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Yasmin Fahimi wird neue DGB-VorsitzendeFatales Signal an die Beschäftigten

Anja Krüger
Kommentar von Anja Krüger

Mit Yasmin Fahimi wird eine Ex-SPD-Funktionärin Gewerkschaftschefin. Nötig wäre aber eine Vorsitzende, die nicht in alten Parteiloyalitäten steckt.

Überraschung: Yasmin Fahimi Foto: Janine Schmitz/photothek/imago

M it Yasmin Fahimi soll zum ersten Mal eine Frau an der Spitze des Deutschen Gewerkschaftsbunds stehen. Dass der DGB endlich von einer Frau repräsentiert wird, ist gut, ja, sehr gut. Aber der Bonus, den Fahimi mitbringt, gleicht ihren Malus als Sozialdemokratin nicht aus. Die Gewerkschaften hätten sich für ei­ne:n Re­prä­sen­tan­t:in ohne SPD-Funktionärskarriere entscheiden müssen.

Als Ex-SPD-Generalsekretärin wird Fahimi in erster Linie als Parteipolitikerin wahrgenommen. Mit ihr wird in kurzer Zeit wiederholt eine Frau aus der aktiven Politik in die Vorstandsetage des DGB geholt. Die Grüne Anja Piel hatte bei den Vorstandswahlen ihrer Partei gegen Annalena Baerbock verloren und zog danach in den DGB-Vorstand. Dabei haben die Gewerkschaften durchaus mehr als genug eigene fähige Funktionärinnen. Im Gegensatz zu Piel kann Fahimi eine Gewerkschaftskarriere bei der konservativen IG BCE aufweisen, die sie in SPD-Ämter gespült hat.

Jetzt zurück auf die Gewerkschaftsseite zu wechseln – davon mögen die SPD und Fahimi etwas haben, nicht aber die Beschäftigten. Die Mitgliedszahlen der Gewerkschaften gehen seit Jahren zurück. Immer mehr Menschen wenden sich ab, weil in ihren Augen Funk­tio­nä­r:in­nen Pfründen untereinander verteilen und parteipolitische Terrains abstecken – für Leiharbeiter:innen, andere prekär Beschäftigte oder Menschen im Niedriglohnsektor aber zu wenig getan wird.

Auch wenn diese Wahrnehmung ungerecht ist, weil viele Gewerkschaftsleute hart für diese Gruppen kämpfen: Der Vertrauensverlust ist enorm. Er ist vor allem eine Folge der Schröder-Ära. Die Gewerkschaften hatten der massiven Ausweitung des Niedriglohnsektors, der Enteignung der Beschäftigten über die Kürzung der Rentenansprüche und der Hartz-Gesetzgebung viel zu wenig entgegengesetzt. Mit einer aktiven SPD-Politikerin an der DGB-Spitze wird dieser Vertrauensverlust weiter zunehmen.

Erbitterte Verteilungskämpfe

Das ist fatal, denn in den kommenden Jahren werden starke Gewerkschaften so nötig sein wie nie zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik. Die wirtschaftlichen Folgen der Coronakrise und der Wandel der Arbeitswelt durch die Digitalisierung werden zu erbitterten Verteilungskämpfen führen. Wie sich die Ampelregierung positionieren wird, ist unklar.

Aber: SPD-Kanzler Scholz steht für die Schröder-Ära, nicht für soziale Gerechtigkeit. Erforderlich wäre eine DGB-Vorsitzende, die nicht in Parteiloyalitäten eingebunden, sondern über jeden Zweifel erhaben ist, bei Konflikten im Sinne der SPD zu handeln. Das Mindeste ist, dass Fahimi ihr Bundestagsmandat und ihren Posten im Parteivorstand aufgibt.

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Anja Krüger
Wirtschaftsredakteurin
Buchveröffentlichungen: „Die verlogene Politik. Macht um jeden Preis“ (Knaur Taschenbuch Verlag, 2010), „Die Angstmacher. Wie uns die Versicherungswirtschaft abzockt“ (Lübbe Ehrenwirth, 2012).
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15 Kommentare

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  • de.wikipedia.org/w...ten_in_Deutschland



    Nach der Rechtsprechung deutscher Gerichte ist eine Gewerkschaft eine auf freiwilliger Basis errichtete privatrechtliche Vereinigung von Mitgliedern, die als satzungsgemäße Aufgabe mindestens folgende Zwecke verfolgt: Die Wahrung und Förderung von Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen im Interesse ihrer Mitglieder, gegnerfrei, in ihrer Willensbildung strukturell unabhängig von Einflüssen Dritter, ...

    Aber die SPD is ja im DGB nich DRITTER, sondern ERSTER. Also alles in Ordnung.

  • Ich bin als Arbeitnehmer und Mitglied einer DGB-Gewerkschaft nicht unzufrieden

    Ein solches Amt ist natürlich ein politisches Amt, da können Erfahrung in der Politik und mit der Leitung einer politischen Organisation sicher nicht schaden und eine gute Vernetzung ist wichtig.

