SPD stimmt für Regierungsprogramm: Friede, Freude, Koalitionsvertrag
Der SPD-Parteitag sagt mit überwältigender Mehrheit Ja zum Ampel-Bündnis. Olaf Scholz tänzelt über die Bühne und hält eine emotionale Rede.
![SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz hält seine Daumen nach oben. SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz hält seine Daumen nach oben.](https://taz.de/picture/5262383/14/28985677-1.jpeg)
Der Applaus ist warm und spontan, die Stimmung grundentspannt. Man beklatscht sich ja auch selbst – den Wahlsieg und den Koalitionsvertrag. „Die Sozialdemokratie ist die führenden Kraft in diesem Land“, sagt Norbert Walter-Borjans, der freiwillig als SPD-Chef abtreten wird. Er mahnt nebenher, dass die Partei in der Aufgabenteilung nicht „zum Lautsprecher“ der Regierung werden dürfe. Es ist ein sanfte kritische Anmerkung, eine der wenigen.
Olaf Scholz scheint über die Bühne neben der Willy-Brandt-Statue zu tänzeln. „Es ist ein ganz besonderes Gefühl“, sagt er als erstes. Als er appelliert, sich impfen zu lassen, hebt er fast beschwörend die Hände. Es ist eine für seine Verhältnisse sehr emotionale Rede. Scholz, der sich am Mittwoch zum vierten SPD-Kanzler der Republik wählen lassen will, erinnert an Willy Brandt 1969 und Gerhard Schröder 1998.
Wie damals gebe es einen Aufbruch. Er ballt die Fäuste, und sagt: „Wir müssen die Planungs- und Genehmigungsverfahren beschleunigen, sonst wird es nichts mit dem Fortschritt.“ Der werde allen zugute kommen – das ist das sozialdemokratische Credo. Die Ampel werde keine Regierung, die bloß aus der Not geboren sei. Er wolle mit den „Freunden bei FDP und Grünen“ länger als vier Jahre regieren.
Und Scholz erinnert an den Moment, als für ihn Wesentliches begann. Im Sommer 2020 traf er sich mit Rolf Mützenich, Walter-Borjans, Klingbeil und Esken „in einem Restaurant hier um die Ecke“. Dort wurde besiegelt, dass er Kanzlerkandidat werden soll. Diese Entscheidung blieb bis zum Spätsommer 2020 geheim, es war auch ein Vertrauenstest. Scholz grinst. Er ist noch heute stolz, dass dies gelang.
Keine Vorab-Infos an die Medien
Seitdem herrscht in der SPD ein neuer Stil, der Scholz-Stil. Bei den Koalitionsverhandlungen drang kaum etwas nach draußen. Auch die Nominierung der SPD-MinisterInnen verläuft nach Plan. Scholz wird, so war zu hören, die sechs MinisterInnen und drei StaatsministerInnen erst Sonntagabend informieren. Am Montag werden die SPD-MinisterInnen dann öffentlich präsentiert. Nur Scholz weiß offenbar Bescheid. Keine Vorab-Infos mehr an Medien – das war in der SPD nicht immer so.
In der Debatte zum Koalitionsvertrag ist das Meinungsbild eindeutig: Das Lob ist fast überschwänglich. Auch Juso-Chefin Jessica Rosenthal betont die Erfolge wie die Ausbildungsplatzgarantie und die anvisierte Bafög-Reform. Die Jusos würden die Regierung „kritisch-solidarisch“ begleiten und dem Vertrag zustimmen.
Daniela Kolbe, SPD-Linke aus Leipzig, die nicht mehr für den Bundestag kandidiert hatte, kritisiert das Verfahren der SPD beim Ja zur Bewaffnung der Bundeswehr mit Drohnen. Die Zustimmung der Arbeitsgruppe in der SPD sei viel zu hektisch erfolgt, moniert sie. Aber solche Anmerkungen sind in der Aussprache selten.
Kevin Kühnert, der Generalsekretär werden soll, unterstreicht, dass die SPD mit dem Bauministerium ja auch ein Klimaministerium habe. Er wiederholt, allerdings rhetorisch weit dezenter als beim Juso-Kongress vor einer Woche, seine Kritik, dass bei der Mietenpolitik manches an der FDP gescheitert sei. Und er versucht, die Notwendigkeit der eigenständige Rolle der SPD heraus zu präparieren. „Wir sollten als Partei hungrig bleiben“, sagt er. Nur so könne die Sozialdemokratie die Hegemonie in der Gesellschaft erobern. Heute aber gehe es „mit angemessener Fröhlichkeit“ darum, Ja zum Koalitionsvertrag zu sagen.
Nach drei Stunden ist der Kurzparteitag vorbei. 98,8 Prozent der Delegierten votieren für das Regierungsprogramm.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Denkwürdige Sicherheitskonferenz
Europa braucht jetzt Alternativen zu den USA
„Edgy sein“ im Wahlkampf
Wenn eine Wahl als Tanz am Abgrund verkauft wird
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
+++ Nachrichten zur Ukraine +++
Gespräche bei der Sicherheitskonferenz
Verlierer der Wahlrechtsreform
Siegerin muss draußen bleiben
Nach der Sicherheitskonferenz
Expressverbindung von München nach Paris