Lieferdienste für Lebensmittel: Rückkehr zum Planet der Affen

Die Dienstbotifizierung macht vor nichts halt, auch nicht vorm Supermarkt. Lieferdienste wie „Gorillas“ sind der letzte Schrei des Start-up-Irrsinns.

ein lieferdienstbode von Groillas

Lass die Affen aus dem Zoo: Gorillas-Fahrer, hier in Düsseldorf, sind immer öfter unterwegs Foto: imago

Lange standen die zwei Geschäftsräume in einer mäßig frequentierten Kölner Straßenzeile leer. In dem einen hatte sich einst eine Postfiliale befunden, nun bietet hier ein Mietbohrmaschinendienst seine Durchlöcherungen an; von dem anderen surren seit ein paar Monaten im Minutentakt Menschen in der Blüte ihres Lebens auf E-Bikes und mit pinken Lieferquadern auf dem Rücken in die Umgebung.

Sie tragen kein Restaurantessen auf ihren urbanen Schultern, sondern Lebensmittel. Onlinesupermärkte sind das neue große Ding der Start-up-Szene. Die pinke Abteilung gehört zu „Flink“, dem frischen Abklatsch vom kaum älteren Primus „Gorillas“, der bald eine Milliarde Euro an Bumskapital wert sein soll. Ausbeutung sells, wie man in der Branche sagt.

Früher haben die Leute Holz gehackt und ihre Butter selbst gemolken. Sie sind vor wilden Tieren um ihr Leben gerannt. Heute sendet „Gorillas“ auf Plakaten einen „Gruß an alle, die morgens um 8 h Bio-Gurken aus der Region bestellen“. Und leitet selbst die genervtestmöglichen Reaktionen in Werbesprechbahnen: Haben die noch alle Pralinen in der Packung?

Wohin das alles führt, ist eine gute und sogar ernst gemeinte Frage. Wer hätte vor zehn Jahren gedacht, dass sich Aka­de­mi­ke­r:in­nen­pär­chen eine sprechende Lautsprecherbox ins Wohnzimmer stellen? Folgt auf „Alexa“ bald „Rettich“, der das leider nicht mitlieferbare Supermarktfeeling ganz bequem ins Eigenheim trägt? Hängen sich Hipster bald Einkaufswagen an die Wand, voll retro?

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Die Dienstbotifizierung macht vor nichts halt. Das beschränkt sich übrigens nicht nur auf urbane Sphären; bald, dafür sorgt die CDU, hat jede Milchkanne ihre eigene smarte On-Demand-Station zur Verfügung, an der man sich frische Lieferboten liefern lassen kann. Zugleich gerät das Strömen in die Innenstadt zum Daseinszweck schlechthin. Aber wenn etwa Reiner Haseloff den Restaurantbesuch zum Grundrecht erklärt, wo bleiben dann die Sorgen und Nöte der kleinen Online-Start-up-Leute? Wovon sollen sie ihre Gewinnrunden abmähen? Weiß die Köchin im Schnitzelparadies, wo der „Gorillas“-Lieferant die Bestellung ablegt, aus der sie mein Essen kochen soll?

Die Politik hat auf diese Fragen keine Antworten. Liegt es an der deutschen Bürokratie? Am Föderalismus? An der älteren Generation? An der jungen? Niemand weiß es.

„Faster than you“ lautet der Slogan von „Gorillas“. Heißt im Umkehrschluss: Ich komme gar nicht hinterher. Große Datenfirmen halten mir eine hipdesignte Smoothie-Möhre vor die Fresse, aber haben mich längst abgehängt. Die Kosten tragen künftige Generationen; aber, nun ja, gevögelt wird auch immer weniger.

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Seit 2015 bei der taz, zunächst als Praktikant, dann als freier Autor und Kolumnist (zurzeit: "Ungenießbar"). Nebenbei Masterstudium der Ästhetik in Frankfurt am Main. Schreibt über Alltag, Medien und Wirklichkeit.

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