Aktivist über seine Paddeltour: „Umweltschutz cooler machen“

Auf einem Stand-up-Paddleboard ist Michael Walther von Basel nach Kiel gepaddelt. Mit Wassersport will er für Umwelt- und Klimaschutz werben.

Ein Mann steht neben einem Busch vor einer Wasserflächle, dahinter am Horizont ein Sportboothafen

Zero emissions: Michael Walther will durch Segeln und Standup Paddling auf die Klimakrise hinweisen Foto: Thomas Eisenkrätzer

taz: Herr Walther, wie schlimm war Ihr Muskelkater, nachdem Sie drei Wochen von Basel nach Kiel gepaddelt sind?

Michael Walther: Der Muskelkater ist nach ein paar Tagen auf dem Stand-up-Paddleboard...

... kurz: SUP...

... schon weg. Wahrscheinlich resigniert der Körper einfach irgendwann. Die Tour hat aber deutliche körperliche Spuren hinterlassen. Ich habe zehn Kilo abgenommen. Ich habe täglich bis zu 6.000 Kalorien verbraucht, da kommt man mit dem Essen nicht hinterher. Muskelkater war also ein geringes Problem, ich hatte eher andere Schwierigkeiten.

Zum Beispiel?

So eine Ausdauertour bringt mentale Herausforderungen. Auf dem Mittelkanal hatte ich das Problem, dass meine Innenhand sehr geschmerzt hat. Das passiert, wenn man die Hände so enorm belastet. Sie werden taub. Ich bin von meinem Körper gewohnt, dass ich von oben Energie nachschmeiße und dann relativ lange weitermachen kann. Ich habe selten Krämpfe, deswegen war ich mir nicht sicher, ob ich mich da reinsteigere und es eher eine Sache der Motivation war. Ich habe da immer wieder reingefühlt und mir einen echten Kopf gemacht. Nach einigen Kilometern habe ich mich dann bewusst dazu entschieden, einfach erst mal nicht mehr drüber nachzudenken und abzuwarten. Es wurde dann nicht schlimmer, sondern relativ schnell deutlich, dass es eher eine Kopfsache war.

Belastet Sie die Isolation?

Ich fühle mich bei meinen Touren gar nicht isoliert, weil ich ganz gut mit mir selbst zurechtkomme. Ich freue mich, mit Leuten ins Gespräch zu kommen, aber viele verstehen nicht, dass so eine Tour auch Stress bedeutet. Wenn ich an Land komme, will ich schnellstmöglich mein Zelt aufbauen, was essen und schlafen, um mich so gut es geht zu regenerieren. Am nächsten Morgen will ich dann auch wieder so früh wie möglich auf dem Brett stehen. Ich komme halt nicht vorwärts, wenn ich Nachrichten schreibe. Während der drei Wochen habe ich gerade dreimal mit meiner Frau telefoniert.

39, wuchs auf Norderney auf. Sein Jurastudium hat er vor dem zweiten Staatsexamen abgebrochen. Walther segelte professionell und gründete 2008 das Projekt „Zero Emissions“, mit dem er durch Segeln und Stand-Up-Paddling auf den Klimawandel hinweisen will. Er arbeitet als Kommunikationsberater für Wassersportunternehmen und lebt in Kiel.

Was sollte man mitnehmen, wenn man einmal quer durch Deutschland paddelt?

Für die Tour habe ich ein normales, aufblasbares SUP genutzt, allerdings ein echtes Tourenboard mit viel Volumen für das Gepäck. Dazu kamen ein Paddel und ein Ersatzpaddel, ein Bootswagen, auf den ich alles laden konnte, wenn ich eine Schleuse passieren musste und eine Isomatte, einen Schlafsack und ein kleines Zelt. Sonst noch einen Campingkocher und Konserven, eine Solarzelle für meinen Livetracker und mein Smartphone. Das war’s. Am Ende hatte ich fast 45 Kilo dabei. Ich habe allein sieben Liter Wasser täglich mitgehabt.

Sie waren im August unterwegs, mitten in der Hitzewelle.

Ja, es waren zum Teil über 38 Grad. Als Norddeutscher und mit der körperlichen Anstrengung hatte ich da echt zu kämpfen.

Was hat Ihnen den Antrieb gegeben?

Zum einen bin ich Wassersportler, habe Bock auf Herausforderungen und bin gerne in der Natur. Das ist aber nur ein kleiner Teil der Motivation. Ich möchte Wassersport mit Umweltschutz kombinieren und zeigen, wie schützenswert unsere Natur ist.

