Gesetzentwurf gegen Drohungen: Listen mit Suggestiv-Charakter

Die Große Koalition will die Veröffentlichung von Feindeslisten bestrafen. Ein erster Gesetzentwurf zeigt, wie heikel das Vorhaben ist.

Christine Lambrecht im Deutschen Bundestag

Von ihr fehlt noch ein Vorschlag zur Strafnorm bei Feindeslisten: Justizministerin Christine Lambrecht Foto: Jens Krick/Future Image/imago

KARLSRUHE taz | Die Große Koalition will im Herbst erneut das Strafrecht verschärfen. Erstmals soll es dann unter Strafe gestellt werden, sogenannte „Feindeslisten“ zu veröffentlichen. Das Vorhaben ist zwar keine Reaktion auf die Drohbriefe vom sogenannten “NSU 2.0“, doch die derzeitige Stimmung dürfte für weitere Strafrechtsverschärfungen günstig sein.

Als „Feindeslisten“ oder „Todeslisten“ werden bisher vor allem Namens- und Adresssammlungen bezeichnet, die von Rechtsextremisten angelegt werden und deren politische Gegner erfassen. Die NSU-Terroristen hatten eine solche Liste verfasst, ebenso der Ex-Bundeswehr-Soldat Franco A., der im Herbst wegen Terrorvorbereitungen vor Gericht stehen wird. Auch die Nordkreuz-Gruppe, die sich in Mecklenburg-Vorpommern auf einen „Tag X“ vorbereitete, sammelte Adressen von vermeintlichen Feinden.

Ein spezielles strafrechtliches Verbot forderte als Erstes das Bundeskriminalamt (BKA) im Oktober 2019. Auch Innenminister Horst Seehofer (CSU) unterstützte die Forderung. In den Gesetzentwurf gegen Hasskriminalität vom März dieses Jahres wurde dann aber keine entsprechende Strafnorm aufgenommen. Vielmehr wurde seitens der Bundesregierung zunächst behauptet, die verschärfte Bestrafung der Bedrohung erfasse auch Feindeslisten. Das stimmte aber nicht, da die Aufstellung einer Feindesliste nicht zwingend die Androhung von Straftaten enthält.

Die CDU/CSU drängte deshalb koalitionsintern, doch noch einen speziellen Tatbestand gegen Feindeslisten einzuführen. Die SPD zeigte sich grundsätzlich offen, warnte aber vor Schnellschüssen. So wurde das Gesetz gegen Hasskriminalität Mitte Juni ohne eine entsprechende Norm beschlossen. Hauptinhalt war die Einführung einer Anzeigepflicht für soziale Netzwerke. Diese müssen ab nächstem Jahr strafbare Hasspostings nicht nur löschen, sondern auch dem BKA melden.

Interne Listen bleiben legal

Der Vorschlag der CDU/CSU für eine Strafnorm gegen Feindeslisten umfasst vier Tatbestandsmerkmale: Erstens müssen personenbezogene Daten zusammengetragen werden. Zweitens müssen diese veröffentlicht werden. Drittens muss dies geeignet sein, den öffentlichen Frieden zu stören. Und viertens muss die Liste subjektiv dazu bestimmt sein, die Bereitschaft von anderen zu fördern, gegen die in der Liste genannten Personen Straftaten zu begehen.

Damit würden allerdings keine Feindeslisten erfasst, die Extremisten nur intern anfertigen und aufbewahren. Der Union geht es um die öffentliche Einschüchterung, wie zum Beispiel durch die im Internet kursierende Liste #WirKriegenEuchAlle.

Die Straftaten, die durch die Liste ausgelöst oder gefördert werden sollen, müssen nach dem Entwurf keine Gewalttaten sein, es würden schon Beleidigungen genügen.

Auch eine ausdrückliche Aufforderung, Straftaten zu begehen, soll nicht erforderlich sein; denn dafür gibt es bereits andere Strafnormen. Die Förderung von Straftaten muss also irgendwie anders suggestiv bewirkt werden. Dies ist sicher der heikelste Punkt des Gesetzentwurfs. Hier müssten Ermittler und Gerichte künftig Absichten in einen Text hineinlesen, die eben nicht explizit genannt werden.

Die rechtspolitischen Sprecher Jan-Marco Luczak (CDU/CSU) und Johannes Fechner (SPD) sind sich einig, dass die neue Strafnorm nicht die Pressefreiheit und auch nicht die Tätigkeit von NGOs einschränken soll. Nicht jede Liste mit Rassisten oder Umweltsündern solle künftig bestraft werden. Die Abgrenzung wird aber schwierig sein.

Die Koalition will im September konkrete Verhandlungen über die neue Strafnorm aufnehmen. Bis dahin soll auch das Bundesjustizministerium einen Vorschlag vorlegen.

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