Afghanistan nach dem Machtwechsel: Taliban verbreiten Angst

Ein Bericht wirft den afghanischen Taliban gezielte Tötungen von Ex-Soldaten, die Blockade von Hilfslieferungen und die Unterdrückung von Frauen vor.

Männer mit Bärten sitzen vor einer Mauer

Taliban-Kämpfer sitzen vor dem Wandgemälde einer Frau hinter Stacheldraht, Straßenszene in Kabul Foto: Felipe Dana/ap

BERLIN taz | „Die Taliban sind dabei, die Errungenschaften der vergangenen zwanzig Jahre im Bereich der Menschenrechte zu demontieren“, lautet das Fazit eines Berichts, den drei renommierte internationale Menschenrechtsorganisationen am Dienstag über das neue Regime der Taliban in Afghanistan vorgelegt haben.

In dem 30-seitigen Bericht beschreiben Amnesty International, die Internationale Föderation für Menschenrechte (FIDH) und die Weltorganisation gegen Folter (OMCT) ein Klima der Angst, seit die militant-islamistischen Taliban am 15. August in Kabul einmarschiert sind und in Afghanistan die Macht übernommen haben.

Entgegen den Amnestieversprechen und den bis heute andauernden Beteuerungen der Taliban, die Rechte von Männern, Frauen und Kindern in Afghanistan zu achten, dokumentiert der Bericht zahlreiche Fälle von Menschenrechtsverletzungen und -verbrechen aus den ersten fünf Wochen des neuen Regimes. Er basiert auf Interviews mit Betroffenen und einer Auswertung von Medienberichten.

Beschrieben werden Fälle von wiederholten Einschüchterungen, der Durchsuchung von Wohnungen und Büros, von Schlägen und Folter, der Rache an Ex-Regierungsmitarbeitern, von Einschränkungen der Pressefreiheit, von Bedrohungen von ethnischen und religiösen Minderheiten bis hin zur Blockade von Hilfslieferungen für die widerspenstigen BewohnerInnen des Pandschir-Tals und zu politischen Morden. So sei etwa die schwangere frühere Polizistin Banu Negar getötet worden, genau wie der zunächst entführte Kabarettist Nazar Mohammed.

Bedrohungen sind an der Tagesordnung

Bedroht und eingeschüchtert von den Taliban würden insbesondere Men­schen­rechts­ver­tei­di­ge­r*in­nen und Politikerinnen, aber auch Jour­na­lis­t*in­nen und immer wieder Freunde und Angehörige von Geflüchteten wie von Untergetauchten.

Der Bericht nennt mehrere Beispiele aus verschiedenen Landesteilen, in denen Frauen trotz anderslautender Versprechen der Zugang zu ihren bisherigen Arbeitsplätzen verwehrt wurde, sei es durch entsprechende Anordnungen lokaler Taliban oder aus vorauseilendem Gehorsam der Arbeitgeber.

Die Äußerungen der Taliban seien „unklar und inkonsistent und hätten Frauen in ganz Afghanistan eingeschüchtert“, heißt es in dem Bericht.

Die Menschenrechtsorganisationen haben nach eigenen Angaben versucht, ihren Bericht den Taliban vorzulegen, doch hätten diese nicht geantwortet.

Kabinett jetzt vollständig ohne Frauen

Der Taliban-Sprecher Sabiullah Mudschahid, der die selbst ernannten Gotteskrieger stets als moderat und geläutert darzustellen versucht, präsentierte am Dienstag auf einer Pressekonferenz in Kabul die Namen der restlichen 17 Mitglieder des Übergangskabinetts. Wieder war keine einzige Frau dabei und nur ein Mitglied der schiitischen Hasara-Minderheit.

Mudschahid stellte auch die Wiedereröffnung weiterführender Schulen für Mädchen in Aussicht, nannte aber kein Datum. Seit Machtübernahme der Taliban ist Mädchen ab der 7. Klasse der Schulbesuch untersagt. Weiterführende Schulen waren letzte Woche aufgerufen worden, wieder für Jungen zu öffnen. An Universitäten dürfen Frauen nur noch von Männern getrennt und in Verschleierung studieren.

In Deutschland drängten am Dienstag Hilfsorganisationen die Bundesregierung zu vermehrten Anstrengungen zur Aufnahme gefährdeter Afghaninnen und Afghanen. Joshua Hofert von Terre des hommes sprach in Berlin laut der Nachrichtenagentur epd von „Verantwortungsdiffusion“ und „Blockadesituation“. Teils zufällige Fristen und Obergrenzen der Bundesregierung behinderten humanitäre Entscheidungen.

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