Wen wollen Sie damit erreichen?

Zum einen die Menschen direkt am Ufer, mit denen ich ins Gespräch komme. Aber es hilft natürlich auch sehr, wenn die Medien berichten und ich damit Leute erreiche, die sich sonst nicht so sehr mit dem Thema befassen. Deshalb gehe ich auch gerne an Schulen und spreche mit Kindern und Jugendlichen. Dabei hilft es sehr, dass ich weiß, wovon ich spreche. Ich stehe dann nicht mit erhobenem Zeigefinger vorne und doziere, sondern erzähle einfach eine coole Geschichte meiner Paddeltour von Basel nach Kiel und nebenbei schwingt mit, wie schön unsere Natur ist und wie wichtig es sein sollte, sie zu schützen. Mir ist es wichtig, Umwelt- und Klimaschutz cooler zu machen.

Und wie macht man das?

Das klingt vielleicht erst mal oberflächlich. Aber ich bin der Meinung, dass Umweltschutz kein Nischenthema bleiben darf. Dank Greta Thunberg setzen sich inzwischen mehr Menschen damit auseinander, aber es sind immer noch zu wenige. Mit meiner Tour biete ich den Leuten einen Anknüpfungs- und Diskussionspunkt. Einige finden solche Aktionen sinnlos, andere spektakulär. So oder so regt es die Menschen an. Hinzu kommt, dass sicher nicht jeder Bock auf 1.300 Kilometer mit einem Stand-up-Paddle hat. Es ist aber eine Sache, die viele theoretisch machen könnten – genau wie beim Klimaschutz. Es ist eine Frage des Wollens und nicht des Könnens.

Wer muss denn wollen?

Ich bin an dem Kohlekraftwerk Datteln 4 vorbeigepaddelt. Es ist hübsch designt, damit es modern und sauber aussieht. Es zu betreiben ist aber das Beknackteste, was man machen kann. Da frage ich mich echt, wie Leute solche Entscheidungen treffen können. Seien es Politiker oder Lobbyisten – wie können die nachts ruhig schlafen? Natürlich muss jeder bei sich selbst anfangen und ich bin sicher auch nicht perfekt, weder im Klimaschutz noch in anderen Aspekten. Aber es ärgert mich, wenn die Leute mir während meiner Aktionen auf die Schulter klopfen, sich dann aber einen neuen SUV bestellen oder das Fleisch auf den Grill hauen. Da kriege ich die Krise. Dann sollen sie einfach ehrlich sein und sagen, dass sie einfach so weitermachen wollen wie bisher. Es ist einfach viel verlogenes Wischiwaschi dabei.

Haben sich die Reaktionen auf Ihre Touren über die Jahre verändert?

Einigen Menschen ist, glaube ich, klarer geworden, was auf uns zukommt. Das gilt aber oft auch nur für die Blase um einen herum. Wenn man aus dieser heraustritt, wird einem schnell klar, dass der Klimawandel bei vielen Menschen noch gar nicht angekommen ist. Aber sogar bei denen, die sich darüber Gedanken machen, fehlt es häufig an ersten, eigenen Schritten. Dabei braucht es diese von jedem Einzelnen. Trotzdem glaube ich, dass es ohne gesetzliche Vorgaben nicht funktioniert. Wenn ich mir die Motivation innerhalb der Gesellschaft anschaue, etwas zu verändern, dann geht es nicht anders. Das habe ich auf der Tour wieder gemerkt.

Gab es einen bestimmten Moment, an den Sie sich erinnern?

Im Grunde waren es die Vielzahl von Situationen, in denen ich immer wieder gemerkt habe, wie wenig sich die Menschen mit der Klimakrise auseinandersetzen. Wenn ich in meinen Facebook-Account reinschaue, dann geht es viel um Umweltschutz und Menschenrechte. Ich denke dann, dass sich doch was bewegt. Aber das ist halt meine eigene Blase. In der realen Welt trifft man auf viele Menschen, die kein Interesse daran haben oder sogar dagegen wettern. Auch auf dem Wasser erkennt man die Ignoranz. Auf dem Rhein schwimmt so viel Dreck. Von Plastik über Autobatterien und Tierkadavern ist alles dabei.

Frustriert Sie das nicht?

