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Russische GroßmachtansprücheZu wenig Gegenwind

Bernhard Clasen
Kommentar von Bernhard Clasen

Der lange Arm des russischen Präsidenten Putin reicht nach Armenien, Aserbaidschan und in die Ukraine. Überall mischt er mit. Und der Westen schaut zu.

Was für ein Mann: Putin ist gerne mal auf Eskalationskurs, hier bei der Jagd in einem Bild von 2010 Foto: Russian Government Press Service

K lar möchte Wladimir Putin in irgendeiner Form der Herr des Raumes sein, der einmal die Sowjet­union war. Ehemals weitgehend unabhängige Staaten wie Kasachstan, Armenien oder Belarus können sich kaum noch aus der Umarmung des russischen Präsidenten befreien. Doch Putins Wünsche und Putins Möglichkeiten müssen nicht übereinstimmen. Nach dem Grundsatz „teile und herrsche“ hat er seinen Einfluss auf die Staaten des Karabach-Konflikts, Armenien und Aserbaidschan, bewahrt.

Beide Seiten werden mit Waffen beliefert, und je nach Konjunktur stellt sich Russland mal auf die Seite von Armenien, mal auf die Seite von Aserbaidschan. Mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan hat sich Putin weitgehend die Zone des Karabach-Konflikts aufgeteilt. Dass das so ist, liegt nicht nur an Putin und Erdoğan. Es liegt auch daran, dass die westlichen Staaten den Südkaukasus vernachlässigt haben. Und das rächt sich jetzt.

Dabei hätte man diesen Ländern so viel mehr Werte zu bieten als die beiden Autokraten aus der Türkei und Russland. Auch in der Ukraine haben es Russland und die staatlichen russischen Medien geschafft, schlafende Hunde zu wecken und mit den Ängsten der ostukrainischen Bevölkerung Konflikte zu schüren und für sich zu nutzen. In Kiew hätte eine „faschistische Junta“ das Sagen, so die staatlichen russischen Medien. Viele Menschen in der Ostukraine glauben das.

Wie leicht wäre es für die Ukraine, dieser Propaganda den Wind aus den Segeln zu nehmen. Man müsste nur darauf verzichten, Straßen mit den Namen bekannter Nationalisten zu benennen, die an der Seite der Wehrmacht gekämpft hatten. Aber auch westliche Zivilgesellschaften könnten mit der Unterstützung von Kräften, wie beispielsweise der „Gesellschaft Memorial“ in Russland, die der Regierung kritisch gegenüberstehen und einen militärischen Angriff auf ein anderes Land ablehnen, deeskalieren.

Die russische Generalstaatsanwaltschaft will Memorial verbieten. Man fragt sich, wo die Solidaritätsadressen von westlichen Pazifisten für Memorial bleiben.

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Bernhard Clasen
Journalist
Jahrgang 1957 Ukraine-Korrespondent von taz und nd. 1980-1986 Russisch-Studium an der Universität Heidelberg. Gute Ukrainisch-Kenntnisse. Schreibt seit 1993 für die taz.
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21 Kommentare

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  • Es ist nicht gut wenn der Westen weiter keine klaren Signale sendet.

    Dabei wäre die Sache aktuell gerade ungeheuer einfach.

    Die Botschaften könnte z.b. lauten: wenn ihr millitärisch in der Ukraine eingreift,werden wir Nordstream 2 auf Eis legen.

    Liebe EU..sendet endlich ein klares Signal...verdammte Axt..

    • 8G
      83379 (Profil gelöscht)
      @Wunderwelt:

      In so einem Fall sollte die NATO mobilisieren und der Ukraine zur Seite stehen. Man sollte mit Russiand verhandeln aber wenn Russland zur Gewalt greift muss es sich über die Konsequenzen im klaren sein. In der Schlacht bei Kasham haben die Amerikanischen Streitkräfte gezeigt was sie können das sollte Putin nicht vergessen.

  • 0G
    02854 (Profil gelöscht)

    Wenn man Autokraten die Stirn bieten will, muss man ggf. unangenehme Entscheidungen treffen.

