Deutsche Bahn in der Coronakrise: Kritik an staatlicher Finanzspritze

Will der Staatskonzern mit der milliardenschweren Coronahilfe des Bundes alte Löcher stopfen? Das fürchten der Bundesrechnungshof und Wettbewerber.

Zug der Eurobahn in Duisburg: Private Eisenbahnen bekommen bislang keine Staatshilfe Foto: Rüdiger Wölk/imago

BERLIN taz | Die geplanten Milliardenhilfen des Bundes für die Deutsche Bahn rufen massive Kritik hervor. Der Bundesrechnungshof und Bahn-Konkurrenten mahnen, dass die Finanzspritze nicht zu Wettbewerbsverzerrungen führen dürfe. Der Staatskonzern soll nachweisen, dass der geschätzte Finanzbedarf von 9 bis 11 Milliarden Euro tatsächlich mit der Coronakrise zusammenhängt, fordert der Bundesrechnungshof in einem Bericht an den Haushaltsausschuss des Bundestags.

In der Coronakrise hat die Deutsche Bahn 75 Prozent ihres Angebots aufrechterhalten, obwohl die Züge kaum ausgelastet waren. Deshalb fehlen Einnahmen. Der Bund will dem Konzern mit einer Finanzspritze zwischen 6,9 und 8,4 Milliarden Euro helfen. Das Unternehmen soll außerdem 5 Milliarden Euro durch Kürzungen mobilisieren, davon 2 Milliarden beim Personal.

Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hatte daher am Dienstag ein „Bündnis für unsere Bahn“ vorgestellt, das aus der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG), dem Konzernbetriebsrat und dem Arbeitgeberverband AGV Move besteht. Die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GdL) ist nicht dabei. Die GdL lehne eine Sanierung des Konzerns auf Kosten des Personals ab, sagte der Vorsitzende Claus Weselsky. Die Deutsche Bahn solle sich stärker auf den Inlandsverkehr konzentrieren. Sie habe im Ausland Milliarden versenkt.

Der Bericht des Bundesrechnungshofs geht in die gleiche Richtung. Hilfen für die Deutsche Bahn müssten sich aus Wettbewerbsgründen auf coronabedingte Schäden beschränken, schreiben die Kontrolleure darin. Mit der Kapitalspritze des Bundes dürften nicht die Fehlinvestitionen der Vergangenheit finanziert werden. Der Staatskonzern ist stark im Ausland expandiert und hat sich etwa mit dem Unternehmen Arriva, das im europäischen Nahverkehr aktiv ist, erhebliche Probleme eingehandelt. Die Deutsche Bahn versuche, dem Bund „auch die sich realisierenden Risiken aus ihren bahnfremden und weltweiten Geschäftstätigkeiten zu übertragen“, heißt es in dem Bericht. Gleichzeitig sollen diese Tätigkeiten unverändert fortgeführt werden, kritisieren die Kontrolleure.

Wettbewerber teilen Kritik des Bundesrechnungshofs

Die Deutsche Bahn weist die Kritik zurück. „Die Vorwürfe des Bundesrechnungshofes sind schlicht falsch“, sagte ein Sprecher. „Richtig ist, dass die Bahn eine Aufstellung von coronabedingten Schäden erarbeitet hat.“ Hierüber habe die Deutsche Bahn den Bund transparent informiert. „Eine einwandfreie Mittelverwendung ist durch die entsprechenden Kontrollgremien jederzeit gewährleistet“, sagte er.

Wettbewerber des Staatskonzerns teilen die Kritik des Bundesrechnungshofs. Bei den Coronahilfen des Bundes für die Deutsche Bahn sei keine Differenzierung nach dem Verwendungszweck vorgesehen, kritisiert Matthias Stoffregen, Geschäftsführer des Verbands Mofair, in dem die Bahnwettbewerber im Personenschienenverkehr zusammengeschlossen sind. „Mit der Finanzhilfe des Bundes für die Deutsche Bahn könnten alte Löcher gestopft werden“, sagte er. „Am Ende muss der Steuerzahler die Abenteuer der Deutschen Bahn im Ausland finanzieren.“ Die Konkurrenten der Deutschen Bahn haben im Personennahverkehr einen Marktanteil von 40 Prozent. „Alle Unternehmen des Eisenbahnverkehrs haben hohe Einbußen“, sagte Stoffregen.

Für die Wettbewerber der Bahn sind bislang aber keine Hilfen vorgesehen. Scheuer und die Landesverkehrsminister fordern zwar einen Rettungsschirm von 5 Milliarden Euro für den öffentlichen Nahverkehr – bislang aber ohne Erfolg. Österreich dagegen hat in der Coronakrise sowohl die staatliche Bahn als auch die private Westbahn zum Weiterfahren aufgefordert und kommt für Einnahmeausfälle auf.

Die Bahnwettbewerber kritisieren, dass sie zu Scheuers „Bündnis für unsere Bahn“ nicht eingeladen waren. Das Bundesverkehrsministerium verweist auf den geplanten ­Gipfel „Zukunftsbündnis Schiene“ am 30. Juni. Der Gipfel schließe alle Akteure ein, teilte das Ministerium mit.

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