Zugfahren in Corona-Zeiten: Seltenes Lob für Deutsche Bahn
Trotz geringer Nachfrage fahren viele Züge weiter. Verkehrsexperten halten das Krisenmanagement des Unternehmens für überzeugend.
BERLIN taz | Die Deutsche Bahn wird trotz geringer Auslastung bis auf Weiteres ihr bisheriges Angebot aufrechterhalten. Im Fernverkehr fahren 75 Prozent der Züge, im Nahverkehr zwei Drittel – bei einer Auslastung zwischen 10 und 15 Prozent. „Eine weitere Reduzierung ist nicht angedacht“, sagte Bahnchef Richard Lutz am Montag in einer Telefonkonferenz mit JournalistInnen. Auch in vergleichsweise stark nachgefragten Zügen sollten Reisende ohne Sorgen fahren können, betonte er. Für die Osterzeit erwartet die Bahn keinen Ansturm. „Unsere Kundinnen und Kunden gehen ausgesprochen verantwortungsvoll mit der Situation um“, sagte er.
Das Bahnmanagement steht Lutz zufolge in engem Kontakt mit Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) und den VerkehrsministerInnen der Länder. Damit soll ein bundesweit möglichst einheitliches Vorgehen erreicht werden. Die Coronakrise werde die Bahn wirtschaftlich sehr hart treffen, erklärte Lutz. Viele Einnahmen brechen weg. Trotzdem zähle jetzt nicht vorrangig das Betriebsergebnis, betonte er. Eine Prognose zu diesem wollte er nicht abgeben. „Ein Preisschild daran zu hängen wäre nicht seriös“, sagte er.
Im Fernverkehr finden nach wie vor Ticketkontrollen statt, allerdings ohne persönlichen Kontakt zwischen KontrolleurInnen und Reisenden. „Für uns gilt das Primat: Gesundheitsfürsorge und Prävention unserer Mitarbeiter haben absoluten Vorrang“, sagte Lutz. Die Bahn hat großzügige Kulanzregeln eingeführt. Mittlerweile sind Onlineanträge für die Rückerstattung möglich. Bislang mussten die Formulare ausgedruckt werden. „Wir haben einen digitalen Schub an ganz vielen Stellen“, sagte Lutz. Zum Beispiel läuft die Rekrutierung neuen Personals nun digital.
„Die Bahn beweist derzeit sehr viel Rückgrat“
Im Güterverkehr ist die Bahn zu 70 Prozent ausgelastet. „Wir fahren alles, was Kunden wollen“, sagte Lutz. Die Bahn habe neue Aufträge. Die könnten zwar nicht alles ausgleichen, was an anderer Stelle durch den Produktionsstillstand etwa in der Autoindustrie wegbreche. „Der grenzüberschreitende Güterverkehr läuft und ist ein stabiler und verlässlicher Faktor“, sagte er aber.
Staatliche Hilfe erforderlich
Das Krisenmanagement der Bahn für überzeugend hält Philipp Kosok vom ökologischen Verkehrsclub Deutschland (VCD). „Die Bahn beweist derzeit sehr viel Rückgrat und wird ihrer gesellschaftlichen Aufgabe gerecht“, sagte er. „Ich rechne dem Vorstand hoch an, dass er betriebswirtschaftliche Aspekte zurückstellt.“ Kosok fordert, dass die Bundesregierung die verlorenen Einnahmen der Bahn ausgleicht. Außerdem brauche die Bahn nach der Krise ein Investitionsprogramm. Kosok: „Das wird der Moment sein, in dem jahrelang verschleppte Investitionen nachgeholt werden können.“
Auch der Bahnexperte der Bundestagsfraktion der Grünen, Matthias Gastel, hält es für richtig, das Angebot im Personen- und Güterverkehr aufrechtzuerhalten. Alle Akteure bräuchten jetzt schnelle und unbürokratische Hilfe, forderte er. Im Güterschienenverkehr liegt der Marktanteil der Deutschen Bahn bei weniger als 50 Prozent, der Rest entfällt auf andere Unternehmen. „Der Bund als Eigentümer des Schienennetzes kann durch Übernahme eines Teils der Trassenpreise für den Nah-, Fern- und Güterverkehr allen Unternehmen im Eisenbahnsektor schnell helfen“, sagte Gastel.
Leser*innenkommentare
Rosmarin
Kirche ohne Gläubige und Bahn ohne Fahrgäste - Hauptsache, die Chefs sind zufrieden?
kommentomat
Die Bahn ist quasi ohne Fahrgäste plötzlich superpünktlich
tomás zerolo
Mal schön, so positives von der Bahn zu lesen. Freut mich ♥