Rassismus in und wegen der Coronakrise: Beschimpft und benachteiligt

Rassismus gegen Menschen asiatischer Herkunft nimmt in Ostdeutschland zu – wohl wegen Corona. Betroffene berichten von schockierenden Vorfällen.

Eine junge Frau mit Mundschutz riecht an einer Blüte.

Frühling am Dresdner Elbufer Foto: Robert Michael/dpa

DRESDEN taz | In einem vietnamesischen Imbisslokal in Dresden winkt die Betreiberin ab und lacht auf, wenn sie nach Veränderungen im Verhalten ihrer Gäste gefragt wird. Seit 1992 lebe sie hier. Sie erzählt von Gästen, die schon vor der Corona-bedingten Schließung des Lokals immer seltener kamen – weil sie glaubten, sich dort mit dem Virus anzustecken. Die Frau schüttelt den Kopf.

Unter dem Stichwort „Corona-Rassismus“ schildern im Internet Asiaten oder als solche gelesene Menschen ihre Rassismuserfahrungen seit Ausbruch der Epidemie. Die Sächsische Zeitung berichtet beispielsweise von einer 28-jährigen Tochter vietnamesischer Eltern aus Bautzen, die seit dem Studium mit Mann und Kind in Dresden lebt. Sie werde auf einem Zettel als „Sozialgesindel“ beschimpft und draußen angepöbelt, so dass sie sich kaum noch aus dem Haus traue, heißt es in dem Text.

Susi Möbbeck, Integrationsbeauftragte der Landesregierung von Sachsen-Anhalt, konstatiert, dass in ihrem Bundesland derzeit Asiatinnen und Asiaten wegen Corona von Rassismus betroffen seien. „Wenn reißerisch vor der Infektionsgefahr durch chinesische Gaststudenten gewarnt wird, werden Ängste bedient und Vorurteile geschürt“, sagt sie. Dabei werde unter anderem die größte Gruppe ausländischer Studierender im Land pauschal abgewertet.

Angst schlägt um in Hass

Mamad Mohamad, Geschäftsführer des Landesnetzwerks der Migrantenorganisationen in Sachsen-Anhalt, sorgt sich, dass sich die Angst vor Jobverlust oder wirtschaftlichem Abstieg in dieser Phase wieder gegen vermeintliche ausländische Konkurrenz kehren könnte. Man tue alles, um eine solche „Welle der Empörung“ zu vermeiden.

Dass eine solche Welle aber bereits im Rollen ist, dafür spricht einiges. Das MDR-Magazin „exakt“ berichtete etwa, dass bereits im Februar allen chinesischen Studienbewerbern an der Berliner Musikhochschule Hans Eisler die Teilnahme an der Aufnahmeprüfung verwehrt wurde. Rektorin Sarah Wedl-Wilson begründete dies mit mangelnden Einzelfall-Prüfungsmöglichkeiten an einer kleinen Hochschule. Studentinnen der Hochschule der Künste in Bremen berichten von Beschimpfungen aus vorbeifahrenden Autos und von ihrer Angst, asiatischen Gepflogenheiten entsprechend einen Mundschutz zu tragen.

Schlaglicht auf Tendenzen

Solche Vorfälle erfasst auch die Antidiskriminierungsstelle des Bundes in Berlin. Nach Angaben eines Sprechers gingen im Februar und im März dieses Jahres 55 neue Beratungsanfragen ein, die sich auf rassistische Diskriminierungen gegenüber Menschen asiatischer Herkunft oder mit asiatischem Erscheinungsbild beziehen. Berichtet wird, dass sie bei Arztbesuchen oder als Wohnungsbewerber abgewiesen würden. Der Sprecher betont aber, dass solche Fallzahlen nur ein Schlaglicht auf Tendenzen werfen und nicht repräsentativ sein können. In Chemnitz kontrollierte die Polizei vietnamesisch-deutsche Staatsbürger, wohl weil sie aus Sicht der Beamten eine Infektionsgefahr darstellten.

Noa Kerstin Ha vom Zentrum für Integrationsstudien der TU Dresden bestätigt einen „deutlichen Anstieg“ bei den rassistischen Vorfällen und belegt ihn auch mit eigenen Erfahrungen. Schon im Februar wurden ihre beiden 12 und 14 Jahre alten Söhne in einer Berliner U-Bahn aufgefordert, zu verschwinden, weil sie angeblich das Virus mitbrächten.

„Die Anderen“ sind schuld

Die Migrationsforscherin verweist auf das in der Medizingeschichte bekannte Phänomen des „Otherings“. Seuchen und Gefahren werden in der Sicht von Teilen der Bevölkerung immer von „den Anderen“ eingeschleppt.

Diese Tendenz, bei Gefahr andere verantwortlich zu machen, lässt sich teils sehr konkret beobachten. Krankheiten wie die „Spanische Grippe“, die „Französische Krankheit“ oder die „Hongkong-Grippe“ werden schon im Namen ganz offensichtlich bestimmten Nationen zugeschrieben. Auch bei Corona lässt sich der Versuch beobachten, die Krankheit mit einer bestimmten Nationalität zu verbinden. So sprach etwa der US-Präsident Donald Trump von Corona als „chinesischem Virus“. Die Weltgesundheitsorganisation WHO wendet sich gegen solche geografischen Bezüge.

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