Ekelessen Hühnerei: Das Rohe und das Ungekochte
Nicht aus Schweinefleisch besteht das deutsche Herz, sondern aus Ei. Der Proteinfetisch wurde längst vom Nazi-Opa an die Fitness-Enkel vererbt.
E gal, wer zuerst die Welt erblickte, die Henne oder das Ei: Mit von der Partie war sicher auch ein starker, junger, deutscher Mann, der nur darauf lauerte, seinen ungebremsten Proteinbedarf zu decken. Denn nicht aus Schweinefleisch besteht das Herz dieser ungenießbaren Nation, sondern aus Ei.
Lange Zeit war es knapp, ihr größter Feldherr hatte bekanntlich nur eines. Nie wieder!, schworen sich Schwiegermütter und Stärkeväter nach dem Krieg und sorgten dafür, dass nie wieder Mangel an den Lebendkartöffelchen herrschte. Vertrauenswürdigen Gerüchten zufolge soll die Hausfrau Berta Riesentür aus dem Oberbergischen Land am 5. Oktober 1958 ganze 37 Eier in ihre Buttercremetorte verbacken haben.
So kommt es, dass in jeder kartoffeligen Familie mindestens eine meist betagtere Person irgendetwas Seltsames mit Eiern treibt: Eierschalen essen etwa, um den Volksdarm zu stärken, oder den unvermeidlichen Rohverzehr. Virtuos werden die Stallauster Eiweiß und der dottrig goldengelbe Lebensabzess ins sabbrige Maul geronnen und mit Blutwurst, Pumpernickel oder Schoko-Osterhasenschleim emulgiert.
Plumps!, fällt die Schmierknete in den dunklen Schlund, aus dem nur Brech- und Verdauweg herausführen, sodass das Wirtstier am Ende dann selbst „Eier“ „legt“. Und alle Taufbecken in hundert Kilometern Entfernung kippen augenblicklich um, werden schlecht, setzen Gottesschimmel an.
Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.
Dieser altherrenmäßige Kult der Eierstärke findet seine zeitgemäße Fortsetzung in den jungen, gebildeten Pumpermännern, deren Aufgabe darin besteht, ihren Körper so smart wie möglich an sein Optimum zu wuppen. Meist tragen sie Sneaker, gelegentlich Kappen, häufig Bärte, arbeiten in der Kreativ- oder Gesundheitswirtschaft, machen auf Instagram Fotos von sich selbst im Fitnessstudio, aber scheuen auch nicht den Gang in die freie Natur, hören Podcasts, mögen Tiere und Zimmerpflanzen. Im schlimmsten Fall bouldern sie.
Solche Menschen verflocken ihr locker dynamisiertes Geld nicht mehr in dubiose Shakes oder verätzen sich den Gaumen mit dem elendigen Magerquark. Für sie gibt es seit geraumer Zeit, kein Witz: flüssiges Eiweiß im Kanister. „Pumperlgsund“ heißt der Mist, der nun wirklich a rechter Scheißdreck ist, und, anders als Berta Riesentür aus dem Oberbergischen Land, auch nicht von mir ausgebrütet wurde. Googeln, staunen, ekeln Sie!
Was verschnattern jene Jerks als Nächstes? Eingetütete Eiweißflocken? Oder gleich pürierte Stierhoden? Und, siehe Führerei: Reicht das aus für ein zweites Mal Stalingrad?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Klimakiller Landwirtschaft
Immer weniger Schweine und Rinder in Deutschland