Unrechtmäßige Impfung gegen Covid-19: Konsequenzen für Dräng­le­r:in­nen

Bundesweit haben sich Amts­trä­ger:in­nen impfen lassen, obwohl sie noch nicht dran waren. Der Landtag von Sachsen-Anhalt diskutierte nun Strafen.

Ein Schild vor dem Impfzentrum in Halle/Saale weist den Weg zum Eingang - im Vordergrund ein Mann mit Tasche

Wer kriegt den Impfstoff? Bisher nicht immer die, die ihn wirklich am dringendsten brauchen Foto: Hendrik Schmidt/dpa

LEIPZIG taz | Es gibt eine Liste der Bundesregierung, die detailliert aufschlüsselt, wer in welcher Priorisierungsgruppe wann gegen Covid-19 geimpft wird. Die Kriterien: ein besonders hohes Risiko, enger Kontakt zu vulnerablen Gruppen oder berufliche Gründe bei Pflegekräften, Ärz­t:in­nen, Personen aus medizinischen Einrichtungen.

Nun werden immer mehr Fälle bekannt, in denen sich auch Po­li­ti­ke­r:in­nen und Po­li­zis­t:in­nen vorzeitig haben impfen lassen. Allein in Sachsen-Anhalt wurden inzwischen über 300 Polizist:innen, der Oberbürgermeister sowie einige Stadträte von Halle, Landräte und ein CDU-Landtagsabgeordneter geimpft. Im Landtag von Sachsen-Anhalt wurden die bevorzugten Impfungen nun am Donnerstag in einer Sondersitzung zur den Öffnungsmaßnahmen in der Coronapolitik des Landes erstmals zum Thema gemacht.

So kritisierte die Oppositionspolitikerin und Linken-Frak­tions­vorsitzende Eva von Angern insbesondere, dass die vorzeitige Impfung von über 300 Po­li­zis­t:in­nen in Stendal vom Innenministerium genehmigt wurde. Sie forderte mehr Verantwortungsübernahme vom Land und dem Ministerpräsidenten Reiner Haseloff (CDU). „Die Kritik an den Kommunen ist richtig, aber man muss auch im eigenen Laden aufräumen“, sagte von Angern im Anschluss der Sitzung gegenüber der taz. Sie betonte insbesondere, dass der Impfstoff in Sachsen-Anhalt knapp sei.

Ihre Fraktion fordert eine strengere Regelung für den Umgang mit Impfstoffresten im Landtag sowie die umgehende Suspendierung des Hallenser Bürgermeisters. Auch Sachsen-Anhalts Sozialministerin Petra Grimm-Benne (SPD) schloss ein disziplinarisches Vorgehen gegen die Verantwortlichen nicht aus. Sie lasse „keine Ausrede mehr zu, dass sonst der Impfstoff verfallen wäre“, sagte sie vergangene Woche dem MDR. Kommende Woche berät der Innenausschuss zum Thema.

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Erst am Mittwoch veröffentlichte eine Lokalzeitung Hinweise mutmaßlicher Po­li­zis­t:in­nen, die berichteten, dass weitere Verwaltungsmitarbeiter und Polizeibeamte „in relativ großer Zahl“ geimpft worden seien, als bislang bekannt. Demnach seien die 330 geimpften Po­li­zis­t:in­nen nicht etwa ein Testlauf, wie der Landkreis Stendal zuvor behauptete, sondern die Polizeiinspektion habe explizit um die Impfungen gebeten.

Weder Polizei noch Landkreis wollten dazu Stellung beziehen. In einer Sitzung des Sozialausschusses wurde zuvor bekannt, dass das Innenministerium davon gewusst haben muss, jedoch nicht intervenierte.

Mittlerweile wurde in mindestens neun Bundesländern unrechtmäßig geimpft. Bereits Anfang Februar erhielten Po­li­zis­t:in­nen aus Sachsen sowie Führungskräfte von Behörden, DRK und Feuerwehr in Hamburg und teilweise ihre Familien Impfungen. In Augsburg hatten sich sowohl der Bischof, als auch ein Landrat vorzeitig impfen lassen. Am Donnerstag wurde zudem bekannt, dass in der Oberpfalz (Bayern) mindestens 20 Angehörige von Heim­mit­ar­bei­te­r:in­nen unrechtmäßig geimpft wurden.

Zumeist wurden die frühzeitigen Impfungen damit begründet, dass der Impfstoff sonst verfallen wäre. Der Hallenser Bürgermeister dementierte inzwischen eine Falschaussage, nach der er durch einen Zufallsgenerator die vorzeitige Impfung erhalten habe.

Die Rechtmäßigkeit der frühzeitigen Impfpriorisierung ist jedoch ebenso umstritten wie die moralische Bewertung. Eine bundesweit einheitliche Regelung gibt es bislang nicht. Das Infektionsschutzgesetz sieht zwar Bußgelder bei Nichteinhaltung der Impfreihenfolge vor, nicht jedoch Regelungen, was zu tun ist, wenn der Impfstoff ansonsten aufgrund seines Haltbarkeitsdatums verfällt.

Eine Sprecherin des Robert-Koch-Instituts wollte die Lage auf Anfrage nicht kommentieren. Die Ständige Impfkommission (Stiko) habe entsprechende Empfehlungen publiziert, die Umsetzung sei Ländersache.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sagte vor wenigen Tagen: „Im Zweifel ist alles besser als wegwerfen.“ Dennoch sei es eine Frage von politischer Klugheit und ein Beispiel für Solidarität, ob Po­li­ti­ke­r:in­nen sich vorab impfen ließen. Er lässt nun prüfen, ob bundesweite Sanktionen vereinbart werden sollen.

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