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Protest gegen CastortransportCastoren am Haken

Das Schiff mit Atommüll erreicht Nordenham in Niedersachsen. Im Anschluss soll es per Zug weitergehen. Mit einem Großaufgebot der Polizei.

Niedersachsen, Nordenham: Ein Castor-Behälter wird von dem Spezialschiff Pacific Grebe gehoben Foto: Sina Schuldt/dpa

Göttingen taz | Ein kräftiger Wind fegt am Montagmittag durch den Hafen von Nordenham. Die Polizei hat einen Teil des Areals abgesperrt. Nur von weiten ist ein roter Kran zu erkennen, er hat den Arm über ein Schiff ausgefahren, am Haken baumelt ein tonnenschwerer Container. In der niedersächsischen Stadt hat die Verladung von insgesamt sechs mit hochradioaktivem Atommüll befüllten Castorbehältern auf einen Zug begonnen.

Begleitet von einer Armada von Polizeibooten und zwei Tage später als zunächst erwartet, war der Frachter „Pacific Grebe“ am frühen Morgen in Nordenham eingetroffen. Er war am Dienstagabend im englischen Hafen Barrow-in-Furness gestartet. Weil die Besatzung das automatische Positionserkennungssystem AIS ausgeschaltet hatte, ließ sich die Fahrt des Schiffes von außen nicht verfolgen. Die Castoren enthalten stark strahlende, in Glas eingeschmolzene Rückstände aus der Wiederaufarbeitungsanlage Sellafield.

Sachverständige würden in Nordenham alle sechs beladenen Waggons auf Radioaktivität messen, sagte der Sprecher der Gesellschaft für Nuklear-Service (GNS), Michael Köbl. Das stelle sicher, dass der gesetzlich vorgegebene Grenzwert für die Strahlung auch während des bevorstehenden Bahntransports zuverlässig eingehalten werde. Erste Messungen in Sellafield hätten ergeben, dass die Grenze von 100 Mikrosievert pro Stunde „weit unterschritten“ worden sei. Die Atomkraftgegner vom Bündnis „Castor stoppen“, das den Transport mit Aktionen und publizistisch begleitet, trauen den Ankündigungen der GNS aber nur bedingt. Sie wollen, wenn möglich, eigene Messungen an den Castoren vornehmen.

Der Weitertransport der Behälter zum Zwischenlager Biblis soll voraussichtlich am Dienstag erfolgen. Von Nordenham aus muss der Zug auf einer überwiegend eingleisigen Bahnstrecke zunächst rund 50 Kilometer bis nach Hude bei Oldenburg fahren, von dort geht es entweder über Oldenburg, das Emsland und Westfalen oder über Bremen weiter. Atomkraftgegner haben an rund einem Dutzend Orten im Bundesgebiet Demonstrationen und Mahnwachen angekündigt.

Zur Rücknahme verpflichtet

Die Initiative „Bloc Castor“ erklärte in einer vom Aktionsbündnis verbreiteten Mitteilung, sie wolle den Zug möglichst zwischen Bremen und Oldenburg blockieren. Dass das gelingt, erscheint unwahrscheinlich: Die Polizei hat in den vergangenen Tagen die meisten zugänglichen Abschnitte der infrage kommenden Bahnstrecken gesichert. Nach Medienberichten sollen insgesamt bis zu 11.000 Polizeibeamte den Transport schützen.

Nach Sellafield sowie in die französische Wiederaufarbeitungsfabrik La Hague wurden bis 2005 abgebrannte Spaltelemente aus deutschen Atomkraftwerken gebracht. Die Bundesrepublik ist zur Rücknahme des Atommülls verpflichtet. Atomkraftgegner halten den Transport für gefährlich und unnötig, solange es in Deutschland noch kein Endlager gibt.

So kritisiert Robin Wood den Transport als „planlose Atommüll-Verschieberei“, die das Atommüll-Problem nicht löse, aber Umwelt und Bevölkerung einem beträchtlichen Risiko aussetze. Den hochradioaktiven Atommüll mit einem in ein unsicheres Zwischenlager zu bringen, um ihn in einigen Jahren mit einem erneuten Transport woanders hin zu verfrachten, sei verantwortungslos.

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8 Kommentare

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  • Wieso begeben sich eigentlich Personen, die die Castoren für gefährlich halten, in deren Nähe? Wenn ich Angst vor Strahlung aus einem Objekt hätte, würde ich mich von dem Objekt fernhalten.

  • 100µS pro Stunde ... hier sind es lt. offizieller Angaben zwisch 0.05 und 0.17 µS pro Stunde.