    Dass man jemandem seine Mitgliedschaft und sein Engagement in einer demokratischen Partei zum Vorwurf macht, offenbart für mich ein merkwürdiges Demokratieverständnis. Fahimi gehört zum linken Flügel der SPD und der DGB-Vorsitz passt dazu sehr gut. Die SPD hat in den letzten Jahren eine Reihe von Verbesserungen für Arbeitnehmer durchgesetzt: Mindestlohn, Renteneintritt nach 45 Beitragsjahren oder Elterngeld Plus sind da nur wenige Beispiele.

    Die politischen Herausforderungen für eine Gewerkschaft sind in den nächsten Jahren ein Verbot sachgrundloser Befristungen, mehr tariflich Beschäftigte und in einem sich schnell wandelnden Arbeitsmarkt bessere Möglichkeiten, in der Lebensmitte oder später noch ganz neue Qualifikationen zu erwerben. Dafür braucht es keine Fundamentalopposition, sondern eine gute Zusammenarbeit mit Politik und auch mit der Wirtschaft. Ich sehe nicht, dass Frau Fahimi für diese Aufgabe ungeeignet wäre.

    Themen rund um ALG 2 sind dagegen für die meisten Arbeitnehmer wenig relevant.

    • @Ruediger:

      Da sarense zum Schluß was junger Mann! Wollnichwoll. Stimmt. But.



      Geht’s noch?!

      Genau das! Ist die unabweisbare Schwäche der Gewerkschaften post WK II einschließlich als - bisher! absoluter Tiefpunkt - Agenda 2010 & Hartz IV & …Ende nicht in Sicht •



      Brutalstmöglich von - vom mir ursprünglich via Westfälisch Sibirien & Friedensbewegung geschätzten Münte -



      “Wer nicht arbeitet soll auch nicht essen!“



      &



      Ich erinnere an den viel zu früh verstorbenen Kronjuristen der SPD - als sie diesen Namen noch verdiente -



      Herrmann Heller - der den Begriff “sozialer Rechtsstaat“ prägte! Heute in Art 20 GG - Verfassungsrecht.



      Einst von der rechten Fronde - vorweg Ernst Forsthoff angegriffen als verfassungswidriges Verfassungsrecht!

      Wie ich hier lese - bedarfs - Arm-in-Arm mit SPezialDemokraten wie GazPromGerd & den GrünenJosefle & Co. der Reaktionäre nicht mehr.



      Heute erledigt das - mit bekanntem Nicken auf Gewerkschaftsseite - die SchlAMPEL - ganz lässig selbst



      &



      Merz lehnt sich zurück - reibt sich die Hände.

      Na Mahlzeit

      unterm——- servíce —



      de.wikipedia.org/w...nn_Heller_(Jurist)



      “ Heller prägte in seiner Schrift Rechtsstaat oder Diktatur? von 1930 den Begriff des sozialen Rechtsstaats.“



      Ein Name - den bei den SPezialDemokraten - niemand mehr kennt. Der - weit bessere - Gegenspieler des Kronjuristen der Nazis - Carl Schmitt



      &



      de.wikipedia.org/w...ndroth-Kontroverse



      “ Die Forsthoff-Abendroth-Kontroverse oder auch Forsthoff-Abendroth-Debatte war eine insbesondere Mitte der 1950er Jahre zwischen dem Staatsrechtler Ernst Forsthoff und dem Politikwissenschaftler Wolfgang Abendroth geführte Auseinandersetzung um die Bedeutung des Sozialstaates im Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland.

      Nach dem Zweiten Weltkrieg war Forsthoff einer der Kommentatoren des deutschen Grundgesetzes von 1949.



      ff& Rest

      • @Lowandorder:

        ff & Rest

        “… Forsthoff war vor dem Hintergrund der Begriffe Sozialstaatlichkeit und Rechtsstaatlichkeit der Auffassung, dass der Sozialstaat kein Instrument der Gerechtigkeit, sondern ein illegitimes Mittel zur Wohlstandsverteilung sei. Forsthoff, der 1934 in der zweiten Auflage seiner Schrift „Der totale Staat“ den NS-Staat und die Ausmerzung von „Artfremden und Feinden“ nachdrücklich begrüßt hatte, war ein Vertreter der traditionell-konservativen Rechts- und Staatslehre. Er versuchte in seiner Argumentation herzuleiten, dass „Sozialstaat“ kein Rechtsbegriff sei und somit keinen Rechtsgrundsatz im Verfassungskontext des Grundgesetzes darstelle.

        Der sozialistisch geprägte Abendroth hingegen meinte, einen solchen Rechtsgrundsatz zu erkennen, der als notwendig für die Erhaltung von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie angesehen werden müsse. Er leitete dies aus Art. 20 I, 28 I 1 GG her, auf die das Sozialstaatsprinzip bis heute gestützt wird.“

        Ende des Vorstehenden

  • 0G
    05989 (Profil gelöscht)

    Obwohl ich Ansicht der Autorin im Wesentlichen teile, halte ich das folgende für Unsinn:

    "Immer mehr Menschen wenden sich ab, weil in ihren Augen Funk­tio­nä­r:in­nen Pfründen untereinander verteilen und parteipolitische Terrains abstecken – für Leiharbeiter:innen, andere prekär Beschäftigte oder Menschen im Niedriglohnsektor aber zu wenig getan wird."

