Maßnahmen gegen Corona-Ansteckung: Das Tempo ist entscheidend

Veranstaltungsabsagen sind sinnvoll. Denn je schneller sich Covid-19 ausbreitet, desto eher stößt das Gesundheitssystem an Kapazitätsgrenzen.

Eine Mitarbeiterin eines Krankenhauses nimmt während eines Pressetermins zum Start einer "Drive-In"-Teststation für den Coronavirus in Nürtingen.

Drive-In-Teststation für Coronavirus in Nürtingen Foto: Marijan Murat/dpa

BERLIN taz | Am Montagnachmittag meldete das nordrhein-westfälische Gesundheitsministeriums die ersten beiden Todesfälle wegen des Coronavirus in Deutschland. Dabei handelt es sich um eine Person in Heinsberg und eine in Essen.

Und dennoch: Bei vielen Menschen stoßen die jüngsten Maßnahmen zur Eindämmung von Covid-19 auf Kritik. Die Erkrankung sei doch gar nicht gefährlicher als die normale Grippe und für die werden auch keine Veranstaltungen abgesagt, lautet ein Einwand. Andere meinen, wenn sich am Ende ohnehin ein Großteil der Bevölkerung mit dem Virus infiziere, sei es doch egal, ob das früher oder später passiere.

Beides ist nach Ansicht von ExpertInnen aber falsch. So ist die Ansteckungsrate beim neuartigen Coranavirus deutlich höher als bei der klassischen Grippe – denn weil es so neu ist, gibt es noch keinerlei Immunität in der Bevölkerung. Auch ist, anders als bei der normalen Grippe, nicht damit zu rechnen, dass die Infektionsrate bei wärmeren Temperaturen zurückgehe, sagte der Chefvirologe der Berliner Charité, Christian Drosten, am Montag. Zudem gibt es noch keinen Impfstoff, sodass Risikogruppen wie Klinikpersonal oder ältere Menschen nicht geschützt werden können.

Und auch wenn es nach Ansicht vieler ExpertInnen möglich oder sogar wahrscheinlich ist, dass ein Großteil der Menschen in Deutschland mit dem Virus infiziert werden wird, macht es einen großen Unterschied, in welchem Zeitraum das passiert. Denn je schneller die Ausbreitung verläuft, desto wahrscheinlicher ist es, dass das Gesundheitssystem an seine Kapazitätsgrenze stößt.

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Das zeigt eine einfache Rechnung: Bisher hat sich die Zahl der Infektionen in Italien ebenso wie in Deutschland etwa alle drei Tage verdoppelt. In Italien waren zuletzt knapp 8.000 Fälle registriert; die deutschen Zahlen folgen den italienischen bisher mit einer Verzögerung von 8 Tagen; hier sind bisher gut 1.000 Erkrankungen nachgewiesen. Wenn dieser exponentielle Trend anhält, liegt die Zahl der Infizierten in einem Monat schon bei 1 Million.

Christian Drosten, Virologe

„Die Verlangsamung ist entscheidend. Es ist noch nicht zu spät“

Intensiv-Betten könnten knapp werden

In Italien werden derzeit etwa 10 Prozent der Erkrankten auf einer Intensivstation behandelt; in anderen Ländern oder Regionen war dieser Wert geringer. Aber auch wenn man davon ausgeht, dass nur 5 Prozent der Fälle einen so schweren Verlauf zeigen, dass sie intensivmedizinische Behandlung benötigen, wären das bei 1 Million Infizierten 50.000 Menschen. In Deutschland gibt es aber insgesamt nur 28.000 Betten auf Intensivstationen.

Ein so schneller Anstieg der Covid-19-Erkrankungen würde also zum einen dazu führen, dass nicht alle schweren Fälle intensivmedizinisch betreut werden können, was die Sterberate deutlich erhöhen dürfte. Zum anderen stehen die vorhandenen Intensiv-Betten bisher ja nicht leer, sondern werden für andere PatientInnen benötigt. Auch für andere Schwerkranke würde damit die medizinische Versorgung schlechter, was zusätzliche Todesfälle zur Folge hätte.

„Es ist noch nicht zu spät“

Die Absagen von großen Veranstaltungen, bei denen viele Menschen aus unterschiedlichen Regionen dicht aufeinandertreffen, soll dazu führen, das Ansteckungstempo zu verringern. Wenn dadurch erreicht wird, dass sich die Zahl der Erkrankten nicht mehr in 3 Tagen verdoppelt, sondern erst in 6 Tagen, wären nach einem Monat nicht 1 Million Menschen infiziert, sondern nur 32.000. Auch die Zahl der zu einem Zeitpunkt maximal gleichzeitig Infizierten ist bei langsamerem Verlauf deutlich geringer.

Für den Virologen Christian Drosten steht darum fest: „Die Verlangsamung ist entscheidend.“ Und sie sei auch noch möglich, meint er: „Es ist noch nicht zu spät.“

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