    Und wer will schon seine Kinder zum Sterben zur Bundeswehr schicken oder mal die nächsten Jahre 100% mehr für die Energieversorgung zahlen.

    Sein wir doch ehrlich, wenn Russland in die Ukraine einmarschiert oder China Taiwan angreift, machen wir in Deutschland gar nichts!

  • Hier geht es doch am Ende um Geostrategie und geostartegische Ziele. Die lassen sich für Russland (Wiederherstellung der Grenzen es russischen Reiches von 1914, Ausweitung des regionalen Einflusses) und die Türkei (otto-manische Großmachtträume, wobei das manische dieser Träume schon im Wort verborgen liegt) recht einfach definieren. Die EU hat aber weder eine Geostrategie noch, soweit ich das erkennen kann, überhaupt eine Strategie. Und vd Laien würde eine solche nicht erkennen wenn sie ihr ins gesicht springt. Ergo, die EU und Deutschland (selbe geostrategische Kompetenz) haben eigentlich keine Chance gegenüber Putin, der zu allem auch noch wesentlich intellgenter ist als seine europäischen Kollegen.

  • Der Westen hat Armenien im letzten Krieg nicht unterstützt. Russland hat den Krieg laufen lassen und nachdem Armenien verlohren hat, den Krieg gestoppt. Armenien ist zu schwach alleine gegen Aserbeijan und die Türkei. Also brauchen die Armenier die militärische Rückendeckung von Russland. Der Westen ist zu schwach für eine solche Unterstützung.

  • Was geschieht, wenn der "Westen" nicht zu schaut, haben wir in den letzten 20 Jahren immer wieder erleben dürfen.

  • Die Grünen scheinen schon auf der gewünschten Schiene zu sein.

    Habeck etwa, als er Waffenlieferungen an die Ukraine (faktisch also in ein Kriegsgebiet) befürwortete und als "Hilfe zur Selbsthilfe" deklarierte.

    Oder Nouripur, als er die Situation an der Grenze Belarus-Polen so einschätzte: „Die paar Leute, die jetzt in der Kälte stehen, die sind nicht das Problem. Das Problem ist der Erpressungsversuch.“ - da steht eindeutig der ziemlich offensichtlich von Putin eingefädelte Plot zur Destabilisierung der EU an erster Stelle - und völlig ausser Acht ist war geraten "There are 200 children and 600 women among an estimated 2,000 people massed along the Bruzgi-Kuznica border crossing separating Belarus from Poland, Belarusian border officials told CNN on Friday. Some of those are only babies or toddlers." (CNN, drei Tage vorher).

    Aber auch Sie machen es sich zu leicht, wenn Sie schreiben: "Auch in derUkrainehaben es Russland und die staatlichen russischen Medien geschafft, schlafende Hunde zu wecken und mit den Ängsten der ostukrainischen Bevölkerung Konflikte zu schüren und für sich zu nutzen. In Kiew hätte eine „faschistische Junta“ das Sagen, so die staatlichen russischen Medien. Viele Menschen in der Ostukraine glauben das.

    Wie leicht wäre es für die Ukraine, dieser Propaganda den Wind aus den Segeln zu nehmen. Man müsste nur darauf verzichten, Straßen mit den Namen bekannter Nationalisten zu benennen, die an der Seite der Wehrmacht gekämpft hatten", verlieren z.B. die hier aus dem Blick: "DasRegiment Asow[..] ist eines von etwa 80paramilitärischenFreiwilligenbataillonen, die imUkraine-Konfliktgegen prorussische Separatisten [...] und dabei dem ukrainischen Innenministerium unterstehen. Der vonnationalistischenPolitikern gegründete Verband ist wegen der teilweise offenrechtsextremenpolitischen Positionen vieler seiner Anführer und Angehöriger [...] stark umstritten (Wikipedia)

    Kontakte zu deutschen Rechtsextremisten inklusive...

  • "Man müsste nur darauf verzichten, Straßen mit den Namen bekannter Nationalisten zu benennen..."

    Glauben Sie wirklich, dass es damit getan wäre?

  • Ich denke auch das man den autokraten die stirn bieten sollte und dazu ein Eu Heer aufstellen. Frankreich wünscht sich das ja schon lange.