    Gewerkschaftsmitglieder waren noch nie besonders solidarisch mit den atypisch Beschäftigten - der Mitgliederschwund speist sich eher aus den Erfahrungen der letzten 30 Jahre, in denen sich Gewerkschaften zu Erfüllungsgehilfen einer marktradikalen Elite gemacht haben.

    Zu den schlimmsten von dieser Bande gehört sicher die EVL oder die kirchliche GKD. Die Politik des VW-Konzerns, die Betriebsräte zu Mästen, war in der Außenwahrnehmung auch nicht hilfreich.

    Letztendlich sehen die Gewerkschaftsmitglieder hilflos zu, wie ihre Führungen die Explosion der Unternehmensgewinne dadurch ermöglich(t)en, dass eine um die andere Sparrunde vermeintlich unvermeidlich ist.

    Solche Gewerkschaften sind überflüssig.

    • @05989 (Profil gelöscht):

      Ähm ... Gewerkschaften die niemand kennt sind verantwortlich für den Mitgliederschwund beim DGB?

      Wackelt nun der Schwanz mit dem Hund?



      Und warum wollen Sie dem Hund sein Schwänzchen nehmen? Das tönt mir zu spaltend.

  • War Fahimi denn selbst auf dem Posten als Generalsekretärin durch willfährige Loyalität aufgefallen? Mindestens bei der Frage, ob man in den Diskurs mit Pegida-Demonstrierenden gehen sollte, hat sie sogar ihrem Vorsitzenden (damals Gabriel) öffentlich widersprochen.

  • Was alle Parteien von Linkspartei bis AfD jenseits aller weltanschaulichen Differenzen eint, ist der Filz. Er ist strukturell angelegt.

  • Dem letzten Satz kann man uneingeschränkt zustimmen. Drei Vollzeitjobs kann nicht das Ziel einer Gewerkschaft sein.

    Sie hat aber Gewerkschaftserfahrung und -nähe. Und da SPD Parteibücher wöhl durchaus bei Gewerkschaftsmit- und ohne-gliedern vorkommt, ist das kein KO Kriterium. Der Mitgliederschwund hängt sicher nicht an einzelnen Vorsitzenden.

  • Zumindest die Führungsebene sollte frei von Parteibüchern und Leuten aus der Politik sein. Wie die Ampel aufs neue deutlich macht, sind politische Parteien nicht die Lösung sondern Ursache der Probleme.

  • Das bestätigt wieder mal alle Abscheu vor den Parteien. Einige Tage vorher wird Andrea Nahles, auf Vorschlag der Arbeitnehmervertreter, zur Vorstandsvorsitzenden der Arbeitsagentur nominiert und jetzt eine weitere "verdiente" SPD-Funktionärin mit einer herausgehobenen Position versorgt. Dass für eine Politikerkarriere (Haifischbecken) ein gewisses Maß an Machtwillen, Verdrängungsbereitschaft und Skrupellosigkeit nötig ist, will ich ja noch hinnehmen, aber mit welcher Selbstverständlichkeit, sich hier, "scheinbar der SPD zustehende Pfründe", zugeteilt werden,ist nur noch, wieder, enttäuschend. Ich könnt´ k... !

  • Ich teile diesen Beitrag in Gänze. Bin gespannt wie sich die andere Medien



    positionieren.

  • 4G
    47202 (Profil gelöscht)

    "Die Gewerkschaften hätten sich für ei­ne:n Re­prä­sen­tan­t:in ohne SPD-Funktionärskarriere entscheiden müssen."

    Warum schon vor Antritt des Jobs den Stab über sie brechen?



    Ich persönlich hätte mir Andrea Nahles für diesen Posten gewünscht.

    • @47202 (Profil gelöscht):

      Mach Bosse. Die Eifelelse - keiner welse?



      Hat der Barmixer grad ne Kelle zuviel ausgetan? Ich sage ehna 🥃!;( © Onkel Herbert

  • Was Politmanager (Zitat: taz) so anrichten, wenn sie jeden Job als potentielles Sprungbrett ausschlachten haben wir in der Corona-Krise ja bereits zu spüren bekommen.



    Wenn sich nun beim DGB eine Politikerin aus der Regierungspartei zwischenparkt, (sie hat sich doch irgendwie aktiv ins Spiel gebracht - oder?) verheißt das in der Tat nichts Gutes. Der klassische Arbeitsmarkt ist in der Krise und wenn wir amerikanische Verhältnisse noch einige Zeit aufhalten wollen, benötigen wir an der Spitze des DGB kantige Kämpfer, keine aalglatten Politprofis mit Ambitionen, die Seite zu wechseln.