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"Wirkliche Einschüchterungsversuche autoritärer Regierungen" mit der Überschrift "Ausländische Medien in China - im Ton vergriffen" zu versehen, ist eine krasse Verharmlosung des Vorgangs und hat einen Beigeschmack von Victim Blaiming.
Muss diese Überschrift wirklich sein?
Man sollte vielleicht ergänzen, dass das Wallstreet Journal nicht auf offizielle Kritik an dem rassistisch empfundenen Artikel reagiert hat. Zudem könnte man in dieser Aktion eine Reaktion auf die Einschränkung der Pressefreiheit chinesischer Medien in den USA sehen.
Washington behandelt Chinas Medien künftig wie ausländische Vertretungen, was stärkere Kontrollen zur Folge haben wird, hatte das US-Außenministerium am Dienstag erklärt. Betroffen sind die Nachrichtenagentur Xinhua, der Fernsehsender CGTN, China Radio International sowie die Zeitungen China Daily und die Volkszeitung.
Die Parteien der Mitte meinen, mit empathischer Kümmerergeste „das Ossi“ für sich gewinnen zu können. Sie sollten sie lieber zum Mitwirken auffordern.
Ausländische Medien in China: Im Ton vergriffen
Drei Journalisten des „Wall Street Journal“ müssen China verlassen. Dabei haben sie mit den Vorwürfen gegen die Zeitung nichts zu tun.
Aus Wuhan evakuierte Japaner stellen sich am Ende ihrer Quarantäne internationalen Reporter:innen Foto: ap
Grenzwertig war die Überschrift, zutiefst beleidigend und für viele auch rassistisch: Wenn das Wall Street Journal einen Gastkommentar über China und seinen Umgang mit dem Coronavirus als „Der wahre kranke Mann in Asien“ betitelt, dann muss sich die Zeitung zu Recht heftige Kritik gefallen lassen. Dass nun drei Kollegen, die jenen Kommentar gar nicht verfasst haben, als Sündenböcke hergenommen werden und ihre Pressekarte verlieren – was heißt, dass sie das Land verlassen müssen –, lässt sich jedoch durch keine noch so untergriffige Formulierung rechtfertigen.
Treffen können hätte es beispielhaft jeden der Kolleginnen und Kollegen in Peking. Dass der Spiegel für sein kürzlich erschienenes Titelblatt „Made in China“ keine Konsequenzen zu tragen hatte, hängt nicht zuletzt auch mit der politischen Großwetterlage zusammen: Deutsche Medien können – im Gegensatz zu Kollegen aus den USA – auf ein Grundvertrauen zählen, da es um die deutsch-chinesische Beziehung zumindest wirtschaftlich gut bestellt ist.
Eklats gilt es allein aus geschäftlichen Gründen zu vermeiden. Dennoch: Trotz der schwierigen Arbeitsbedingungen genießen internationale Korrespondenten – insbesondere im Vergleich zu den lokalen Kollegen – immer noch relative Narrenfreiheit. Der Beweis dafür lässt sich bei der täglichen Zeitungslektüre erbringen: In fast jedem größeren Medium muss die chinesische Regierung heftige Kritik einstecken, die zuweilen auch übers Ziel hinausschießt. Oder sie muss sich zumindest ein vereinfachtes Bild gefallen lassen, das sich auf die Themenkreise Menschenrechtsverbrechen und Überwachungsstaat beschränkt.
Oftmals haben wir Korrespondenten nicht mehr zu befürchten als ein „klärendes Gespräch“ beim Außenministerium. Das sollte unsere Zunft aushalten können und nicht bei jeder Unannehmlichkeit laut aufschreien. Dann nämlich verschwimmt in der inflationär verwendeten Empörung das Gespür für wirkliche Einschüchterungsversuche autoritärer Regierungen. Genau ein solcher ist jedoch mit der Abschiebung der drei Kollegen passiert.
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Schwerpunkt Coronavirus
Kommentar von
Fabian Kretschmer
Korrespondent China
Seit 2019 China-Korrespondent mit Sitz in Peking. Arbeitete zuvor fünf Jahre lang als freier Journalist für deutschsprachige Medien in Seoul, Südkorea. 2015 folgte die erste Buchveröffentlichung "So etwas wie Glück" (erschienen im Rowohlt Verlag), das die Fluchtgeschichte der Nordkoreanerin Choi Yeong Ok nacherzählt. Geboren in Berlin, Studium in Wien, Shanghai und Seoul.
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