    • RS
      Ria Sauter
      @Domi Martin:

      Um was zu tun?



      In Russland einmarschieren?



      Hatten wir schon mal. Wie das endete kann jeder nachlesen.

  • Es ist ja lobenswert, dass der Artikel auch die Rolle der Türkei im Kaukasus thematisiert - nur die Art und Weise, wie das geschieht, ist befremdlich: die Türkei ist bekanntlich NATO-Mitglied; wenn ein solches in einen Krieg gegen (ausgerechnet!) Armenien involviert ist, Giftgas gegen Kurden einsetzt (seltsamerweise kein Thema in der sonst so um Menschenrechte besorgten Presse) und das Territorium von Nachbarstaaten besetzt, sollte man vielleicht auch einen kritischen Blick auf dieser Militärbündniswerfen, statt reflexhaft die Schuld bei "Putin" zu suchen (Personalisierung ist übrigens auch ein klassisches Propaganda-Mittel). Fast frage ich mich, was mich mehr ärgert: wie bereitwillig sich liberal wähnende Milieus vor den Karren westlicher Außenpolitik spannen lassen und dabei Feindbilder bedienen, die in einer finsteren Tradition stehen, oder dass man in diversen Redaktion wirklich glaubt, die Leser würden darauf hereinfallen. Ich mag es nicht, wenn man mich offensichtlich für dumm hält.



    P.S. Die Bildwahl zu dem Artikel ist von der selben propagandistischen Schlichtheit - was soll das denn?

    • @O.F.:

      Ihre Russland-, Putin- und Autokraten-Apologetik in Ehren - das Bild, in dessen Auswahl Sie einen Ausdruck propagandistischer Schlichtheit sehen wollen, ist russischer Provenienz und diente ursprünglich der politpropagandistischen Inszenierung Putins. Die Bildunterschrift "Was für ein Mann" nimmt ironisch Bezug auf die einem - sagen wir mal - unzeitgemäßen Geschlechterrollenstereotyp verhafteten Männlichkeitsattribute.

      Bei dieser Gelegenheit: Was den "Krieger" oder Soldat als Idealbild des Mannes und als gesellschaftliches Leitbild der wilhelminischen Gesellschaft betrifft, empfehle ich Ihnen als Anregung die "Studien über die Deutschen" von Norbert Elias. Gerne verweise ich auch auf Theweleits "Männerphantasien". Das in dem Putin-Propaganfoto zum Ausdruck kommende Körper- und Männlichkeitsideal soldatischer Prägung ist demnach charakteristisch für den faschistischen Männertyp.

      Aber ich ahne schon: den gibt's gewiss überall, nur eben nicht in Russland.

      • @O sancta simplicitas:

        1. Warum die permanente Verwendung dieses Bildes eben auch dann propagandistisch ist, wenn es ursprünglich russischen Usprungs ist, habe ich unten erklärt.



        2. Die Tatsache, dass Sie es nicht schaffen, mir ohne Beleidigungen und Unterstellungen zu antworten, passt nur allzu gut in das Gesamtbild einer sich ideologisch verhärteten, ihren eigenen Extremismus ausbrütenden "Mitte"; ich habe ein medial verbreitetes unterkomplexes Russland-Bild kritisiert - wenn Sie mir dann mehr oder weniger deutlich unterstellen, gemeinsame Sache mit dem "Feind" zu machen, bedienen Sie selbst anti-demokratische Denkmuster: "Wir sind schon Demokraten, wir brauchen keine Opposition". Das wird auch nicht besser, wenn man das mit einer Faschismus-Theorie auf Pro-Seminar-Niveau garniert.

    • 3G
      33955 (Profil gelöscht)
      @O.F.:

      Die Nato ist ein Papiertiger der auch das Brüllen verlernt hat. Der "Verein" soll am besten re-engineert werden. Und der Türkei die Partnerschaft verwehrt werden .

    • @O.F.:

      ... kurz gesagt, enttäuschend TAZ!

    • @O.F.:

      Guter Kommentar! Stimme Ihnen zu.