Doch. Ich mache die Dinge, weil ich einen starken Gerechtigkeitssinn habe. Es geht mir genauso gegen den Strich, dass wir Geflüchtete im Mittelmeer ersaufen lassen. Aber das Umweltthema geht mir auch so nahe, weil ich das Gefühl habe, dass wir einfach Arschlöcher sind, die der kommenden Generationen die Chance verbauen, ein schönes Leben zu haben. Ich bin aber noch nicht soweit, dass ich aufgebe. Stattdessen werde ich immer deutlicher und radikaler in meinen Aussagen, weil die Leute es auf die softe Art nicht verstehen.

Ihre zweite Leidenschaft ist der Wassersport. Wie kam das?

Ich fühle mich auf dem Wasser zu Hause. Ich bin auf Norderney aufgewachsen und hatte somit immer die Nähe zur Natur. Mit sechs Jahren saß ich das erste Mal im Segelboot. Dazu kam es eigentlich nur, weil mein älterer Bruder gesegelt ist und ich damals immer dasselbe machen wollte wie er. Letztendlich sind wir 18 Jahre gemeinsam Regatten gesegelt. Ich habe mein Segeln immer weiter professionalisiert und auch an internationalen Wettkämpfen teilgenommen.

Sie haben sich nach der Schule aber erst mal dafür entschieden, Jura zu studieren.

Ja, die Wahl auf Jura fiel vermutlich auch wegen meines Gerechtigkeitssinns. Aber auf dem Weg zum zweiten Examen habe ich die Motivation verloren, weil es viel um das Prozessuale ging und ich mir nicht vorstellen konnte, als Jurist zu arbeiten. Neben der professionellen Segelei habe ich mich dann in den Bereich Kommunikation und Marketing hineingearbeitet. So kommt es, dass ich jetzt bei einer Kommunikationsagentur arbeite und Wassersportunternehmen im Bereich Strategie und Nachhaltigkeit berate.

Wie sind Sie vom Segeln zum Stand-up-Paddling gekommen?

Das Paddeln eignete sich gut, um nach dem aktiven Segelsport körperlich fit zu bleiben, als Ausgleich zum Bürojob. Ich mag es, dass ich mich richtig verausgaben, aber auch einfach auf dem Wasser rumeiern kann.

Sie gründeten 2008 das Projekt „Zero Emissions“.

Ich habe es als Segelprojekt mit einem Freund gegründet, um auf die Klimakrise hinzuweisen. Wir sind im Dezember mit einem Trimaran um die Ostsee gesegelt und haben von allen Anrainerstaaten einen Segler mitgenommen, um in den Dialog zu treten und über Klimaschutz zu sprechen. 2015 habe ich festgestellt, dass sich das Paddeln auch gut dafür eignet, weil es näher an den Leuten dran ist. Viele können die Dimensionen beim Segeln nicht gut einschätzen. Wenn ich ein so abstraktes Thema wie den Klimawandel auf die Agenda bringen will, sollte ich mir vielleicht ein einfacheres Mittel suchen, um es nachvollziehbarer zu machen. 2018 bin ich an der Küste Grönlands mit meinem SUP gepaddelt, weil ich dort mit den Menschen ins Gespräch kommen und mir ein eigenes Gespür verschaffen wollte, wie sich der Klimawandel konkret auswirkt. Bei der Reise ist unser mehrfach ausgezeichneter Kurzfilm „The Great Route“ entstanden.

Wie haben Sie die Natur und Menschen in Grönland erlebt?

Es war beeindruckend. Mit einem Besuch kann man natürlich nicht sehen, wie die Gletscher sich verändern. Aber ich konnte mit den Menschen vor Ort sprechen, die dafür kämpfen, dass ihre Lebensgrundlage erhalten bleibt. Wenn man da oben ist, merkt man wirklich, dass man zu Gast in der Natur ist. Die Stille und Abgeschiedenheit sind einmalig.

Haben Sie die nächste Tour schon geplant?

Ich plane, im nächsten Jahr an die Ostküste Grönlands zu segeln und die Wissenschaft mit Proben oder Messungen zu unterstützen. Wir sind aktuell in engen Gesprächen mit mehreren Instituten. Eine lange Tour mit dem SUP werde ich erst mal nicht mehr machen. Es war definitiv härter, als ich gedacht hatte, und ging über meine Grenzen hinaus. Wenn mir das von Anfang an klar gewesen wäre, hätte ich es vielleicht nicht gemacht. Zum Glück wusste ich es nicht besser!

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