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Impfstoffherstellung in DeutschlandMehr als Plätzchenbacken

Der Impfstoff ist knapp, die Hersteller kommen mit der Produktion nicht hinterher. Warum also nicht Lizenzen für andere Hersteller erzwingen?

Bisher knapp bemessen: Wer kann – und darf – den Impfstoff von BioNtech und Pfizer herstellen? Foto: Ronny Hartmann/dpa

Berlin taz | Kaum sind die Impfungen gegen das Coronavirus am Sonntag angelaufen, kommen von diversen Spitzenpolitikern Forderungen, die Produktion zu erhöhen, um schneller mehr Menschen zu immunisieren. So drängten sowohl Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) als auch FDP-Chef Christian Lindner und SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach auf entsprechende Schritte. „Endloses Warten reduziert auch die Bereitschaft der Bevölkerung, sich impfen zu lassen“, sagte etwa CSU-Chef Söder gegenüber der Deutschen Presse-Agentur.

Am konkretesten wird die Linkspartei. Deren gesundheitspolitischer Sprecher im Bundestag, Achim Kessler, fordert die Bundesregierung auf, Impfstoffhersteller zu zwingen, Lizenzen an andere Hersteller zu vergeben. „Die Bundesregierung hat selbst dafür die gesetzliche Grundlage geschaffen, warum sollte sie sie jetzt nicht nutzen“, sagte Kessler der taz. In der Coronapandemie müsse öffentliches Interesse über Profitinteressen stehen.

Tatsächlich ist rein rechtlich eine solche Zwangsfreigabe möglich. Im Infektionsschutzgesetz hat die Bundesregierung die Möglichkeit der Benutzungsanordnung geschaffen, die einen schnellen Zugriff auf das Produktions-Know-how eines Herstellers ermöglicht, wenn es im Interesse der Öffentlichkeit ist.

„In gewissem Sinne entspricht das einer Enteignung“, sagt der Münchner Patentrechtsanwalt Rainer Plaggenborg. Der Rechteinhaber sei natürlich angemessen zu entschädigen, aber das öffentliche Interesse stehe zunächst einmal im Vordergrund.

Fordert die FDP etwa Enteignungen?

Schon das Patentrecht sieht entsprechende Möglichkeiten in Form von Zwangslizenzen vor. In der Vergangenheit kam dies etwa bei einem Aids-Medikament zur Anwendung, allerdings erst nach langwierigen Gerichtsprozessen. Die Benutzungsanordnung ermöglicht nun ein schnelleres Eingreifen, wurde aber bislang noch nicht angewendet, so Plaggenborg.

Manfred Schubert-Zsilavecz, Professor für chemische Pharmazie und Vizepräsident der Goethe-Universität Frankfurt am Main, hält die politische Forderung nach einer Zwangsfreigabe der Impfstoffrechte indes für naiv. Rein technisch sei ein Transfer der Herstellungsprozesse zwar möglich, aber Schubert-Zsilavecz sieht keine Chance, mithilfe neuer Hersteller auf die Schnelle die Produktion zu erhöhen.

Bei einem einfachen, proteinbasierten Impfstoff wäre dies vielleicht denkbar, nicht aber bei der komplexen neuen MRNA-basierten Technologie. „Das ist doch kein Plätzchenbacken“, betont Schubert-Zsilavecz, der auch wissenschaftlicher Leiter des Zentrallaboratoriums Deutscher Apotheker und ehemaliger Präsident der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft ist.

Er mahnt zur Vorsicht bei jeder schnellen Ausweitung der Produktionskapazitäten: „Ein solches Scale-up kann die pharmazeutische Qualität und damit auch Wirksamkeit und Verträglichkeit negativ beeinflussen.“ Zwar solle man alle Kapazitäten nutzen, aber immer mit Blick auf die pharmazeutische Qualität. „Wenn ein zu schnell produzierter Impfstoff am Ende weniger wirkt oder unverträglicher ist, sinkt erst recht die Impfbereitschaft.“

Bei der FDP will man Christian Lindners Forderung nach einer Erhöhung der Produktion übrigens mitnichten als Aufruf zur Zwangsenteignung verstanden haben. „Dieser Vorschlag sollte ganz schnell in der Schublade verschwinden, ehe sich das im In- und Ausland rumspricht“, so die gesundheitspolitische Sprecherin Christine Aschenberg-Dugnus. Er sei nicht nur produktionstechnisch schwierig, sondern politisch geradezu gefährlich für den Produktions­standort Deutschland.

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11 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Jetzt hatten die vielen Klimatologen gerade erst auf Virologie umgeschult, schon sind sie Pharmazeuten und Patentrechtler. Ich gebe allerdings zu, dass der Nebenjob als Bundestrainer gerade nicht erfüllend ist.

    Wenn mir jetzt nach jemand schlüssig erklären würde, warum eine Zwangslizenz nach § 24 Patentgesetz (im Gegensatz zur Versagung des Patentschutzes gemäß § 13 Patentgesetz) automatisch eine Ausweitung der Produktionskapazitäten nach sich zöge, wäre ich dankbar. Mir könnte man so eine Lizenz sogar schenken, auf die Pandemie hätte das keinen Einfluss.

