Memes der Deutschen Bahn: Der Sonderzug nach Sexytown
Die Deutsche Bahn produziert neuerdings Memes mithilfe einer Kreativagentur. Dabei ignoriert sie jedoch die eigentlich interessanten Szenen.
Der Trend zur Scheuerisierung hält an. Andreas Scheuer, Sie erinnern sich, das ist der vom Kabarett, also uns allen, verhasste Verkehrsminister, der wenig so gut kann wie Hochstapeln, und dazu noch geile Haare hat.
Auch bei der Bahn geht man schon länger solche Wege: Wo der zähe Mehdorn noch den Bulldozer bestieg, um thüringische Dörfer dem Erdboden gleichzumachen, verspricht der strahlende Lutz einen harmonischen Fahrplan, blühende Landschaften und reibungslosen Verkehr.
Da mögen die von der emsigen SWR-Eisenbahnredaktion alle dreieinhalb Wochen zu einem weiteren Schienen-„Brennpunkt“ zusammengetrommelten Expert:innen noch so sehr mahnen, da mögen Pendler:innen täglich in ihre Absätze stöhnen, da mag das desinfizierte Volksmaul sich im Dieseldunst vor Häme selbst zerreißen –, die Deutsche Bahn ficht nichts an in ihrem Sexyness-Lauf.
Nun macht die Bahn also Memes. Genauer: nicht die Bahn, sondern eine „Kreativagentur“ namens „Buddybrand“. Während wir alten Speisewagenpinkler:innen immer dachten, das hieße „Sonnenbrand“, ist uns die junge Generation wieder mal davongefahren. Nur noch die Rücklichter sehen wir, atemlos.
Echt laser
Und, wie auf „Giphy“ unter @DBPersonenverkehr zwei Männer und eine Frau, die aussehen, wie sich Kreativleute Bahnbeschäftigte vorstellen, fortan für immer ein paar Hoppel- und Stoppgesten abwackeln. Echt laser!
Das mit der ewigen Wiederkehr hat sich schon Nietzsche gedacht. Und in der Tat: Lange wird die Bahn ihre Schwächen auch hinter den frisch angeschlossenen 100.000 Volt Marketing-Spannung nicht verstecken können. Wo bleibt das „Dieser Zug fällt heute aus“-Meme? Wo das „Der vor uns befindliche Streckenabschnitt … krschh, krschh … Anschlussreisende …krschh … technische Störung …plopp“-Meme? Wo das „Dieses WC ist zurzeit unbenutzbar“-Meme? Wird es Ronald Pofalla persönlich spielen?
Außerdem hat die Bahn angekündigt, ihre Kund:innen in sozialen Medien nach einer Testphase jetzt dauerhaft zu duzen. Das ist auch viel natürlicher. Schließlich sagt man nicht „Sie“, sondern „du Arschloch!“ Oder, Stichwort Pofalla: „Ich kann deine Fresse nicht mehr sehen!“
Da ist sogar die alte Generation wieder mit dabei. Denn so ein Kasernenhofton klingt doch fast wie früher. Damals: als die Züge noch pünktlich fuhren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?