Rettung von Flüchtlingen im Mittelmeer: „Sea-Watch 4“ läuft bald aus

Sea-Watch und Ärzte ohne Grenzen starten einen neuen Rettungseinsatz im Mittelmeer. Das nötige Geld kommt von mehr als 550 Organisationen.

Die "Sea-Watch 4" liegt am 30.07.2020 im spanischen Mittelmeerhafen Burriana

Soll bald den Anker lichten: Die „Sea-Watch 4“ im Hafen von Burriana in Spanien Foto: epd/ Thomas Lohnes

BERLIN taz | Noch im August soll mit der „Sea-Watch 4“ ein neues ziviles Seenotrettungsschiff seinen Einsatz im zentralen Mittelmeer beginnen. Das erklärten am Donnerstag die Organisationen Sea-Watch und Ärzte ohne Grenzen sowie das Bündnis United4Rescue. „Das politische Versagen der EU im Mittelmeer ist jeden Tag sichtbar“, sagte Marie Naaß von Sea-Watch. Die „Sea-Watch 4“ sei ein „Zeichen an die EU, dass die Zivilgesellschaft die Menschen nicht an den Grenzen ertrinken lässt“.

Derzeit liege das Schiff in der spanischen Hafenstadt Burriana, es würden letzte Vorbereitungen getroffen. Ein Großteil der Crew habe die wegen Corona erforderliche Quarantäne hinter sich gebracht, so dass man bald mit den nötigen Trainings beginnen könne. Einen genauen Termin für den Start der Mission könne man noch nicht nennen.

„Unsere Flugzeuge mussten allein in den letzten Wochen mehr als 2.000 Menschen in Seenot und Menschenrechtsverletzungen dokumentieren“, sagte Naaß. Viele der Gesichteten seien völkerrechtswidrig zurück nach Libyen gebracht worden, unterstützt von der EU und Frontex. Gleichzeitig gebe es derzeit keine zivilen Seenotretter*innen im Mittelmeer. Vier Schiffe verschiedener Organisationen seien in Italien wegen „fadenscheiniger Vorwürfe festgesetzt oder werden mit nicht erfüllbaren Auflagen am Einsatz gehindert“, so Naaß.

„Unsere Überzeugung ist, dass Menschen nicht alleingelassen werden können, wenn ihnen das Ertrinken droht“, sagte Oliver Behn von Ärzte ohne Grenzen. Die Organisation ist in fünf offiziellen libyschen Lagern tätig, wohin immer wieder Gerettete zurückgebracht würden. Dazu kämen die inoffiziellen Foltergefängnisse. „Menschen leiden dort, Menschen sterben dort. Wir müssen helfen“, sagte Behn.

Von Kirche bis Kondomhersteller

Ermöglicht wurde der Kauf der „Sea-Watch 4“ durch Spenden des Bündnisses United4Rescue, das im November 2019 von etwa 40 Partnern aus Kirchen, Kommunen, Vereinen und Initiativen initiiert worden war. Inzwischen sind dort mehr als 550 zivilgesellschaftliche Organisationen vertreten.

„Diese Bündnispartner könnten unterschiedlicher nicht sein“, sagte Pastorin Sandra Bils, Gründungsmitglied von United4Rescue. Es sei ein „Unding“, dass Organisationen wie die Evangelische Kirche in Deutschland, der Koordinierungsrat der Muslime oder der Deutsche Gewerkschaftsbund, aber auch „ein Kondomhersteller, Kindergärten, Bauernhöfe oder Eiscremehersteller Seenotrettung betreiben müssen, weil die EU und ihre Mitgliedstaaten ihrer Aufgabe nicht nachkommen“, so Bils.

Sowohl Sea-Watch als auch Ärzte ohne Grenzen führen seit Jahren Seenotrettungseinsätze auf dem Mittelmeer durch – bisher aber unabhängig voneinander. Im April hatte Ärzte ohne Grenzen die bisherige Zusammenarbeit mit der Organisation SOS Méditerranée beendet. Grund waren unterschiedliche Auffassungen darüber, ob man in der Coronakrise auslaufen könne. Immer wieder war Schiffen mit Geretteten unter Verweis auf die Pandemie das Anlegen in europäischen Häfen versagt worden.

Behn betonte, die Coronapandemie dürfe kein Argument gegen Seenotrettung sein. Natürlich gebe es in der Enge eines Schiffes besondere Herausforderungen – man habe aber ein spezielles Protokoll entwickelt. Alle an Bord Befindlichen würden täglich auf Covid-19-Symptome getestet, Verdachtsfälle isoliert. „Aber Corona entbindet uns nicht von der Pflicht, Menschenleben auf See zu retten“, so Behn.

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