    D.h. der Grenzwert ist zwischen 588 und 2000 x so hoch wie die Hintergrundstahlung [hier].

    Zum Vergleich: In Fukushima liegt der Grenzwert für Schulen und Kindergärten bei 3.8 µS pro Stunde.

    Lt Bericht liegen die tatsächlichen Werte "weit" darunter - aber was heißt schon "weit" ?

    Gott sei Dank bleibt nichts davon zurück wenn der Castor weg ist. Es wird also nichts irgendwie verseucht sondern "nur" bestrahlt.

    Und btw: Ich habe größtes Verständnis dafür, dass die Castoren umgehend an den Verursacher zurückgeschickt werden.



    Und die Castoren werden im Zwischenlager bleiben bis ein Endlager einsatzbereit ist - also ca 40 Jahre ...

    Und Achtung bei eigenen Recherchen: Häufig wird die Dosis bzw ein Grenzwert in mS/a (Also Millisievert pro Jahr angegeben) da steht aber oft nur "mS" . Mann muss den Wert dann durch 8640 [360Tage x 24 Stunden] teilen um das zu vergleichen.

    Tendenz ist: soll ein Wert möglichst "schlecht" dargestellt werden nehme mS/a. Soll es "gut" aussehen nehme µS/h

  • Wieso gibt es immer noch die Blockaden? Wozu noch diese Art von Protest?

    Deutschland steigt doch schon aus der Kernenergie aus. Und irgendwo muss der Müll nunmal zwischengelagert werden, solange es kein Endlager gibt.

    Und unseren Müll in Frankreich oder GB zu lassen wird kaum möglich oder erwünscht sein.

    • @gyakusou:

      Wenn das "unser", also auch "mein" Müll sein soll, dann möchte ich aber auch einen entsprechenden Anteil am Profit haben, den "Wir" mit dem Atomsrom angeblich erzielt haben.



      Also: Nein es ist nicht "unser" Müll, sondern Müll der Atommafia, die Milliarden-Profite mit der dessen Produktion erzielt hat.

      • @Wagenbär:

        Ja wagenbär, denn Profit hattest Du, ja Du... schau dir einfach dein alte Stromrechnung vor dem Ausstieg an... Und deine jetztige...



        Ja das waren Zeiten bevor die Ausstiegsumlagen... Deine Stromrechnung nach oben schraubte..



        Also dein/unser Profit...und damit dein/unser Atommüll. sic !

        • @Pace#:

          Gähn!



          Atomstrom war nie billig. Er wurde schon immer höchst-Subventioniert und zu Zeiten der Strom-Monpole hatte ich keine Wahl.



          Seit ich eine Wahl habe, nutze ich preisgünstigen regenerativen Strom und meinen selbstgeernteten Sonnenstrom. Die Sonne hat mir bisher noch keine Rechnung geschickt :-)



          Jene /höchst/-Subventionierung hat uns alle auch durch die jahrzehntelange Verhinderung von dezentralem und preiswertem regenerativer Strom erheblich belastet und der Umwelt geschadet.

          • @Wagenbär:

            Nochmals..ganz kurz und knapp.



            Das es jeder versteht...Egal warum/weshalb egal dafür/dagegen egal ob Atomkraft richtig/falsch



            ES IST UNSER ATOMMÜLL..



            Unser Dreck, unsere Entscheidung den Atommüll zu produzieren, unsere Pflicht den Müll bei uns und nicht in Frankreich oder England einzulagern.. was wollen Robin Wood und Bloc Castor mit ihren Blockaden erreichen ?

            • @cosmoplitaBE:

              "was wollen Robin Wood und Bloc Castor mit ihren Blockaden erreichen "



              --------------------------



              1 Robin Wood ist keine Geheim-Organisation sondern eine Gewaltfreie Umweltaktionsgemeinschaft, ein anerkannter Umweltschutzverband und so mit Büro und (sehr guter) Pressesprecherin.



              2. Flachse Frage, bessere Frage:



              Was haben RoWo und die gesamte Anti-AKW- Bewegung erreicht?



              RobinWood hat schon in den 90er Jahren nahezu jeden Castor-Transport /zu/ den sogennanten "WAA"s blockiert oder mit Demos begleitet. Haben darauf hingewiesen, dass der Atommüll dort nicht verringert, sondern im Gegenteil auf das ca 16-Fache Volumen vervielfacht wird und jede dieser Anlagen dabei mehr Radioaktivität freisetzen, als alle AKW zusammen.



              Und sie haben damit erreicht, dass dieser WAAnsinn beendet wurde.