„Freie Sachsen“ im Corona-Protest: Rechte, die eine Partei sein wollen

Die rechtsextremen „Freien Sachsen“ mobilisieren maßgeblich zu Coronaprotesten und gründeten sich als Partei. Um sich vor einem Verbot zu schützen?

Polizisten stehen vor Coronaprotestierenden Mitte Januar in Dresden.

Polizeieinsatz bei Coronademonstration in Dresden: die „Freien Sachsen“ heizen die Proteste an Foto: Sebastian Kahnert/dpa

BERLIN/DRESDEN taz | Es ist so wie mit den „Spaziergängen“ der Coronaleugner:innen, die in der Realität oft unangemeldete und damit illegale Aufmärsche sind. In Sachsen hat sich die rechtsextreme Gruppierung, die maßgeblich zu diesen oft in Gewalt ausartenden Protesten mobilisiert, zur Partei erklärt. Doch haben die „Freien Sachsen“ überhaupt vor, jemals bei der Bundestagswahl oder wenigstens einer Landtagswahl anzutreten? Daran gibt es berechtigte Zweifel.

Die Frage kann dann bedeutsam werden, wenn über das Verbot einer politischen Vereinigung diskutiert wird – bei Parteien ist das deutlich schwerer als bei anderen Organisationen.

Die „Freien Sachsen“ gründeten sich im Februar 2021 als Partei. In ihrer Satzung heißt es zwar, man nehme an „öffentlichen Wahlen und am Parteienwettbewerb“ teil. Gleichzeitig erklärte sich die Gruppe aber als „Sammlungsbewegung“, die „patriotischen Initiativen“ und Aktivisten ein Dach bieten wolle.

Der Bundestag sieht Klärungsbedarf

Der frühere Grünen-Bundestagsabgeordnete Volker Beck erhielt vom Referat Parteienfinanzierung des Bundestages nun die Auskunft, dass die „Freien Sachsen“ zwar in die Unterlagensammlung des Bundeswahlleiters aufgenommen und somit „vorerst als Partei angesehen“ werden. Einen Rechenschaftsbericht muss die erst im Februar 2021 gründete Vereinigung frühestens zum 30. September 2022 einreichen.

„Aktuell nicht einzuschätzen“ sei indes, ob die „Freien Sachsen“ über „hinreichend gefestigte Strukturen“ verfügen, um „ausreichende Gewähr für die Ernsthaftigkeit“ des Ziels einer Vertretung des Volkes im Bundestag oder einem Landtag zu bieten, heißt es in dem Vermerk. Über die formalen Anforderungen wie Wahlteilnahme oder Rechenschaftsbericht hinaus prüft der Bundestag nicht, ob die Partei-Eigenschaft tatsächlich gegeben ist oder ob eine Partei die demokratische Grundordnung beeinträchtigen will.

Für Beck ist die Situation unbefriedigend. Er sieht Handlungsbedarf beim Wahlausschuss, der Bundestagspräsidentin als Parteienfinanzierungsbehörde und den Finanzämtern. Durch die neue Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum NPD-Verbot seien Parteien mit verfassungswidriger Ausrichtung „relativ gut vor Verboten geschützt“, so der Grüne zur taz. Vereine mit gleicher Ausrichtung könnten über das Vereinsgesetz einfacher verboten werden.

Beck sieht einen „Anreiz für Mitglieder aus verbotenen Parteien wie Kameradschaften, sich in Scheinparteien zusammenzuschließen und nur pro forma an Wahlen teilzunehmen, um an dem privilegierten Parteienstatus mit Schutz vor Verbot und steuerrechtlichen Privilegien teilzuhaben“.

Vorbild: die Neonazi-Partei III. Weg

So hat es etwa die Neonazi-Kleinpartei „Der III. Weg“ gemacht, die sich auf Strukturen des verbotenen „Freien Netzes Süd“ stützte. Sie gab über Jahre verspätet ihre Rechenschaftsberichte ab, beteiligte sich dann 2021, acht Jahre nach ihrer Gründung, zum ersten Mal an der Bundestagswahl. Mit mickrigem Resultat: 7.832 Zweitstimmen, 0,0 Prozent.

Ähnlich wie Beck schätzt auch die Rechtsextremismusexpertin der sächsischen Linkenfraktion, Kerstin Köditz, das Problem ein: „Aus meiner Sicht sind die ‚Freien Sachsen‘ keine Partei, obwohl sie sich so nennen.“ Vorbereitungen für die Teilnahme an einer Wahl im Land oder im Bund seien nicht zu erkennen. Wenigstens im Moment arbeite die Gruppe nicht auf eine parlamentarische Repräsentanz hin, „sondern auf Straßenpräsenz“.

Und weil es am „tatsächlichen parteitypischen Agieren“ fehle, müsse auch ein Verbot der verfassungsfeindlichen Gruppe geprüft werden. Und das zeitnah, verlangt Köditz. Weil die „Freien Sachsen“ ausschließlich in Sachsen aktiv sind, sollte aus ihrer Sicht eine Verfügung des Landesinnenministers Roland Wöller (CDU) genügen.

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