Ermordete Journalist*innen in Mexiko: Uferlose Gewalt
Mexikos Präsident Andrés Manuel López Obrador galt als linker Reformer. Doch die Lage von Medienschaffenden hat sich unter ihm weiter verschlechtert.
Ein erstes Resümee stellt López Obrador, der 2018 als linker Reformer sein Amt angetreten hat, ein schlechtes Zeugnis aus. „Seit drei Jahren in Folge ist Mexiko das weltweit gefährlichste Land für Journalisten“, sagte der Leiter des RSF-Büros Lateinamerika, Emmanuel Colombié. Auch in der Aufklärung kann die Regierung keine großen Erfolge vorweisen. 90 Prozent der Morde wurden nicht juristisch verurteilt, kein einziger Fall des Verschwindenlassens hatte strafrechtliche Konsequenzen.
Der Kampf gegen diese Straflosigkeit ist einer der Schwerpunkte der RSF-Reise. Denn die Tatsache, dass die meisten Verbrechen nicht geahndet werden, ist einer der wesentlichen Gründe für die uferlose Gewalt im Land. Nur der Druck der Zivilgesellschaft habe dazu geführt, dass es fünf Verurteilungen in Mordverfahren gegeben habe, betont Sara Mendiola von der Nichtregierungsorganisation Propuesta Cívica. Dabei handelt sich um die tödlichen Angriffe auf drei Journalist*nnen, die in Mexiko besondere Aufmerksamkeit hervorgerufen hatten: Miroslawa Breach, Javier Valdéz und Regina Martinez. Ein bemerkenswerter Fortschritt sei es, dass auch ein Bürgermeister unter den Verurteilten sei, erklärt Mendiola.
Seit 2012 gibt es, ebenfalls aufgrund zivilgesellschaftlicher Initiativen, einen „Mechanismus zum Schutz von Menschenrechtsverteidigern und Journalisten“, der den Bedrohten Nottelefone, Überwachungskameras, Personenschutz und andere Hilfen zur Verfügung stellt. Doch bis heute sei das Programm nicht ausreichend ausgestattet, kritisierte Christian Mihr, der Geschäftsführer von RSF Deutschland, im Gespräch mit der taz. „Für 1.500 Fälle, von denen knapp 500 Journalisten betreffen, gibt es nur 50 Mitarbeiter.“ Erfreulicherweise hätten die Verantwortlichen aber konkrete Zusagen gemacht. So wolle man ein Register anlegen, in dem alle Angriffe festgehalten werden. Zudem sollten künftig verbindlich mehr Fälle bearbeitet werden.
Morde vor allem auf dem Land
Vor allem in den ländlichen Regionen sterben viele Medienschaffende eines unnatürlichen Todes, weil sie über Verbindungen zwischen Kriminellen, korrupten Politiker*innen und wirtschaftlich Mächtigen recherchieren. Aber Journalist*innen sind auch direkt von staatlichen Angriffen betroffen. So wurde jüngst bekannt, dass die Reporterin Marcela Turati und zwei weitere Personen von der Generalstaatsanwaltschaft ausspioniert wurden, als sie unter der vorhergehenden Regierung vor sechs Jahren unter anderem zu einem Massaker an 72 Migrant*innen recherchierten.
Auch der amtierende Staatschef López Obrador hat die Medien im Visier. Kaum eine seiner täglichen Pressekonferenzen vergeht, ohne dass er gegen Journalist*innen polemisiert, die ihn kritisieren. Dabei scheut er auch nicht davor zurück, diese namentlich zu denunzieren. Wie Umweltschützer*innen und andere Kritiker*innen seiner Infrastruktur-Großprojekte beschimpft er unliebsame Medienschaffende als „Konservative“. Leider habe sich mit López Obrador nichts geändert, resümiert RSF-Sprecher Mihr. „Im Gegenteil: Mit seiner systematischen Stigmatisierung von Journalisten trägt er zu einem noch medienfeindlicheren Klima in Mexiko bei.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Angriffe auf Neonazis in Budapest
Ungarn liefert weiteres Mitglied um Lina E. aus
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Im Gespräch Gretchen Dutschke-Klotz
„Jesus hat wirklich sozialistische Sachen gesagt“