    • @O.F.:

      Sie hätten recht, wenn die Türkei als Speerspitze der NATO in deren Auftrag agieren würde.

      Tut sie aber nunmal nicht.

      Ich weiß ja nicht, welche Zeitungen Sie so lesen.

      In der, die ich gelesen habe, war der Giftgaseinsatz ein großes Thema.

      Sehen Sie, ich staune immer, wie schnell manche Linke ihre ganzen Ideale über Bord werfen, sobald es nur um einen antiwestlichen Staatschef geht.

      Übrigens ist das Foto von Putin eines, mit dem er sich vielsagenderweise selbst inszeniert hat.

      Ja, das Foto ist Propaganda. Von Putin selbst.

      Deshalb passt es hervorragend zu diesem Artikel.

      Wollen Sie nicht zur Kenntnis nehmen, was Putin mit diesen Bildern artikuliert?

      • @rero:

        P.S. Wenn ich mich gegen eine einseitige Dämonisierung Russland ausspreche (und an den finsteren Kontinuitäten erinnere, in denen diese steht), werfe ich meine Ideale nicht über Bord, sondern handele Ihnen entsprechend - die Deutungshoheit darüber was "links" ist, haben Sie nicht allein.

      • @rero:

        1. Wasch mir den Pels, aber mach mich nicht nass... Die Türkei ist NATO-Mitglied und profitiert als solches von der Einbindung in entsprechende Strukturen - auch wenn sie gerade nicht im Rahmen einer offiziellen Mission handelt (das diese Ambivalenz auch kalkuliert ist, sollte man nicht übersehen...).



        2. Sie können gerne Links schicken, um mich zu korrigieren; aber in den Zeitungen, die ich lese (Süddeutsche, Zeit) wurde das bestenfalls am Rande erwähnt - und ohne Konsequenzen zu fordern.



        3. Ja natürlich, das Photo war - wie jedes Politiker-Photo - eine Inszenierung; nur wenn man es in jedem unpassenden Kontext wieder verwendet, ist das trotzdem propagandistisch.



        Wollen Sie nicht zur Kenntnis nehmen, was mit dieser Rezeption eines mittlerweile uralten Photos artikuliert wird?

  • Wenn von westlichen Pazifisten die Rede ist, dann würde ich gerne wissen, wer denn da gemeint ist. Ich sehe, insbesondere bei der jüngeren Generation, nur westliche Hardliner, die nichts anderes dulden als ihre eigene Ideologie.



    Wenn hier die Rede davonn ist, dass die Menschen in der Ostukraine quasi Opfer russischer Propaganda sind und deswegen Angst vor den Oligarchen in Kiew haben, dann ist das eine absolut unterkomplexe Erklärung.

    Der Frieden in Europa wird nicht sicherer, wenn westliche Hardliner davon überzeugt sind, dass es keine anderen Interessen geben darf, die nicht mit den westlichen Interessen kompatibel sind. Um eigene Interessen durchzusetzen, ist die Karte "Menschenrechte" das falsche Blatt. Die Ukraine wird von den USA bis an die Zähne bewaffnet. Habeck, der grüne "Experte" für Waffenexporte in Krisengebiete, zeigt uns, wohin die Reise der Ampel führen wird.

    Wer denkt, dass man Russland oder sogar China mit "klarer Kante" begegnen muss und Diplomatie nicht zum Erfolg führt, ist gänzlich ungeeignet, dem Frieden in Europa und in der Welt zu dienen. Uns fehlen einfach die klugen Köpfe in der Ampel. Die Empörung über Merkels Anruf bei Lukaschenko, insbesondere bei den Grünen, ist völlig absurd.

    • @Rolf B.:

      …anschließe mich.

      kurz - Das Auge - sieht bekanntlich alles - außer sich selbst & es steht zu befürchten - daß ein 🥚jòò 🥚jòò - uns aller Heiko van slim&slime zu AA doch noch zu toppen ist.



      Mit Saufnase Ribbentrop “…diesen & die nächsten drei! Übernimmt die Deutsche Bundesregierung!“ Jawollja 🪖 🪖🪖🪖

      Na Mahlzeit - 💨 💨 💨