CDU will zu enge Käfige legalisieren: Agrarministerin Klöckners Sauerei

Sauen sollen noch 17 Jahre in Gestelle gesperrt werden dürfen, in denen sie nicht die Beine ausstrecken können. Jetzt ist das illegal, aber üblich.

Schweine stehen in "Kastenständen" in einem Stall in Brandenburg

In solchen „Kastenständen“ müssen Sauen monatelang leben: Schweinestall in Brandenburg Foto: imago/blickwinkel

BERLIN taz | Bundesagrarministerin Julia Klöckner will die seit Jahrzehnten verbotenen zu engen Einzelkäfige für Sauen legalisieren. Ein Verordnungsentwurf der CDU-Politikerin streicht die Vorschrift, dass die Tiere ihre Beine ausstrecken können müssen. Erst nach einer Übergangsfrist von bis zu 17 Jahren müssten diese „Kastenstände“ ein bisschen größer sein als bislang üblich und die Zeiten der Tiere darin verkürzt werden. Darüber will der Agrarausschuss des Bundesrats am Montag beraten. Tierschützer wollen gegen Klöckners Plan auch beim gleichzeitig stattfindenden Agrargipfel im Kanzleramt protestieren.

Die 1,8 Millionen Sauen in Deutschland werden überwiegend monatelang in Metallgestellen gehalten, die ungefähr so groß wie das Schwein sind. Es kann sich nicht umdrehen und sich nur langsam hinlegen. Dies hat den Vorteil, dass die Jungtiere nicht so leicht erdrückt werden. Zudem erleichtert der Kastenstand dem Personal den Überblick, zum Beispiel, welche Sau schon besamt ist. Das Metallgestell spart auch Platz, denn außerhalb des Käfigs ist mehr Bewegungsfreiheit vorgeschrieben.

Tierschützer kritisieren jedoch, dass die Kastenstände oft Geschwüre im Schulter- und Hüftbereich verursachten. Es sei Tierquälerei, die Sauen ohne Kontakt zu Artgenossen und ohne Möglichkeiten zu halten, herumzulaufen, ihren Erkundungstrieb auszuleben oder sich zu suhlen. Wenn Sauen genug Platz hätten, würden ohne Kastenstand auch nicht wesentlich mehr Ferkel erdrückt werden.

Die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung erlaubt Kastenstände zwar für einen begrenzten Zeitraum. Aber bereits seit 1992 ist laut Verordnung vorgeschrieben, dass „jedes Schwein ungehindert aufstehen, sich hinlegen sowie den Kopf und in Seitenlage die Gliedmaßen ausstrecken kann“. Das Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt verlangte deshalb 2015, dass der Kastenstand entweder mindestens so breit wie das stehende Schwein hoch ist oder ermöglichen muss, die Gliedmaßen ohne Behinderung in benachbarte leere Käfige zu stecken. Das Bundesverwaltungsgericht bestätigte 2016 das Urteil aus Sachsen-Anhalt.

Übergangsfrist: Bis zu 17 Jahre

Kastenstände wie vom Gericht gefordert „sind kaum anzutreffen“, räumt das Agrarministerium in der Begründung seines Verordnungsentwurfs ein. „Praxisüblich sind derzeit Kastenstände mit einer Breite von 65 cm (Jungsauen) bzw. 70 cm (Sauen) und einer Länge von 200 cm, wobei in regional unterschiedlichem Ausmaß auch schmalere Kastenstände verbreitet sein können.“ Die durchschnittliche Sau hat aber Wissenschaftlern zufolge eine Körperhöhe von 90 cm. Demnach müsste der Kastenstand ebenso breit sein.

Doch wenn die Bauern die Kastenstände verbreitern müssten, könnte das teuer werden. Deshalb will das Agrarministerium die für viele Tierhalter lästige Vorschrift aufheben. Es schreibt ausdrücklich, die neuen „Anforderungen sind weniger weitreichend als die bisher geltenden, vom Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt ausgelegten Regelungen, da die Forderung nach der Möglichkeit des ungehinderten Ausstreckens der Gliedmaßen nicht mehr erhoben wird“.

„Die Übergangsfrist für Bestandsbetriebe soll maximal 15 Jahre betragen“, so das Ministerium weiter. Die Behörden könnten sie sogar zur „Vermeidung einer unbilligen Härte“ auf 17 Jahre verlängern.

Straffreiheit für Rechtsbrecher

Erst nach weit mehr als einem Jahrzehnt müssten die Käfige umgebaut werden. Sie sollen dem Entwurf zufolge 20 Zentimeter länger als bisher vorgeschrieben sein. Die Breite wird auf 65 Zentimeter für Jungsauen, 75 für Sauen mit einer Schulterhöhe bis zu 90 Zentimeter und auf 85 Zentimeter für Sauen mit einer Schulterhöhe über 90 Zentimeter angehoben. Sie sind also geringer als bislang von den Richtern gefordert. Ebenfalls erst nach der langen Frist dürfen die Sauen laut dem Entwurf nur noch wenige Tage statt mehrere Wochen hintereinander im Kastenstand eingesperrt bleiben.

„Straffrei“ würden nach diesem Verordnungsentwurf die Tierhalter davonkommen, die aus rein ökonomischen Gründen seit vielen Jahren engere Kastenstände als vorgeschrieben hatten, kritisieren der Deutsche Tierschutzbund, Vier Pfoten, ProVieh und andere Tierschutzorganisationen in einer gemeinsamen Stellungnahme. Die Bauern, die in rechtskonforme Käfige investiert haben, würden benachteiligt. „Gleichzeitig stellt sich die Frage, welches Vertrauen die Gesellschaft in den Gesetz- und Verordnungsgeber setzen kann, der rechts- und tierwidrige Praktiken in geltendes Recht deshalb überführen will, weil dieses Recht in der Praxis aus wirtschaftlichen Gründen nicht umgesetzt wurde“.

„Unlösbare finanzielle Schwierigkeiten“

Klöckners Ministerium teilte der taz auf Anfrage mit, dass der Verordnungsentwurf den Tierschutz deutlich verbessern würde. Schließlich würden die Fixierzeiten erheblich verkürzt und die Kastenstände vergrößert. Kürzere Übergangsfristen wären „gerade für kleine Betriebe nicht machbar, ohne sie damit vor unlösbare finanzielle Schwierigkeiten zu stellen“, so das Ministerium. „Es ist wichtig, die Produktion in Deutschland zu halten und weitere Strukturbrüche zu vermeiden – denn nur in Deutschland haben wir konkrete Einflussmöglichkeiten auf die Haltungsbedingungen und somit das Tierwohl.“

Die Kastenstände würden künftig so breit sein, dass „die Tiere normal aufstehen und sich hinlegen sowie in Seitenlage liegen können.“ Sie dürften aber auch nicht so breit sein, dass sich die Sauen umdrehen und dabei verletzen können.

Die Tierschützer hoffen jetzt auf den Bundesrat. Er könnte zum Beispiel die Übergangsfristen verkürzen.

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