und ein besseres Wolfsmonitoring.

Wenn beispielsweise mehr Wölfe mit Peilsendern bestückt würden, könnte man ihr Jagd-, Revier- und Ausweichverhalten endlich einmal realistisch betrachten – statt sich gegenseitig mit wissenschaftlich nicht erwiesenen Behauptungen ­darüber zu behelligen, wie die ­Abschüsse wirken oder nicht wirken.

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