Geh Heimstaden

Nach der Shopping-Tour von Heimstaden zieht Berlin erstmals das Vorkaufsrecht. Die Bezirke und der Senat erwerben drei Häuser in Milieuschutzgebieten. Andere Häuser hatten aber weniger Glück

Protest lohnt sich: Die Mieter-Ini Fünf Häuser protestiert gegen Heimstaden Foto: Florian Boillot

Von Gareth Joswig

Die Bezirke Neukölln und Friedrichshain-Kreuzberg ziehen das Vorkaufsrecht bei drei Häusern, die der schwedische Konzern Heimstaden kaufen wollte. Es handelt sich um Häuser in der Kreuzberger Bergmannstraße, der Friedrichshainer Mühsamstraße und der Friedelstraße in Neukölln. Es ist das erste Mal, dass Senat und Bezirk gegen den neuen großen Player auf dem Berliner Wohnungsmarkt einschreiten. Die drei Häuser sind Teil eines Pakets mit insgesamt 16 Immobilien. In einem weiteren Megadeal will Heimstaden derzeit knapp 4.000 weitere Wohnungen erwerben.

Am Dienstagabend hatte Bezirksstadtrat Florian Schmidt (Grüne) getwittert, dass es zur Ausübung des Vorkaufsrechts komme. Bis zum Schluss wurde nach Informationen der taz um eine Abwendungsvereinbarung gerungen. Die hätte den Vorkauf verhindern können, wenn Heimstaden sich auf sozialverträgliche Rahmenbedingungen für den Erwerb verpflichtet hätte. Das wollte der sich mieterfreundliche gebende Konzern aber offenkundig nicht. Nach taz-Informationen scheiterte die Abwendung daran, dass Heimstaden sich nicht auf ein 20-jähriges Umwandlungsverbot in Eigentumswohnungen verpflichten wollte.

„Mir haben am Tisch schon viele Investoren erzählt, dass sie die Guten seien“, sagte der Bezirksstadtrat von Neukölln, Jochen Biedermann (Grüne), am Mittwoch. „Wir werden auch bei weiteren 27 Häusern, die Heimstaden in Neukölln kaufen will, um jedes einzelne kämpfen.“ In Neukölln wurde der Vorkauf zugunsten der Wohnungsbaugenossenschaft Am Ostseeplatz getätigt, in Zusammenarbeit mit den Senatsverwaltungen für Finanzen und Stadtentwicklung. Über den Preis verrät Biedermann nichts. Für Heimstaden läuft nun eine einmonatige Widerspruchsfrist. Der Konzern äußerte sich bisher nicht.

Während in Neukölln das Vorkaufsrecht zum regulären Kaufpreis zieht, will Friedrichshain-Kreuzberg bei den beiden Häusern dort sogar ein verbilligtes Vorkaufsrecht durchsetzen, wie Bezirksstadtrat Florian Schmidt (Grüne) der taz bestätigte. Ein preislimitiertes Vorkaufsrecht sei möglich aufgrund des Vorbesitzers, der sich offenbar nicht an den Mietendeckel gehalten hatte. Kaufen wollte Heimstaden die Häuser von dem Wohnungsunternehmen Schönhaus Immobilien GmbH. Das wiederum hatte nach Recherchen des Tagesspiegels möblierte Wohnungen zeitlich befristet für 16 Euro pro Quadratmeter und aufwärts vermietet. Weil Heimstaden wohl mit ähnlichen Einnahmen rechnete, lag der Kaufpreis viel zu hoch: nach einem Gutachten bis zu 36 Prozent über Verkehrswert, wie Schmidt sagte.

Ein komplettes Novum sei die Preislimitierung dabei nicht. Es befänden sich derzeit zwei ähnliche Fälle vor Gerichten. Ein Ergebnis des Rechtsstreits: Eine Preislimitierung ist demnach zulässig, wenn der Kaufpreis um mindestens 25 Prozent den Verkehrswert überschreite, so Schmidt. Am Käufer lässt er nach harten Verhandlungen kein gutes Haar: „Heimstaden versucht, mit allen Wassern gewaschen, Vorkauf und Milieuschutz auszubremsen.“ Der Vorkauf ist laut Schmidt „ein entscheidendes Signal an Heimstaden“. An Mieter:innen appellierte er, weiter Druck auf der Straße zu machen. Auch die Staatssekretärin für Wohnen, Wenke Christoph (Linke), zeigte sich zufrieden: „Heimstaden sollte diesen entschlossenen Willen zur Kenntnis nehmen und mit einer erhöhten Bereitschaft zur Kooperation reagieren.“

In Neukölln gab es laut Biedermann für eine Preislimitierung keinen Spielraum. Biedermann gab zudem zu bedenken, dass beim preislimitierten Vorkaufsrecht der Verkäufer ein Rücktrittsrecht hätte und sich lange Rechtsstreits anschließen könnten.

Für Gaby Gottwald, mietenpolitische Sprecherin der Linken, zeigt Berlins wohl größter Immobilendeal des Jahres, dass trotz Mietendeckel und Vorkaufsrecht weiter in Wohnraum investiert wird. „Immer mehr überschüssiges Kapital drängt in den Markt“, sagt sie. Es mache ihr Sorgen, dass es trotz aller Maßnahmen immer noch einen solchen Druck gibt, in Immobilien anzulegen.

„Wir werden um jedes Haus kämpfen“

Jochen Biedermann, grüner Bezirksstadtrat Neukölln

Der Fall sei typisch: Auch hinter Heimstaden stehe ein Milliardär, ebenso hingen große Versicherungs- und Pensionsfonds mit drin: „Diese Unternehmen versuchen, über den Wohnungsmarkt die Altersversorgung in anderen Ländern zu sichern.“ Ähnlich ist es in Berlin etwa bei der viel kritisierten Firma Akelius. Gottwald kritisierte: „Heimstaden charmiert herum bei Gott und der Welt, um zu vermitteln, dass sie ein guter Vermieter seien. Gleichzeitig verweigern sie aber gute Abwendungsvereinbarungen.“

In die Röhre gucken übrigens die Mieter:innen sechs weiterer Häuser in Friedrichshain und Mitte aus dem Schönheim-Deal, deren Wohnungen nicht im Milieuschutzgebiet liegen. Hier sind den Bezirken und dem Senat die Hände gebunden. Die Mieter:innen haben am Dienstag Briefe bekommen, in denen steht, dass Heimstaden ihr neuer Vermieter sei. Bei drei weiteren Häusern mit Milieuschutz in Friedrichshain-Kreuzberg hat der Bezirk das Vorkaufsrecht nicht gezogen. Man habe geprüft, man könne aber nicht jedes Haus retten, wie es hieß.

Auch bei vier Häusern mit Milieuschutz in Pankow kam es nach taz-Infos nicht zu Abwendungen oder Vorkäufen. Bezirksstadtrat Vollrad Kuhn (Grüne) sie im Urlaub, andere Zuständige nicht im Haus. Frühestens könne sich Pankow nächste Woche dazu äußern.

Dann ist die Frist bereits eine Woche abgelaufen.