Doping bei der Tour de France: Alle sauber oder was?

Die Tour de France 2021 war eine der schnellsten der letzten Jahre. Kaum jemand redet von Doping. Warum?

Dunkelmänner oder Lichtgestalten? Tour-Sieger Pogacar (M.) auf dem Podium in Paris.

Dunkelmänner oder Lichtgestalten? Tour-Sieger Pogačar (M.) auf dem Podium in Paris Foto: Daniel Cole/dpa

Die Charmeoffensive trug Früchte. Nach seinem Überraschungssieg im Vorjahr gewann Tadej Pogačar die Tour de France 2021 sehr souverän. Die Zweifel, die Toursieger sonst begleiten, wurden in seinem Fall aber weniger explizit geäußert als früher. Pressekonferenzen waren keine peinlichen Befragungen mehr wie zum Ende der Armstrong-Ära. Auch Bradley Wiggins und Chris Froome mussten öfter erklären, sauber zu fahren.

Das hat auch damit zu tun, dass es Erklärungen für Poga­čars Dominanz gibt. Die frühen Ausfälle der Konkurrenz zum Beispiel. Die veränderten Attackemuster. Seine legendären Erholungsfähigkeiten. Und natürlich strahlte auch die Freude, die der Slowene beim Radfahren ausstrahlte, auf die Beobachter ab.

Aber Ansätze für Zweifel gibt es natürlich. Diese Tour war eine der schnellsten der letzten Jahre, kam fast an die Bestzeiten aus der Armstrong-Ära heran. Die Schweizer Zeitung Le Temps berichtete unter Berufung auf drei anonym bleiben wollende Tourteilnehmer von „ungewöhnlichen Geräuschen an den Hinterrädern“ mehrerer Teams. Genannt wurden Pogačars Team UAE, Jumbo-Visma vom Gesamt-Zweiten Jonas Vinge­gaard, Bahrain Victorious – bei denen die Polizei in der letzten Tourwoche eine Dopingrazzia durchführte – und Deceu­ninck-­Quick-Step mit dem Mann im Grünen Trikot Mark Cavendish und dem Super­attackierer Julian Alaphilippe.

Ob die Geräusche tatsächlich von unerlaubten Antrieben stammen oder lediglich Produkt der Reibung von Kette und Ritzel sind, blieb bisher ungeklärt. Die Kontrollen der UCI auf Motordoping – insgesamt 720 bis zum zweiten Ruhetag – ergaben keine Hinweise. Für Erleichterung sorgt dies nicht unbedingt. Die Kontrolleure hinken Betrügern meist um Jahre hinterher.

Künstliche Hämoglobinprodukte

Auch an der physiologischen Dopingfront gibt es Neuigkeiten. Eigenbluttransfusionen in kleineren Dosen sind weiterhin wohl nur dann zu entdecken, wenn die Polizei das Hotelzimmer stürmt und die Nadel noch im Arm stecken sieht wie weiland bei der Ski-WM in Seefeld. In einem Interview mit dem Dopinganalytiker Antoine Vayer wies der weniger bekannte, aber durch große Sachkunde auffallende Dopingbeobachter Marc Kluszczynski auf künstliche Hämoglobinprodukte wie ACE-011 (Sotatercept) und ACE 536 (Luspatercept) hin.

Sie sollen bis zu 40-mal mehr Sauerstoff transportieren können, eine Art Super-EPO also. Für beide Präparate sind in wissenschaftlichen Publikationen schon Nachweismethoden erwähnt. Ob diese in das Analyseprogramm der Dopingproben bei dieser Tour schon integriert waren, ist aber unklar.

Die Präparate könnten die schnellen Zeiten erklären. Verantwortlich könnten allerdings auch verbesserte Trainingsmethodik, Mentalbetreuung und vor allem die veränderte Charakteristik dieser Tour sein. Denn fast jeden Tag wurde attackiert, mal aus dem Peloton der Klassementfahrer heraus, mal aus den Fluchtgruppen. Das drückt die Gesamtfahrzeit mächtig.

Um so schnell fahren zu können, kann es aber eben auch sein, dass massiv nachgeholfen wurde. Verblüffend ist jedenfalls, dass der einst dominierende Rennstall Sky so blass auftrat. Entweder ging dort in dieser Saison im Training der Tourmannschaft einiges schief – oder die anderen Teams haben mächtig aufgeholt. Über die Gründe lässt sich gegenwärtig nur spekulieren. Machen sie das Gleiche wie die Briten? Trainieren sie besser? Haben sie neue Abkürzungen zur Superperformance gefunden? All das ist relevant. Es wurde aber weniger diskutiert als bei dieser Tour sonst üblich.

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