    Für die Hobby-Wirtschaftswissenschaftler: ein Hersteller (besser: dessen Leitungsorgan), der in der aktuellen Phase eines Oligopols (das verschwinden wird) mangels eigener Produktionskapazitäten seinen Umsatz nicht durch Lizenzerteilungen steigern würde, könnte sich auf seine nächste Hauptversammlung freuen.

  • Biontech/Pfizer haben daran doch sowas von keinem Interesse.

    Sie sind die Ersten aber nicht die Besten, vor Allem wegen er exorbitanten Kühlung.

    Damit müssen sie jetzt möglichst schnell selbst viel Geld verdienen, bevor die besseren (einfacheren) Nachfolger auf den Markt kommen.

  • Der wesentliche Punkt wird erst gar nicht benannt: Der Standortnachteil. Kommt es erst mal zu einer solchen Zwangslizenz überlegen sich Wissenschaftler einmal mehr die Forschung und Ansiedlung in Deutschland. Zudem dürften andere Länder diese Zwangslizenz kopieren. Lasst lieber die Büchse der Pandora zu.

    • @DiMa:

      Wo kämen wir dahin, wenn wir den Kapitalismus bändigen würden?

      • @Rolf B.:

        wir kämen vielleicht schnell dahin, wo nicht mehr geforscht wird. Für die Medaille "Held der Wissenschaft und Forschung" strengen sich nur wenige Leute an.

      • @Rolf B.:

        Nach Nordkorea. Die entwickeln auch keinen Impfstoff.

  • Augenwischerrei:

    Im Privatrechtlichen ist eine Lizenzproduktion von Wirkstoffen üblich. Es ist also nicht einzusehen, weshalb das per Verordnung nun eine Enteignung darstellen soll, zumal in beiden Fällen der Rechteinhaber fürstlich entlohnt wird.



    Auch der Transfer von Know-How sind bei solchen Lizenzproduktionen übliche Praxis. Fast sämtliche auf dem Markt verfügbaren Medikamente werden in Lizenz zumeist in China oder Indien hergestellt nach der Rezeptur und unter Anleitung der Patentinhaber bzw Auftragsfirmen. Auch hier schreit niemand, das sei Enteignung.



    Auch der Hinweis, das sei kein Plätzchenbacken zieht nicht, gilt das für fast alle Wirkstoffe. Auch die Auslagerung an mehrere kleinere Biotechfirmen bedeutet kein Upscaling-Qualitätsverlust.

    Das einzige, was mit solchen Aussagen betrieben wird, ist Selbstinszenierung und Wahlkampf.

    • @Unvernunft:

      Können Sie denn den Beweis dafür antreten, dass ein erzwungenes Upscaling in kürzester Zeit keine qualitativen Nachteile bedeuten? Ich warte lieber einige Wochen länger, bis ich mit der Impfung an der Reihe bin, wenn ich dafür auf einen hochwertigen Impfstoff vertrauen darf.

      • @Markus Wendt:

        Der Lizenznehmer hat ein Interesse an einer guten Qualität, denn ansonsten fliegt er aus dem Markt, was bei einer Second Source extrem schnell passieren kann.

        Außerdem sind die Unterschiede zwischen internem und externem Upscaling nicht so groß. In beiden Fällen sind es neue Standorte, neue Anlagen und neue Leute.

    • @Unvernunft:

      Sie beschreiben das sehr richtig. Danke.



      Die Warnungen vor Qualitätsverlust etc. sind reine Propaganda.

    • @Unvernunft:

      Diese Aussagen sind wohl eher ein Widerspruch zur Forderung, den Impfstoff möglichst günstig allen Menschen auf diesem Planeten zur Verfügung zu stellen.



      Das in den Verträgen mit den Herstellern vereinbarte Stillschweigen über den Preis und die Vertragsdetails gibt den Herstellern und Patentinhabern nur die Möglichkeit den Preis für den Impfstoff möglichst hoch zu handeln.



      Eine Lizenz zur Herstellung wird unter den im Artikel genannten Preisen je Impfdosis liegen und würde bei Lizenzvergabe zu günstigeren Preisen als bislang verhandelt führen.



      Fazit: Der Preis je Impfdosis soll erst nach ausreichenden Einnahmen der priorisierten Hersteller und der Patentinhaber freigegeben werden. Dies ist die übliche Handelsstrategie in diesem Marktsegment. Die Armen dieser Welt erhalten diese Impfstoffe zuletzt. Wie dies auch schon bei Aids, u.a. der Fall war. Dies könnte durchbrochen werden, wenn der Preis und die Verträge offen gelegt werden.



      Das sollte eigentlich Standard sein, wenn das Virus bedroht uns alle auf diesem Planeten.



      Das Verhalten von von der Leyen und anderen ist unverantwortlich und trägt zu keinem Vertrauensaufbau bei.